Die „Firewall“ gegen die AfD hat einen hohen Preis

Die „Firewall“ gegen die AfD hat einen hohen Preis
Die „Firewall“ gegen die AfD hat einen hohen Preis
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Der Auftrag an Herbert Kickl zur Regierungsbildung muss für die CDU eine Warnung sein. Die Christdemokraten müssen aufpassen, dass sie nicht als Juniorpartner der AfD enden.

Die Co-Fraktionschefin der AfD, Alice Weidel, im Deutschen Bundestag, im Hintergrund Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bundeskanzler Olaf Scholz.

Sean Gallup / Getty Images

Bewertet man eine politische Maßnahme danach, was sie erreichen soll, dann waren die Koalitionsverhandlungen in Österreich ein großer Misserfolg. Den drei Parteien ÖVP, SPÖ und Neos ging es von Anfang an darum, die rechte FPÖ aus der Regierung herauszuhalten. Nun wird die Rechte wahrscheinlich nicht nur mitregieren, sie könnte sogar den Kanzler stellen.

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Selbst eine Neuwahl bietet keinen Ausweg. Mittlerweile liegt die Partei in Umfragen bei fast 40 Prozent. Die Ausgrenzungsstrategie erreichte genau das Gegenteil von dem, was sie hätte erreichen sollen: Der Versuch, die Rechte unten zu halten, machte sie noch größer.

Daraus ergeben sich auch Lehren für Deutschland. Das erste ist: Im kleinen Nachbarland sieht man, was für die Bundesrepublik noch blühen könnte. Darüber wird die Politik der künftigen Bundesregierung entscheiden. Es muss einen echten politischen Wandel herbeiführen.

Die Wahl am 23. Februar bietet möglicherweise die letzte Chance, ohne die AfD mitzugestalten. Die Wähler wollen mehr Sicherheit, sie wollen die Kontrolle darüber zurück, wer ins Land einreist. Sie wollen eine Klima- und Energiepolitik, die die Industrie nicht aus dem Land vertreibt, und eine Sozialpolitik, die nicht völlig außer Kontrolle gerät.

Inhaltliche Differenzen können nicht ausgeglichen werden

Mittlerweile ist überall wieder von einem „Rechtsruck“ die Rede. Das ist Unsinn. Was in Österreich und Deutschland passiert, ist nur die Korrektur eines fast unaufhaltsamen Linksrucks der letzten zwanzig Jahre. Vor allem konservative Parteien haben eine Reihe von Positionen aufgegeben, die einst zu ihrem Markenkern gehörten. Sie verwechselten die Stimmung in den Talkshows mit der Stimmung im Land.

Aber die Bürger waren nie so fortschrittlich, wie sie in den erleuchteten Fernsehstudios wirkten. Der Aufstieg populistischer Parteien ist eine Folge dieser Repräsentationslücke.

Wenn die derzeit in Deutschland führenden Christdemokraten diese Lücke schließen wollen, müssen sie liefern. Womit wir schon bei der zweiten Lektion aus Österreich wären: Ein zukünftiges politisches Bündnis sollte nur auf inhaltlichen Fragen basieren. Koalitionen, deren einziger Zweck darin besteht, andere am Regieren zu hindern, sind zum Scheitern verurteilt.

Die zerbrochene deutsche Regierung hat bereits gezeigt, dass Gräben nicht auf unbestimmte Zeit geschlossen werden können. Das hat die Regierung in Österreich, die es nie gegeben hat, nun erneut eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Die „Firewall“ hat einen hohen Preis

Da die Christdemokraten eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgeschlossen haben, bleiben als künftige Partner nur noch die Sozialdemokraten und die Grünen (und möglicherweise die FDP) übrig. Bei beiden gibt es kaum Überschneidungen. Mit der SPD könnte die Union auf eine Reform des Sozialstaates und möglicherweise auch auf eine weitere Stärkung der Bundeswehr verzichten.

Mit den Grünen wären strengere Kontrollen der Einwanderung aber ebenso ausgeschlossen wie eine grundsätzliche Neuausrichtung der Klimapolitik. Aber die Wähler wollen das alles. Man muss sich nur die Umfragen ansehen.

Dies führt zur letzten Lehre aus dem österreichischen Debakel: Die „Firewall“-Strategie hat einen hohen Preis. Natürlich gibt es sehr gute Gründe, eine Zusammenarbeit mit der AfD auszuschließen. Sie toleriert Rechtsradikale in ihren Reihen, die ein nationalistisches Deutschland anstreben. Hochrangige Parteimitglieder stellen die Mitgliedschaft in der NATO und der EU in Frage. Jeder dieser Schritte hätte verheerende Folgen für das Land und Europa.

Egal, was die Christdemokraten vorhaben, sie müssen auf der Rechtsstaatlichkeit unter allen Umständen sowie auf der Mitgliedschaft in der NATO und der Europäischen Union bestehen. Das gilt auch für den Umgang mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht.

Man muss sich mit Populisten auseinandersetzen

Doch wer alle Gespräche mit der AfD allein wegen einer Firewall ablehnt, verschafft allen anderen Parteien enorme Verhandlungs- und Gestaltungsmacht. Dann wissen Sie: Ohne uns geht es nicht.

Die Position der Christdemokraten ist komfortabel. Es entbindet Sie von der Verpflichtung, sich mit inhaltlichen Fragen auseinanderzusetzen. Aber nur so lässt sich das politische Angebot schärfen. Man kann den Aufstieg der Populisten nicht aufhalten, indem man sie ignoriert und marginalisiert. Mit ihnen muss man so nüchtern wie möglich und im Rahmen des Zumutbaren umgehen.

Für die Union bedeutet das: Sollte sie die Wahl gewinnen, sollte sie zumindest nicht vor Sondierungsgesprächen mit der AfD zurückschrecken – mit klaren roten Linien. Die Bindungen Deutschlands an den Westen beispielsweise sind nicht verhandelbar.

Macht die Union so weiter wie bisher, könnte sie bei der Wahl 2029 als Juniorpartner der AfD enden. Dann stünde Deutschland vor ganz anderen Herausforderungen.

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