Mit der Frage „Frucade oder Eierlikör?“ wurde der gebürtige Niederösterreicher, der mit bürgerlichem Namen Josef Fenz hieß, bei „Phettbergs Nette Leit Show“ zur Kultfigur. Es war jene Entscheidungsfrage, die er den Gästen aus Wissenschaft, Kultur und Prominenz zu Beginn stets stellte. In den Gesprächen zeigte sich dann seine unnachahmliche Art – gepaart mit Wortwitz, Ironie und Intelligenz.
Dabei war die TV-Karriere keine allzu lange: 19 Folgen strahlten ORF und 3sat zwischen 1995 und 1996 aus. Trotz gesundheitlicher Herausforderungen blieb Phettberg noch lange Jahre später kreativ und engagiert. Anfang der 2000er Jahre wurde es medial ruhiger um ihn, bevor er 2007 zum wiederholten Mal einen Schlaganfall erlitt und in der Folge lange Jahre zurückgezogen lebte.
APA/Orf/Andreas Frieß
Pastoralassistent in Erzdiözese Wien
Geboren wurde Phettberg am 5. Oktober 1952 in Hollabrunn. Der Sohn von Weinbauern arbeitete zunächst als Bankangestellter, bevor er nach einer theologischen Fortbildung Pastoralassistent in der Erzdiözese Wien wurde. Mitte der 80er Jahre war er Mitbegründer des Vereins „Libertine Sadomasochismusinitiative Wien“ und des Projekts „Polymorph Perverse Klinik Wien“.
Öffentlich bekannt wurde er mit sadomasochistischen Kunstaktionen (wie seinen „Verfügungspermanenzen“) gemeinsam mit Walter Reichl im Rahmen von „ErotiKreativ“ im WUK. In der Theatergruppe „Sparverein Die Unz-Ertrennlichen“ rund um seinen alten Freund und Entdecker Kurt Palm spielte er ab Anfang der 90er Jahre verschiedene Rollen, 1992 begann Phettberg, beim „Falter“ seine wöchentliche Kolumne zu schreiben.
Talklegende Hermes Phettberg gestorben
Talkmaster und Provokateur Hermes Phettberg ist am Mittwoch im Alter von 72 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung verstorben. Mit seiner „Nette Leit Show“ errang der Aktionskünstler Kultstatus und galt als Außenseiter und Publikumsliebling gleichermaßen.
Zahlreich ausgezeichnet
In „Phettbergs Nette Leit Show“ begrüßte er verschiedene Prominente, darunter etwa Marcel Prawy, Hermann Nitsch, Manfred Deix und Josef Hader. Gemeinsam mit Palm gab er 1996 das Buch „Frucade oder Eierlikör“ mit Interviews und Monologen aus der Show heraus. 2003 und 2004 strahlte ATV die Sendung „Beichtphater Phettberg“ aus. Doch bereits vor seiner TV-Karriere wurde er für sein Schaffen ausgezeichnet.
Phettberg erhielt 1993 den Franz-Grillparzer-Preis der „Anonymen Aktionisten“ und 2002 den Preis der Stadt Wien für Publizistik. Der damalige Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) nannte Phettberg einen „radikalen und subjektiven Beobachter des Wiener Alltagslebens“, mit seiner „Nette Leit Show“ habe er Kulturgeschichte geschrieben.
„Hermes Phettberg, Elender“
2007 widmete ihm Palm den Dokumentarfilm „Hermes Phettberg, Elender“, in dem die beiden das Leben der einstigen bunten Wiener Szenefigur im Zwiegespräch Revue passieren lassen. Mit „Garten der Lüste“, einer öffentlichen Fesselungsaktion im Rahmen der „Wienwoche“, sorgte er 2012 für Aufregung, im selben Jahr erschien im Sensationsverlag das Künstlerbuch „Alles Erschreckliche! Ausgewählte Texte“.
Als im Sommer 2013 die mit dem Max-Ophüls-Preis 2012 ausgezeichnete Schwarz-Weiß-Doku „Der Papst ist kein Jeansboy“ von Sobo Swobodnik über Phettbergs Alltag im Wiener Stadtkino an 28 Abenden gezeigt wurde, wohnte der Protagonist trotz Gehbehinderung jeder einzelnen Vorführung bei.
Aus den Einträgen in sein „Gestionsprotokoll“ jener Zeit machte Walter Fröhlich eine Graphic Novel: 2015 erschien „Blue Jeans. Der Phettberg-Comic“ abseits des Buchmarktes, finanziert durch eine Crowdfunding-Aktion. Ebenfalls 2015 spielte Phettberg in dem Spielfilm „A Perception“ des deutschen Regisseurs Daniel Pfander mit. 2016 begann er, für die Straßenzeitung „Augustin“ eine Kolumne zu schreiben – die „Fisimatenten“.
„Junge Bands scheinen mich zu mögen“
Gesundheitlich war Phettberg zu dieser Zeit bereits schwer angeschlagen, auch im Alltag brauchte er Hilfe, aufgrund der Beeinträchtigung von Feinmotorik und Sprachvermögen selbst beim Schreiben. In den vergangenen Jahren war er dennoch popkulturell durchaus präsent, wurde Phettberg doch von jungen Musikacts wie Drangsal, Fäulnis und Nancy Transit für Musikvideos engagiert. „Junge Bands scheinen mich zu mögen“, wunderte er sich zu dieser Zeit.
Am Mittwoch verabschiedete sich auch Kulturminister Werner Kogler (Grüne) via X von der markanten Stimme der Subkultur: „Radikal und rücksichtslos, mit seinem Körper und seinem gesamten Leben, leidend und verzweifelnd und dennoch voller Humor und mit der unbezwingbaren Neugier eines Kindes hat er die dunklen Seiten unseres Landes zum Schwingen gebracht. Ruhe in Frieden, Hermes Phettberg.“
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