Zum Spengler Cup gehört die Show: Szene von der kurzen Eröffnungszeremonie.Bild: Schlussstein
Eismeister Zaugg
Ob dem Trubel in den Gassen von Davos und dem Spektakel auf dem Eis geht gerne vergessen: Die Geldmaschine Spengler Cup ist vor allem auch ein diplomatisches Meisterstück, das der Politik als Blaupause für die EU-Verhandlungen dienen kann.
27.12.2024, 14:2827.12.2024, 15:39
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Dass der Spengler Cup auch im digitalen Zeitalter rockt, ist eigentlich ein Wunder. Nicht ein sportliches, wohl aber ein sportdiplomatisches.
Neben dem Eidgenössischen Schwingfest hat sich kein anderer helvetischer Sportanlass mit mehr als hundertjähriger Tradition sportlich, sportpolitisch, medial und kommerziell so schlau immer wieder erfolgreich den Erfordernissen der Zeit angepasst. Kommt dazu: Anders als die «Sägemehl-Ajatollahs» müssen sich die Spengler-Cup-Macher im rauen Wind des internationalen Sportgeschäftes behaupten.
Ein Status wie die WM
In der guten alten Zeit, als es noch nicht einmal erlaubt war, auf dem ganzen Eisfeld zu checken, die Eisbahnen keine Dächer hatten und Geld keine Rolle spielte, weil niemand mit Eishockey richtig Geld machen konnte, stand der Spengler Cup unerschütterlich in der nationalen und internationalen Sportlandschaft wie das Jakobshorn. Es gab keinen Neid bei den Klubs im Flachland und keine Terminprobleme. Unberechenbar war nur das Wetter. Wenn es schneite, konnte manchmal nicht gespielt werden.
Spengler Cup: Bilder aus längst vergangenen Zeiten
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Spengler Cup: Bilder aus längst vergangenen Zeiten
1966: Vor der schönen Bergkulisse verliert Davos (in den hellen Trikots) gegen Dukla Jihlava mit 1:10.
was: photopress-archiv/str
Der Internationale Eishockey-Verband (IIHF) hielt schützend seine Hand über dem Spengler Cup: Der Anlass galt als offizielles IIHF-Turnier, wie eine Weltmeisterschaft. Das bedeutete: Während des Spengler Cups durften in keinem Land Meisterschaftsspiele ausgetragen werden, die Tage vom 26. bis 31. Dezember galten ausserhalb der NHL als weltweite Hockey-Sperrdaten. Bei einer Meisterschaft ohne Playoffs und lediglich 28, später 36 Runden gab es im heimischen Championat keine Terminprobleme.
Die Idee mit dem «Team Canada»
Aber Ende der 1980er-Jahre wird dem Spengler Cup das baldige Ende prophezeit. Der deutsche IIHF-Boss Doktor Günther Sabetzki bezeichnet den Spengler Cup öffentlich als «Wischiwaschi-Anlass» und entzieht dem Turnier den IIHF-Schutzstatus. Ausgerechnet in dieser Phase gerät der HCD auch noch in sportliche und finanzielle Not und steigt bis in die höchste Amateurliga ab. Es scheint klar: Wenn die Festtage nicht mehr Sperrdaten sind, wird es kaum mehr möglich sein, erstklassige ausländische Teams nach Davos zu holen. Und wie soll das Turnier ohne einen konkurrenzfähigen HCD, den Fixstern des Turniers, überleben?
Aber zu allen Zeiten haben sich kluge Männer um den HCD gekümmert. In dieser hochheiklen Übergangsphase holen die Turniermacher Alfred «Buzz» Gfeller und Fredi Pargätzi 1984 die Kanadier nach Davos, um das Spektakel aufzuwerten. Inzwischen ist «Team Canada» neben dem HCD der zweite Fixstern des Spengler Cups, mit Vertrag bis 2025 und TV-Direktübertragungen nach Kanada. Vorübergehend ersetzt ein anderes Schweizer Team den HCD und Lugano fehlt 1991 zum finalen Triumph ein einziger Sieg.
Lugano-Fans am Spengler Cup.Bild: EPA/KEYSTONE
20 Mal höhere Budgets als 1985
Mit einer Holzhütte auf dem Stadionparkplatz beginnt Ende der 1980er-Jahre zaghaft auf Weihnachtsmarkt-Niveau der Aufbau einer VIP-Kultur, die sich zur wichtigsten HCD-Geldmaschine entwickelt. Heute steht im Kurpark ein VIP-Palast, der gemeinsam mit dem WEF genutzt und bewirtschaftet wird.
Aber je mehr Geld im nationalen Hockey umgesetzt wird – die Budgets der Klubs sind heute 20 Mal höher als 1985 –, desto mehr gerät der Spengler Cup wegen der Sonderrolle und des wirtschaftlichen Erfolges nun im eigenen Land in Bedrängnis. Ein wenig wie die Schweiz innerhalb der EU. Inzwischen werden in der Qualifikation mehr als 50 Partien ausgetragen und bis die Entscheidung fällt, können bis zu 21 Playoff-Dramen dazukommen.
