Die Schweiz wartet auf das Medikament, das Babys vor RSV rettet

Die Schweiz wartet auf das Medikament, das Babys vor RSV rettet
Die Schweiz wartet auf das Medikament, das Babys vor RSV rettet
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Es gibt einen neuen Wirkstoff gegen Atemwegsinfektionen, die durch das Respiratory Syncytial Virus (RSV) verursacht werden und Säuglingen unmittelbar nach der Geburt injiziert werden müssen. Dieser „Impfstoff“ reduziert die Wahrscheinlichkeit einer schweren Erkrankung um 80 %. Aber wird die Schweiz diesen Wirkstoff rechtzeitig erhalten?

Bruno Knellwolf / ch media

Bald beginnt die gefürchtete RSV-Saison. Ein erstes Kleinkind wurde bereits im Ostschweizer Kinderspital hospitalisiert, nachdem es sich mit dem Respiratory-Syncytial-Virus infiziert hatte. Nicht nur Schweizer Kinderspitäler waren in den letzten beiden Wintern mit kleinen RSV-Patienten gefüllt: Infektionswellen gingen um die ganze Welt:

„RSV ist die häufigste Ursache für Krankenhausaufenthalte von Säuglingen in den Wintermonaten. Im vergangenen Dezember gab es Phasen, in denen alle Babys wegen RSV ins Krankenhaus eingeliefert wurden.

Anita Niederer-Loher, Spezialistin für Infektionskrankheiten am Kinderspital Ostschweiz.

Während der Covid-19-Pandemie wurde über dieses Virus kaum gesprochen. Covid-Hygienemaßnahmen trugen dazu bei, eine Ansteckung von Kindern zu verhindern. Tatsächlich wird das Respiratory-Syncytial-Virus normalerweise durch Tröpfchen und Aerosole von Erwachsenen und älteren Kindern übertragen, bei denen die Symptome normalerweise nicht schwerwiegender sind als eine Erkältung.

Bei Neugeborenen ist die Situation jedoch anders: Infizierte Säuglinge haben Schwierigkeiten beim Atmen und können nicht mehr richtig trinken. Neben Fieber und Ohrenentzündungen werden bei Kindern unter zwei Jahren am häufigsten Entzündungen und Schleimansammlungen in den unteren Atemwegen bis hin zu Lungenentzündungen beobachtet.

Je jünger das Baby ist, desto größer ist die Gefahr

Deshalb erhalten infizierte Babys im Krankenhaus Sauerstoff und je nach Schwere der Erkrankung eine Magensonde zur Flüssigkeitszufuhr. Manche Säuglinge erkranken auch schwerer und müssen intensivmedizinisch betreut werden. Je jünger das Baby ist, desto höher ist das Risiko einer schweren Erkrankung nach einer RSV-Infektion. Alle Babys sind gefährdet, auch gesunde.

Doch der unter dem Namen Beyfortus vertriebene Wirkstoff Nirsevimab gibt Eltern nun Hoffnung. Dieser monoklonale Antikörper wird kurz nach der Geburt, in der ersten Lebenswoche, injiziert.

„Beyfortus reduziert die Wahrscheinlichkeit einer RSV-Infektion um etwa 80 %“

Anita Niederer-Loher

Deborah Wallrabenstein vom Basler Kinderspital bestätigt dies: „Der Wirkstoff ist sehr wirksam und weist ein hervorragendes Sicherheitsprofil auf.“

Die Eidgenössische Impfkommission (Ekif) und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfahlen diesen Wirkstoff, „da Kleinkinder im ersten Winter sehr häufig an einer RSV-Infektion erkranken.“ Und weil gerade in den ersten Lebensmonaten ein hohes Risiko für einen Krankenhausaufenthalt besteht“, erklärt Christoph Berger vom Zürcher Kinderspital.

Vor Beyfortus gab es bereits einen ähnlichen Wirkstoff namens Synagis. Diese wirkt jedoch nicht lange und muss daher während einer RSV-Saison fünf bis sechs Mal gespritzt werden. Zudem kostet jede dieser Dosen mehr als 1000 Franken. Deshalb wurde dieses Arzneimittel nur bei besonders gefährdeten Säuglingen eingesetzt. Beyfortus hingegen muss nur einmal pro Saison gespritzt werden.

Erstmals erhielten Babys im Alter von nur wenigen Tagen im Krankenhaus eine Beyfortus-Injektion. Während der RSV-Saison geborene Säuglinge erhalten kurz nach der Geburt eine Dosis Beyfortus, da das Risiko einer schweren Infektion hoch ist. Bei Babys, die zwischen April und September geboren werden, wird der Wirkstoff erst zu Beginn der RSV-Saison, die von Oktober bis März dauert, gespritzt.

