Klar, eine Niederlage an diesem Samstag (15.30 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-Bundesliga und bei Sky) bei Eintracht Frankfurt würde die Stimmung im Lager des FSV Mainz 05 trüben. Doch mit solchen Gedanken werden sich Trainer Bo Henriksen, sein Stab und die Mannschaft nicht befassen.
Ihr Ziel ist ein Sieg im Waldstadion als Kirsche auf der Sahnetorte, mit der sie in die Weihnachtspause gehen wollen. Doch falls daraus nichts werden sollte: Die Rheinhessen können die Feiertage unabhängig vom Ausgang des Rhein-Main-Duells genießen. Denn so gut wie jetzt, mit 22 Punkten, standen sie nach 14 Spieltagen schon seit beinahe eineinhalb Jahrzehnten nicht mehr da.
2010/11 belegten sie zu diesem Zeitpunkt der Saison den zweiten Tabellenplatz – mit 30 Punkten. Am Ende qualifizierten sie sich als Fünftplatzierter für die Europa League. Damals thematisierten weder Trainer Thomas Tuchel noch Manager Christian Heidel eventuelle internationale Ambitionen, darüber redeten sie erst, als die Sache so gut wie entschieden war. Heute halten es Trainer Henriksen und Sportvorstand Heidel genauso. „Ich weiß, das ist langweilig, aber für mich geht es um das nächste Spiel und unsere Leistung“, antwortet der dänische Coach auf entsprechende Fragen.
Nur Jae-sung Lee ließ sich zuletzt ein proeuropäisches Statement entlocken. „Ich träume davon, in Europa zu spielen“, sagte der Südkoreaner nach dem 2:1-Sieg über den FC Bayern, womöglich begeistert davon, gegen den Rekordmeister beide Tore erzielt zu haben. „Wir können das schaffen, aber …“ – und damit schwenkte er rasch wieder auf die Trainerlinie ein – „wir müssen in jedem Spiel sehr konzentriert sein.“
Prognosen über den weiteren Saisonverlauf abzugeben ist sinnlos, dafür kann zu viel passieren, sowohl bei der Konkurrenz als auch im eigenen Kader. Beispielsweise müssen die Mainzer zunächst einmal beweisen, dass sie offensiv auch über mehr als ein Spiel hinweg ohne ihren Toptorjäger Jonathan Burkardt funktionieren, dessen Pause wegen einer Oberschenkelverletzung der Klub vage mit „mehreren Wochen“ umreißt.
Es überrascht im Grunde nicht, dass die 05er das Jahr mit einem ordentlichen Polster vor den Abstiegsrängen beenden. Letztlich ist das nicht mehr als die konsequente Fortsetzung dessen, was die Mannschaft unter dem an Rosenmontag ins Amt gekommenen Henriksen bis zum letzten Spieltag der vorigen Saison geleistet hatte. Im Frühjahr war er sozusagen die letzte Patrone, die Heidel in den Lauf legte, nachdem das Team unter Bo Svensson der zweiten Liga entgegengetrudelt war und Jan Siewert es trotz guter Ansätze nicht schaffte, eine Wende herbeizuführen.
Erfrischend offensiv ausgerichtet
Henriksen erfand den Mainzer Fußball nicht neu, er reaktivierte das, was ihn in guten Jahren ausgemacht hatte, jedoch in Vergessenheit geraten schien: erfrischend offensiv ausgerichtet, auf hohe Ballgewinne aus, kurze Wege zum Tor suchend. So, wie es gut drei Jahre zuvor Bo Svensson nach der bleiernen Zeit unter Achim Beierlorzer getan hatte. Und Martin Schmidt Anfang 2015 als Nachfolger Kasper Hjulmands.
Dieser Text stammt aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.
Was den Dänen von seinen Vorgängern vom ersten Tag an unterschied, war die unfassbare Emotionalität, die er selbst vorlebte. In Pressekonferenzen, im Stadion und, nach allem, was nach außen drang, auch in der Kabine. Der Neunundvierzigjährige feuerte die Fans schon eine gute Stunde vor dem Anpfiff an, er stand, geschweige denn saß während der Partien kaum eine Minute still. Diese Leidenschaft übertrug sich auf seine Profis – und rief dennoch früh die Skeptiker auf den Plan: Henriksen funktioniere nur als Motivator, er werde rasch an seine Grenzen stoßen, wenn es darum gehe, eine Mannschaft von Saisonbeginn an zu führen und spielerisch wie taktisch zu entwickeln.
Verfrühter Abgesang in der Lokalzeitung
Die „Allgemeine Zeitung“ in Mainz formulierte nach dem fünften Spieltag der laufenden Runde, nach einer 0:2-Niederlage gegen den 1. FC Heidenheim, bereits einen Abgesang auf den Retter. Wegen schwacher Leistungen, die ein 3:3 in Stuttgart und ein 3:2 in Augsburg nicht übertünchen konnten, taktischer Defizite, fehlenden Feuers. Sollten die Verantwortlichen des Klubs nervös geworden sein, ließen sie es sich nicht anmerken – und von da an ging’s in jeglicher Hinsicht bergauf.
Ein 3:0 auf St. Pauli stellte die Wende dar, seither stimmte nicht immer das Ergebnis, aber durchweg die Performance zufrieden. Und mehr als das: Der Fußball, den die Mannschaft beim 3:4 in Wolfsburg spielte und gegen den FC Bayern auch im Resultat perfektionierte, erinnerte an die besten Mainzer Bundesligazeiten, sowohl taktisch als auch kämpferisch und spielerisch. Henriksen und seine Ko-Trainer stellten zudem ihre Lernfähigkeit unter Beweis, nachdem sie ihre vorherigen Partien gegen die Münchener mit 1:8 und 0:4 verloren hatten.
Zu dieser Steigerung trägt nicht zuletzt die Entwicklung der Zugänge bei. Eine Weile dauerte es, die Abgänge von Sepp van den Berg, Leandro Barreiro und Brajan Gruda vergessen zu machen. Inzwischen ist dies gelungen – dank Kaishu Sano im Mittelfeld, Paul Nebel vorne rechts und Stefan Bell oder Danny da Costa in der Abwehr.
Nach Frankfurt reist Bo Henriksen übrigens mit einem saisonübergreifenden Punkteschnitt von 1,67 – damit liegt er an der Spitze der internen Mainzer Trainer-Rangliste. Vor Tuchel (1,41), Svensson (1,33) und Schmidt (1,3).