Beim Spengler Cup geht es auch oft um Geselligkeit.Bild: Schlussstein
Internationale Klub-Wettbewerbe und Operetten-Länderspiele beanspruchen Termine. Die Klubs möchten die Festtage für mindestens drei Meisterschaftsrunden nutzen. So wie das in allen grossen Hockey-Nationen der Brauch ist – weil in dieser Zeit ausverkaufte Stadien garantiert sind. Und überhaupt: Es gehe nicht an, dass die Klubs im Unterland tatenlos zuschauen müssen, wie der HCD mit dem Spengler Cup so viel Geld mache, dass er auf dem Transfermarkt ein Meisterteam zusammenstellen könne. Sogar am sportlichen Wert wird gezweifelt.
Rahmenvertrag mit der Liga
Zu Beginn des 21. Jahrhunderts gehört die Polemik um die Spengler-Cup-Pause und eine Entschädigung an die Klubs im Unterland (ähnlich wie die Kohäsionszahlungen der Schweiz an die EU) zum Turnier wie das Glockengeläut zum Alpabzug. Doch 2011 gelingt unter der Federführung des heutigen HCD-Obmanns Gaudenz Domenig, ein international erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, für den schwierige Verhandlungen so selbstverständlich wie das Schneuzen der Nase sind, der Befreiungsschlag. Ein sportdiplomatisches Meisterstück sondergleichen, das der Politik als Blaupause für die Streitgespräche mit der EU dienen kann und zeigt, wie es möglich ist, in einem schwierigen internationalen Umfeld Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit zu bewahren.
Domenig handelt mit der Liga einen Rahmenvertrag aus. Darin enthalten sind unter anderem Zahlungen an die Klubs, die den HCD zwar jedes Jahr etwas mehr als eine halbe Million Franken kosten, aber im Gegenzug Stabilität, sportliches und wirtschaftliches Gedeihen und die Teilnahme eines zweiten NL-Teams (dieses Jahr Fribourg-Gottéron, 2025 wahrscheinlich die SCL Tigers) sichern.
Verhandelt, wie unsereiner die Nase schnäuzt: Gaudenz Domenig.Bild: Schlussstein
Der Papst macht was nicht?!
Schlauerweise ist Liga-Spielplangeneral Willi Vögtlin in die Turnier-Jury geholt worden. Seither jammert er zwar immer noch über Terminnot und fordert gar, man müsse endlich auch am Dienstag der Nationalmannschafts-Pausen Spiele ansetzen. Aber von Meisterschaftsspielen während der Spengler-Cup-Pause spricht der ehemalige internationale Schiedsrichter so wenig wie der Papst über die Öffnungszeiten von Swingerclubs.
Den Spielplan für nächste Saison, ein besonders heikler wegen der Pause für die Olympischen Spiele, hat er schon ausgearbeitet. Die nächste Meisterschaft beginnt bereits am 9. September 2025 und die Qualifikation dauert bis zum 9. März 2026.
Weiterhin im Free-TV
Gedankenspiele, es wäre doch gut möglich, parallel zum Spengler Cup drei Runden auszutragen, indem die erste Partie in Davos oben um 15.00 Uhr, die Meisterschaftsspiele um 18.00 Uhr und das zweite Spiel in Davos um 21.00 Uhr angesetzt werden, verteufelt Vögtlin vehement als Ketzerei. Das ist die hohe Kunst der HCD-Hockeydiplomatie und selbst Fürst Metternich, einer der grössten Diplomaten der Geschichte, hätte anerkennend genickt: Willi Vögtlin, von der Liga bezahlt (!), ist zum glühenden Spengler-Cup-Befürworter geworden.
Während die Liga heute nur noch im Pay-TV und punktuell auf frei empfangbaren Sendern vorkommt, setzen die Davoser weiterhin klug auf das staatstragende Fernsehen. Der Vertrag mit Leutschenbach, der die Live-Übertragungen – den Sauerstoff des Spengler-Cup-Vermarktungs-Geschäftes – garantiert, ist bis 2031 verlängert worden. Das bereits einmal erneuerte Abkommen mit der Liga gilt bis 2027. Die Verhandlungen haben, wie sich einer, der dabei war, erinnert, «nicht einmal 10 Sekunden gedauert, so schnell waren wir uns einig». Viel mehr Zeit wird auch die nächste Verlängerung nicht in Anspruch nehmen.
Dass der Spengler Cup seit Jahrzehnten in die Stube flimmert, ist eines seiner Erfolgsgeheimnisse.Bild: Schlussstein
Der HC Davos setzt heute mit dem Spengler Cup gut 11 Millionen Franken um. Das ist rund ein Drittel des Jahresumsatzes und die Klubs im Unterland murren nicht mehr. Der eigentlich unbezahlbare Wert des Turniers für unser Eishockey – und für die Werbeindustrie – ist unbestritten: Sogar das Geldhaus UBS hat in wahrlich aufregenden Zeiten bis 2025 verlängert.
Inzwischen benötigt der HCD auf dem Werbemarkt nicht einmal mehr die teuren Dienste einer Vermarktungsagentur aus dem Unterland. Die Davoser haben alles wieder in den eigenen Händen und behaupten sich unter Geschäftsführer Marc Gianola im nationalen und internationalen Hockey-Business wie einst das von Asterix gemanagte gallische Dorf im Römischen Reich.