Die Schweiz hat noch keinen Zugang zum Beyfortus

Die EU genehmigte die Vermarktung von Beyfortus im November 2022, doch es dauerte ein weiteres Jahr, bis die Schweiz dies auch tat. Einen Schutz vor RSV für Babys gibt es bei uns daher noch nicht. Es ist jedoch klar, dass Krankenkassen übernehmen die Kosten dieser „RSV-Impfung“. Auch der Preis ist bekannt: Die Einzeldosis kostet 396 Franken. Kinderärzte hoffen, dass die bei der Firma Sanofi bestellten Dosen ab Mitte Oktober in der Schweiz eintreffen.

„Die Nachfrage nach Beyfortus war sowohl in Spanien als auch in Frankreich sehr groß“, erklärt Niederer. In diesen Ländern sind bis zu 90 % der Säuglinge geimpft. Dies zeigt, dass die Akzeptanz der Eltern sehr hoch war, obwohl Frankreich generell ein eher skeptisches Land ist, wenn es um Impfungen geht. In der Schweiz rechnet der Infektiologe mit einer etwa gleich hohen Akzeptanzquote der Eltern. Sie befürchtet jedoch, dass nicht genügend Dosen verabreicht werden können und dass es auch in der Schweiz einen Mangel an dem Wirkstoff gibt.

In Deutschland, wo Beyfortus seit Juni empfohlen wird, besteht bereits ein Mangel. Der Pharmakonzern erklärt, dass die Knappheit mindestens bis zum 11. Oktober anhalten werde. Ein Sprecher des Deutschen Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte hält dies für einen schweren Schlag für die rechtzeitige Impfung für die nächste Erkältungssaison.

„Es ist kein Impfstoff, sondern ein Medikament“

Inzwischen ist Infektionsspezialist Niederer-Loher irritiert darüber, dass überall von „RSV-Impfung“ gesprochen wird:

„Es ist kein Impfstoff, sondern ein Antikörper, ein Medikament, das wir injizieren“

Das macht einen Unterschied: Eine Impfung löst eine Abwehrreaktion unseres Immunsystems aus. Durch eine virale Komponente im Impfstoff wird unser Körper dazu veranlasst, Antikörper zu produzieren, die bei Bedrohung das Virus bekämpfen können.

Beyfortus hingegen enthält fertige Antikörper. Diese monoklonalen Antikörper schützen Säuglinge unmittelbar nach der Injektion. Tatsächlich neutralisieren Antikörper im Falle einer Infektion Viren direkt. Anders als bei einer aktiven Impfung oder gar einer Infektion muss das Immunsystem nicht zunächst selbst Antikörper produzieren. Das Baby ist somit sofort geschützt und nicht erst nach ein paar Tagen wie es bei einer Impfung der Fall ist.

Da es sich um ein Arzneimittel und nicht um einen Impfstoff handelt, treten nicht die symptomatischen Nebenwirkungen einer Impfung wie Fieber auf. Beyfortus ist daher sehr gut verträglich. Allerdings kann es an der Einstichstelle zu Rötungen oder Schwellungen kommen.

Es gibt auch einen aktiven RSV-Impfstoff namens Abrysbo. Der von Pfizer hergestellte Impfstoff ist jedoch nur für ältere Menschen und in einigen Ländern für schwangere Frauen zugelassen, nicht jedoch für Kinder. Da bei Senioren das Risiko einer schwereren Erkrankung durch RSV wieder steigt, richtet sich die Abrysbo-Impfung vor allem an ältere Menschen. Es kann aber auch indirekt kleinen Kindern helfen.

Impfung schwangerer Frauen

„Die Idee, schwangere Frauen zu impfen, ist die gleiche wie die Impfung gegen Keuchhusten oder Grippe.“ Nach der Impfung produziert die Mutter Antikörper und überträgt diese über die Plazenta auf das Kind. In den ersten Lebensmonaten ist er somit vor schweren Infektionen geschützt. Für die Impfung schwangerer Frauen mit Abrysbo in diesem Winter gibt es allerdings noch keine Empfehlung von Ekif und auch keine Kostenübernahme durch die Krankenkassen.

Der mRNA-Impfstoff mRESVIA von Moderna, der auch ältere Menschen vor RSV-Infektionen schützen soll, wurde gerade von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (Ema) zugelassen. In der Schweiz prüft Swissmedic derzeit das Zulassungsgesuch; es liegt daher noch keine Empfehlung vor.

Aus dem Deutschen übersetzt und adaptiert von Léa Krejci

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