Es steht 5:1 für die Bayern, die 90 Minuten sind rum, beide Teams haben ihre bis dato unterschiedlich gelagerten Bemühungen eingestellt. Die Bayern und RB denken: Schiri Daniel Siebert kann jetzt sehr gerne abpfeifen und uns in die Ferien entlassen. Siebert besteht auf weitere zwei Minuten, in der ersten davon reißt sich Benjamin Henrichs die Achillessehne. Die völlig überflüssige Hinführung zu dieser brutalen Verletzung passt ins Bild, das die Roten Bullen im ersten Halbjahr abgegeben haben.
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Wobei die Misere genau genommen schon im Mai ihre Tiefausläufer gen Cottaweg schickte. Als der unverzichtbare Xaver Schlager in einem Spiel, bei dem er ausnahmsweise verzichtbar war – beim vorfinalen Saisonmatch in Hoffenheim – trotz Kniebeschwerden unter der Woche auflief, sich das Kreuzband riss. Schlager, der athletische, fußballerische und mentale Kitt des RB-Spiels, fehlte monatelang. Der Österreicher gehört zur rar gesäten Sorte Fußballer, die nie unter einem bestimmten Niveau bleiben, die die Mitspieler besser machen, deren elementare Wichtigkeit nicht sofort ins Auge sticht, deren Fehlen aber sofort die Statik des eigenen Spiels aus dem Gleichgewicht bringt.
Und wer an triftigen Gründen für das in der Liga ganz ordentliche und in der Champions League katastrophale Abschneiden sucht, kommt auch an den Langzeitverletzten Xavi und David Raum nicht vorbei. Wobei Xavi bis zu seinem Syndesmose-Crash längst nicht der Xavi seiner ersten RB-Saison war und vornehmlich um sich selbst kreiste. Und, ja, auch richtig, die Lastenverteilung auf dem Dickschiff RB Leipzig verrutschte mit der Flut an Ausfällen, die überschaubare Schar an Gesunden musste ständig ran. Fragen nach der Form oder der passenden Position von Spieler XY konnten nicht mehr gestellt werden. Das Motto ‚Augen zu und durch‘ mündete gegen Wolfsburg und in Hoffenheim zu Pleiten, die mit viel Wohlwollen erklärbar, aber trotzdem unentschuldbar waren.
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Als Marco Rose schon eine Briefmarke auf der Turnhose kleben hatte, liefen die Seinen zweimal wie die Hasen, rupften den stolzen Eintracht-Adler, versetzten eigentlich unversetzbare Berge und die RB-Bosse in Plauderlaune. Nein, sie haben natürlich niemals nie über einen anderen als Rose nachgedacht. Wer das nicht bis in alle Verästelungen glaubt, kommt auch in den Himmel. Und jetzt? RB muss nach dem Henrichs-Ausfall im Winter personell nachlegen und darauf hoffen, dass Xavi, Castello Lukeba und so weiter im Januar kicken können. Und Roses Fußballer müssen insgesamt darüber nachdenken, ob sie alles dem Erfolg und ihrer Fitness unterordnen und Darbietungen wie gegen Frankfurt nur Ausreißer nach oben waren.
Wer nur ab und an auf hohem Niveau abliefert, ist kein Spieler für die Bayern, für Leverkusen und auch keiner für RB Leipzig. Diesbezüglich hat dieses erste halbe Jahr bei allem Verständnis für diverse Widrigkeiten wichtige Fingerzeige geliefert. Am 14. April wird Jürgen Klopp in Salzburg der Weltöffentlichkeit vorgestellt, die Krönungszeremonie muss man sich als Mischung zwischen der Inthronisierung von King Charles III und der Hochzeit von Kaiser Franz Joseph und Prinzessin Sissi vorstellen.
Kommt mit der puren Anwesenheit von Magic Klopp mehr Schwung und Magie in die bestehende Herde der Roten Bullen? Eher weniger. Aber Klopp weiß, welche Charakterköpfe und Zeit es braucht, um ganz oben mitzuspielen. Möglicherweise ist auch Klopps Ex-Kapitän Marco Rose diesbezüglich nicht unbeleckt. Frage aller Fragen: Können es sich die Rasenballer beim Aufbau einer grimmig entschlossenen und homogenen Truppe leisten, lukrative Angebote anderer Clubs abtropfen zu lassen und selbst ins obere Fach und pralle Leben zu greifen? Und: Wäre der beabsichtigte Kauf von Xavi, der sich länger schon in anderen Sphären sieht und sich zuweilen am Cottaweg auch so benimmt, überhaupt ein richtiges Zeichen auf diesem Weg?
LVZ