«Auf einmal gab es einen riesigen Knall»: Felsblock knallt in Hauswand, Ehepaar kommt mit dem Schrecken davon
Im Urner Hauptort stürzten in der Nacht auf Dienstag rund 1000 Kubikmeter Gestein ins Siedlungsgebiet. Dabei wurde ein Haus von einem Felsblock getroffen. Wir haben vor Ort mit den Betroffenen gesprochen.
Der Felssturz ereignete sich am Montag, 2. Dezember, kurz nach 23 Uhr beim Bannwald am nördlichen Ende von Altdorf, wie die Gemeinde am Mittwochmorgen in einer Mitteilung schreibt. Oberhalb der Migrolino-Tankstelle im Gebiet Getschwili lösten sich rund 1000 Kubikmeter Gestein.
Oberhalb der Migrolino-Tankstelle im Gebiet Getschwili lösten sich rund 1000 Kubikmeter Gestein.
Bild: Carmen Epp (Altdorf, 4. 12. 2024)
Die Felsbrocken rutschten einem Bachbett entlang den steilen Hang hinunter und rissen etliche Bäume mit sich. Die Steinschlagnetze am Siedlungsrand konnten für die darunterliegenden Wohnhäuser das Schlimmste verhindern. Ein Felsbrocken überwand jedoch die Schutzinfrastruktur und schlug in ein Wohnhaus an der Flüelerstrasse ein. Dabei entstand erheblicher Sachschaden am Haus.
«An Schlafen war nicht mehr zu denken»
Karl Gisler, der mit seiner Frau das Einfamilienhaus bewohnt, berichtet auf Anfrage von einem «riesigen Knall», der ihn aus dem Bett holte. «Ich dachte erst an einen umgefallenen Baum. Doch als ich dann runterging, sah ich die Sauerei.» Der Stein – Gisler schätzt ihn auf 3 Kubikmeter Grösse – riss ein Loch in die Fassade. Und beim Naturkeller hat es die 25 Zentimeter dicke Decke zerstört. «Zum Glück sind keine Wohnräume betroffen, auch nicht die Küche, die gleich nebenan liegt», erzählt Gisler.
Da jemand in der Nachbarschaft wegen des Knalls die Polizei gerufen hatte, war eine Patrouille bereits in der Nähe, Gisler musste sie nur noch zu sich rufen. Kurz darauf trat auch der aufgebotene Leiter Naturgefahren des Kantons, Lukas Eggimann, vor Ort ein. «Gemeinsam haben wir die Lage dann besprochen.» Und auch wenn er und seine Ehefrau mit dem Schrecken davonkamen: «An Schlafen war dann nicht mehr zu denken.»
Regen brachte Fass zum Überlaufen
Mitglieder des Gemeindeführungsstabs der Gemeinde Altdorf begutachteten am Dienstag zusammen mit dem Leiter der Abteilung Naturgefahren des Kantons Uri, einem Vertreter von Swissgrid und dem Betriebsleiter von Forst Urnersee vor Ort die Situation.
Was den Felssturz ausgelöst haben könnte, könne man nicht mit Bestimmtheit sagen, führt Lukas Eggimann, Leiter der Abteilung Naturgefahren des Kantons Uri, auf Anfrage aus. «Das ist ein langsamer Prozess, der sich über die Jahrhunderte entwickelt hat. Vielleicht hat der Regen von Montagabend nun das Fass zum Überlaufen gebracht. Einsickerndes Wasser in bereits vorhandenen Rissen führte zu erhöhtem Wasserdruck, wodurch der überhängende Fels oben in Bewegung gebracht wurde.»
Dass sich in diesem Gebiet kleinere Felsen lösen, sei normal, bestätigt Eggimann. «Dass sich aber gleich so viel Gestein auf einmal löst, kam schon überraschend», gibt er zu bedenken. Da es sich um sogenannt geschichtete Flyschgesteine handle, eine Abfolge aus Tonschiefer und Sandstein, verfalle das Material relativ schnell, was auch auf der Abrissstelle erkennbar wird. Glücklicherweise sei das gelöste Material – bis auf den einen Felsbrocken – im Bachbett und damit an den darunterliegenden Häusern vorbeigerutscht. «Genau dafür ist der Bannwald ja auch da und mit Schutzmassnahmen verbaut, damit die darunterliegenden Liegenschaften geschützt sind», fügt Gemeinderätin Marian Balli auf Anfrage an. Der Wald habe seine Funktion als Schutzwald somit wahrgenommen – bis eben auf den einen Felsbrocken, der über das Netz gesprungen ist.
Provisorischer Schutzdamm wird erstellt
Nun werden Sofortmassnahmen für die Sicherheit der Anwohnenden in die Wege geleitet. «Zuerst gilt es, die Abrissstelle zu sichern und die noch überhängenden Felspakete abzubauen», schildert Eggimann das Vorgehen. Dafür werde man von oben her mit einem Bagger die überstehenden Felsen ablösen. Das Gestein, das sich dabei löst, dürfte nicht so gross sein und demnach auch nicht bis ganz unten rutschen.
Um die gelösten Gesteinsmassen, die im Hang nachrutschen könnten, von den Wohngebäuden fernzuhalten, wird in einem nächsten Schritt ein provisorischer Notdamm gebaut. Der soll dafür sorgen, dass das Material im Bachbett neben den Wohngebäuden runterkommt, wie Eggimann ausführt. Der Leiter der Abteilung Naturgefahren des Kantons Uri schätzt, dass diese Arbeiten rund zwei Wochen dauern. In einem zweiten Schritt sollen später die Steinschlagnetze geleert und wieder instand gesetzt werden. Mögliche weitere Sicherheitsmassnahmen können sich noch ergeben, fügt Marian Balli an. Die Gemeinde werde diesbezüglich mit der Abteilung Naturgefahren das weitere Vorgehen besprechen.
Auch Bewohner Karl Gisler blickt vorwärts. Bereits am Tag darauf seien Elektriker, Maurer und Handwerker spontan vor Ort gewesen für erste Arbeiten. Ebenso Architekten sowie jemand von der Versicherung. Gisler schätzt den entstandenen Schaden auf 50’000 bis 100’000 Franken. «Glücklicherweise gibt es aber nirgends Risse oder so was», erzählt Gisler. Seine Erleichterung ist deutlich hörbar – und nicht verwunderlich: Er hatte das Haus in den 1980er-Jahren selber erbaut.
«Eine wahnsinnige Wucht» – Felsbrocken kracht in Haus in Altdorf.
Video: CHMedia-Videoeinheit
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