fuersie.de: Im neuesten Kölner “Tatort” spielen Sie eine der Episodenhauptrollen – eine Prostituierte in einem Laufhaus. Haben Sie direkt “ja” gesagt, als Sie das Rollenangebot bekommen haben
Bis zur Zusage hat es eine Weile gedauert! Es ist, glaube ich, nicht so bekannt, dass wir SchauspielerInnen für die Projekte ins Casting gehen müssen und das oft für mehrere Runden. Für dieses Projekt habe ich insgesamt drei Runden gemacht. Dadurch habe ich die Rolle und den Regisseur Hüseyin Tabak immer besser kennenlernen dürfen. Nach diesem intensiven Auseinandersetzen mit dem Drehbuch und der Figur und in Kombination mit dem Regisseur, war es klar, dass ich das unbedingt spielen möchte. Zum Glück kam der Anruf mit der Zusage! Es ist selten, dass sich die Chance auftut, Rollen zu spielen, die so weit weg von einem selber sind und eine komplette Typ-Veränderung ermöglichen. Für mich ist dieses Projekt ein unglaubliches Geschenk!
fuersie.de: Den Autoren ging es vor allem darum, die Frauen hinter dem Etikett “Sexarbeiterin” sichtbar zu machen. Wie haben Sie sich auf Ihre Rolle vorbereitet?
Für mich war es vor allem wichtig, die Rolle so unvoreingenommen, wie möglich anzugehen und auch nicht den Anspruch zu haben, in irgendeiner Weise Bilder, die schon tausendmal gesehen hat, zu kopieren. Am Ende stehe doch auch “Ich” da – mit meinem Körper. Natürlich verwandle ich mich äußerlich und gebe der Figur einen bestimmten Gang und verschiedene “Ticks”, aber ich versuche den Kosmos dahinter immer so ambivalent wie möglich zu gestalten. Dafür recherchiere ich vorher in verschiedene Richtungen – in diesem Fall, habe ich sehr viele Interviews geguckt und einige Sachen gelesen. Man kann dem Thema, meiner Meinung nach, sowieso nicht gerecht werden – jeder hat sofort eine Meinung dazu! Am Hilfreichsten für mich in der Vorbereitung, bleiben immer die Geschichten der einzelnen Personen, wie und warum sie etwas machen und wie sie dahin gekommen sind, was sie darüber denken.
fuersie.de: Im Film wenden Sie sich direkt an die ZuschauerInnen – wie in einem Theatermonolog. Wie war es für Sie, Ihre beiden großen Leidenschaften – Theater und Film – vereinen zu dürfen?
Das hat mich beim ersten Drehbuchlesen sofort total begeistert. Durch das direkte Hinzuwenden zum Zuschauer wird die “Vierte Wand” durchbrochen, die Illusion wird sozusagen zerstört. Das Gesprochene wird zu einem Kommentar und für mich redet nicht mehr die Figur, sondern die Schauspielerin, die die Figur spielt. Auf einmal sprechen durch uns Schauspielerinnen die O-Töne der Frauen, die das ja zum größten Teil wirklich so gesagt haben. Ich finde, das ist ein genialer Kniff und entlädt das Ganze von der großen Moral.
fuersie.de: Vermissen Sie das Theaterspielen?
Sehr. Ich kann es nicht anders sagen. Ich vermisse aber nicht die Strukturen drumherum, so wie ich sie erlebt habe. Da gab es viele ganz tolle Momente, aber auch sehr viel Zerstörerisches. Ich bin aber dabei, Theater wieder in meinen Berufsalltag zu integrieren. Im Moment habe ich unfassbare Sehnsucht nach der Bühne und dem Publikum.
fuersie.de: Sie standen schon als Kind gemeinsam mit Ihrer Familie auf der Bühne. Sind Sie auch heute noch gemeinsam kreativ – egal, ob beruflich oder privat?
Bei uns ist immer Theater – beruflich und privat! Scherz, aber tatsächlich, meine Eltern treten immer noch zu weit mit ihren Kabarettprogrammen auf, meine Schwester ist eine fantastische Performerin, führt Regie, spielt und ist eine vorreitende Fett-Aktivistin, die gegen unser verkorkstes Körperbild kämpft. Also, bei uns ist immer viel los. Bei jeder lustigen Geschichte, die so passiert, sagt meine Mama, ah das könnte ich ja auf der Bühne verwenden. Es wird scharf diskutiert und auch ordentlich gestritten. Mein Papa spielt zwischendurch wundervoll Klavier – hat uns immer schon auf der Bühne und bei allem, was wir singen wollten, begleitet – während wir uns kaputtlachen. Eine ganz normale Familie.
fuersie.de: Träumen Sie davon später auch mal mit Ihren eigenen Kindern auf der Bühne stehen zu dürfen?
Ich würde es nie forcieren und werde hoffentlich niemals zu einer Art “Eiskunstlaufmama”. Es muss Spaß machen! Die Bühne oder das Drehen sind, aus meiner Beobachtung heraus, für viele Kinder großer Stress und sie machen es manchmal nur ihren Eltern zuliebe. Das ist furchtbar! Für mich war es eine große Chance und ich habe meinen eignen Weg daraus gemacht. Mittlerweile, nach sehr vielen Höhen und Tiefen, fühle ich mich, ja das kann ich wirklich sagen, sehr wohl in meinem Beruf.