Franjo von Allmen: Draufgänger in der Abfahrt, Zen-Meister punkto Erwartungen und Dosenöffner im Sponsoring
Der 23-jährige Berner Oberländer weckt mit seinen Leistungen grosse Erwartungen, die er selbst relativiert. Und er verrät, welcher Zufall ihn zu Red Bull brachte.
Der nächste Schritt scheint vorprogrammiert. Nach seinem zweiten Platz in der Abfahrt von Val Gardena wartet der erste Weltcupsieg auf Supertalent Franjo von Allmen. Doch der 23-jährige Berner Oberländer, auf der Piste ein wilder und risikoreicher Draufgänger, dämpft solcherlei Erwartungshaltung gleich selbst. Er gibt vor der Abfahrt in Bormio zu bedenken, dass er insgesamt erst fünfmal in die Top 10 eines Weltcuprennens gefahren ist.
Von Allmen erinnert mit seiner stoischen Ruhe, mit der er die Euphorie rund um seine Leistungen bändigt, an einen chinesischen Zen-Meister. «Es ist erst meine zweite Saison im Weltcup. Ich sehe die Erwartungen, will mich aber Schritt für Schritt entwickeln. Jedes Resultat in den Top 10 ist für mich nach wie vor super. Es ist wichtig, dass ich im Hier und Jetzt bleibe», sagt er in bester Tradition der erleuchteten Meditationslehrer.
Den Umgang mit den Erwartungen managt der gelernte Zimmermann aus Boltigen übrigens ganz ohne Mentaltrainer. Er habe sich das überlegt, fühle sich aber mental sehr gut aufgestellt. «Ich arbeite selbst an diesem Thema und so wie ich mich dabei fühle, benötige ich aktuell keine Unterstützung.»
Ein anderes Hauptthema beim Simmentaler ist sein Risikomanagement im Rennen. Dass er auf der Piste oft an Grenzen geht und auch seine Fahrt zum zweiten Platz in Gröden ein wilder Ritt war, löst bei seinen Trainern nicht nur Begeisterungsstürme aus. Die Angst vor einem Sturz, vor einer schlimmen Verletzung, ist allgegenwärtig. Doch wie verschafft man dem Draufgänger einen virtuellen Airbag, ohne dass er damit sein aussergewöhnliches Tempo verliert?
Rückschlag in Beaver Creek war schnell abgehakt
Zum Saisonstart in Beaver Creek liess der 23-Jährige vor allem im Super-G zu viel Sicherheit walten, wie er im Nachgang konstatiert. Er sei zum ersten Mal auf dieser Strecke gefahren, gerade der Starthang sei sehr anspruchsvoll gewesen und vor ihm habe es sehr viele Ausfälle gegeben. Diese Konstellation bremste sogar einen Franjo von Allmen. Die Ränge 33 und 28 im Super-G und in der Abfahrt seien «dann halt die Konsequenz daraus», bemerkt er trocken.
Der Berner Oberländer sagt, die richtige Mischung zwischen Risiko und Kontrolle zu finden, bleibe eine schwierige Gratwanderung. «Und sie hat wohl auch viel mit Erfahrung zu tun.» Wie schnell er einen solchen Mini-Rückschlag wie in Beaver Creek jedoch verarbeiten kann, hat von Allmen in Gröden eindrücklich unter Beweis gestellt.
Überhaupt habe er sich mit grosser Motivation auf diese zweite Saison im Weltcup vorbereitet. Der Traumeinstand in der vergangenen Saison liess ihn die harte Arbeit im Sommertraining etwas leichter erscheinen. «Ich habe noch einmal eine Schippe draufgelegt und mich wirklich sehr auf den Winter gefreut.»
Freude haben ihm wohl auch die sommerlichen Aktivitäten im Sponsoringumfeld gemacht. Mit Red Bull und der Uhrenmarke Breitling konnte der Nachwuchsfahrer zwei potente Weltfirmen an Land ziehen. Und zumindest im Fall von Red Bull liess Franjo von Allmen dabei ähnlich viel Draufgängertum walten wie auf der Piste.
Durst löschen und Red Bull an Land ziehen
Beim Weltcupfinale in Saalbach verhandelte er nämlich gleich selbst mit Patrick Riml, dem Skichef des Getränkekonzerns. Wobei so waghalsig und frech war sein Vorgehen dann doch nicht, wie er am Rande der Rennen in Bormio verriet. Er habe Riml gar nicht gekannt. «Eigentlich hatte ich nur Durst und weil Patrick neben dem Red-Bull-Kühlschrank stand, habe ich ihn um ein Getränk gebeten und so sind wir ins Gespräch gekommen.»
Seither trägt von Allmen die fliegenden Bullen auf seinem Helm und profitiert, wie Marco Odermatt, auch vom Trainingszentrum in der Nähe von Salzburg. Der Besuch und die Inputs im Verlauf des Sommers seien eine weitere wichtige Inspiration gewesen, sagt von Allmen.
Heute steht die Abfahrt in Bormio auf dem Programm. Seine Feuertaufe auf der «Stelvio», der wohl anspruchsvollsten Piste im Weltcup, war vor Jahresfrist mit Platz 37 eine Ernüchterung. Doch sein Fahrstil passt eigentlich auch zu Bormio. Fragt sich, ob Franjo von Allmen ähnlich schnell lernt wie Odermatt. Und ob ihn die Folgen der Fussprellung nach einer harten Landung im ersten Training beim San-Pietro-Sprung nicht beeinträchtigen. Der 23-Jährige sagt zur Ausgangslage vor der heutigen Abfahrt: «Wenn ich es schlau mache und mit Kopf fahre, dann sollte auch hier etwas drinliegen.»