Die Ausgangslage: Die Ampelkoalition von SPD, Grünen und FDP ist Mitte Woche nach einem erbitterten Richtungsstreit über den Kurs in der Wirtschafts- und Haushaltspolitik zerbrochen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) wurde aus der Regierung entlassen. Daraufhin zogen sich 3 von 4 Ministern ebenfalls zurück. Die Folge: Die Regierung hat im Parlament keine Mehrheit mehr. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bot der Union (CDU/CSU) gleich nach Lindners Abgang eine Zusammenarbeit an. Sie lehnte eine Zusammenarbeit im Bundestag jedoch ab.
Wann kommt es zu Neuwahlen? Scholz kann nun die Vertrauensfrage stellen. Wird ihm das Vertrauen von der Mehrheit des Bundestags entzogen, kann er Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier um die Auflösung des Parlaments bitten. Dafür hat der Präsident dann maximal 21 Tage Zeit. Er ist allerdings nicht dazu verpflichtet. Tut er es, muss danach binnen 60 Tagen neu gewählt werden.
Vertrauensfrage noch vor Weihnachten? Scholz zeigt sich offen für Gespräche über den Zeitplan der Vertrauensfrage und einer möglichen Neuwahl. Ursprünglich hatte Scholz Mitte Januar als Termin für die Vertrauensfrage vorgeschlagen. Er begründete den späten Termin damit, dass dringende Gesetzesvorhaben so noch verabschiedet werden könnten. Dazu gehörten die Stabilisierung der Rente sowie Sofortmassnahmen für die Industrie. Mittlerweile schliesst Scholz einen früheren Wahltermin aber nicht mehr aus und kann sich vorstellen, noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage im Bundestag zu stellen. «Dass ich noch vor Weihnachten die Vertrauensfrage stelle, wenn das alle gemeinsam so sehen, ist für mich überhaupt kein Problem», sagte Scholz in der ARD-Sendung «Caren Miosga».
FDP und Union drücken aufs Gas: Die FDP fordert Scholz auf, den Weg für Neuwahlen unverzüglich freizumachen. Dass der Kanzler dies nun mit Hinweis auf staatspolitische Verantwortung hinauszögere, sei völlig unglaubwürdig, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur. Auch die Union verlangt, dass Scholz umgehend die Vertrauensfrage stellt. Der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), betonte, ein solcher Schritt sei eine Selbstverständlichkeit.
Grüne melden Zweifel an: Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) äusserte Zweifel an der Möglichkeit, Bedingungen an eine rasche Vertrauensfrage zu knüpfen. Dieser Schritt sei aber Sache des Kanzlers selbst und es müsse auch sichergestellt werden, dass Neuwahlen sicher durchgeführt werden können. Er betonte, dass eine lange Hängepartie vermieden werden sollte und zeigte sich skeptisch, ob «diese guten oder schlechten Gründe (…) vermengt werden sollten mit der Umsetzung politischer Lieblingsprojekte».
Organisatorische Bedenken: Bundeswahlleiterin Ruth Brand warnte vor Risiken einer zu kurzfristig angesetzten Neuwahl. Sie verwies auf logistische Herausforderungen rund um die Feiertage und auch darauf, dass möglicherweise nicht genügend Papier zur Verfügung stehe, um so schnell alle Unterlagen drucken zu können – falls die Wahl bereits im Januar oder Februar stattfinden sollte.
Papierindustrie widerspricht Warnungen: Im Gegensatz zur Bundeswahlleiterin zeigt sich die deutsche Papierindustrie zuversichtlich, das benötigte Papier für eine vorgezogene Neuwahl auch kurzfristig bereitstellen zu können.