Schweizer Schriftsteller und Lyriker –
Einstiger Skandalautor Urs Allemann ist tot
Der Schweizer wurde 76 Jahre alt. In den 90er-Jahren sorgte er mit seiner Erzählung «Babyficker» beim Bachmannpreis für einen Eklat.
Publiziert heute um 17:37 Uhr
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Der Autor Urs Allemann ist tot. Laut seiner Witwe ist er am Sonntag im Alter von 76 Jahren gestorben, wie das Literaturhaus Wien am Montag mitteilte.
Erst vor wenigen Monaten wurde dem Schriftsteller, der sich mit der Erzählung «Babyficker» in den frühen 1990er Jahren den Ruf eines Skandalautors erworben hatte, der «Erich Fried»-Preis zuerkannt. Die Preisverleihung am 30. November in Wien, an der er aufgrund seines Gesundheitszustands ohnehin nicht teilgenommen hätte, wird nun auch zur Gedenkveranstaltung.
Allemann verbinde in seinen Texten «einen experimentell-anarchistischen Ansatz» mit einem «ausgeprägten Interesse an strengen, traditionellen Vers-, Strophen- und Gedichtformen», beschrieb der deutsche Autor Ulf Stolterfoht den Stil des Verstorbenen. Stolterfoht ist der diesjährige Alleinjuror des Erich Fried Preises.
Strenge Lyrikformen verfremdet
Allemann hat strenge Formen aus der Lyrik-Tradition gebraucht, etwa die der Ode oder der Elegie eines Friedrich Hölderin oder Sonette; inhaltlich hat er Gewalt- und Zerstörungsphantasien beschrieben, die sich dann letztlich auch gegen die strenge Form der Sprache wenden – so in den Gedichtbänden «Holder die Polder. Oden, Elegien, Andere» (2001) oder «schœn! schœn!» (2003).
Oder in «Im Kinde schwirren die Ahnen» (2008) hat er 52 Gedichte ihren Anfangsbuchstaben nach von A bis Z angeordnet. Typisch für seine Vorgehensweise hier ist die lautmalerische Verfremdung, wie sich bereits am Titel zeigen lässt. Denn dieser lehnt sich an ein Zitat aus Hölderins Gedicht «Hälfte des Lebens» an; dort heisst es «Im Winde klirren die Fahnen». Allemann selber nannte diese Technik Überschreibung.
Stolterfoht beschrieb Allemann zudem als «grossartigen Vorleser und Performer». Bei seinen Auftritten seien «Anarchie, Experiment und Formbewusstsein» auf eine Weise zusammengekommen, «die so weit entfernt ist von der klassischen Wasserglaslesung, dass man auf einmal wieder glauben mag an die Wirkmacht der Dichtung», so Stolterfoht.
Skandal beim Bachmannpreis
Allemann wurde am 1. April 1948 im zürcherischen Schlieren geboren. Von 1986 bis 2004 war er Literaturredakteur bei der «Basler Zeitung». In dieser Zeit veröffentlichte er etwa den Gedichtband «Fuzzhase» (1988) oder die Erzählung «Babyficker» (1992).
Mit letzterer sorgte er mit einem Auftritt beim Wettlesen um den Bachmannpreis in Klagenfurt im Jahr 1991 für einen Skandal. Der Vorwurf war, Allemann präsentiere mit seinem Text Phantasien eines Pädophilen. Beim Wettlesen gewann er den zweiten Preis, was in der Folge auch für politische Debatten sorgte. Jurymitglied und Literaturkritiker Hellmuth Karasek argumentierte, der Text sei als Provokation gedacht. Literatur müsse die Grenze, an die sie mit ihren Phantasien und Erfahrungen stosse, «immer wieder suchen, sie darf nicht da stehenbleiben, wo sie schon zu Hause ist».
Später wurde Allemann unter anderem mit dem Schweizer Literaturpreis (2014) ausgezeichnet. Seit 2013 lebte Allemann im deutschen Goslar. Zuletzt erschien von ihm der Lyrikband «Carruthers-Variationen» (2022).
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