Ein Schweizer träumt davon, dass ihm ein völlig gesundes Bein amputiert wird

Ein Schweizer träumt davon, dass ihm ein völlig gesundes Bein amputiert wird
Ein Schweizer träumt davon, dass ihm ein völlig gesundes Bein amputiert wird
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Seit er denken kann, hat ihn ein einziger Gedanke besessen: „Mein linkes Bein muss verschwinden!“ Da freiwillige Amputationen in der Schweiz verboten sind, stellte sich Jonas* verschiedene Wege vor, um seine Ziele zu erreichen: sich mit Trockeneis absichtlich zu verletzen oder sein Bein unter einen Lastwagen oder einen Zug zu schieben. Eine weitere Option, die in Betracht gezogen wird, ist eine Operation im Ausland, beispielsweise in Mexiko. Nur eines hält den deutschsprachigen Vierzigjährigen zurück: Er versprach seiner Frau, sich nicht zu verstümmeln, solange die beiden Kinder klein seien.

Dieser Wunsch, ein Glied loszuwerden, ist auf ein psychologisches Problem zurückzuführen, das als Körperintegritätsidentitätsstörung (BIID) bezeichnet wird. Diese seit 2022 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannte Krankheit drängt Patienten dazu, sich eine oder mehrere Gliedmaßen amputieren zu lassen, die sie für fremd halten. Manche Menschen träumen davon, taub oder blind zu werden oder eine Prothese zu tragen. Aber in den meisten Fällen handelt es sich dabei um Männer, die ihr linkes Bein verschwinden lassen möchten, so wie Jonas.

Letzterer erklärt im Interview mit dem „Tages-Anzeiger“, dass er heute den Mut hat, ein Tabu zu brechen. „Ich kann verstehen, wie beunruhigend mein Wunsch nach Amputation sein kann. Besonders für Menschen, die unter tragischen Umständen ein Glied verloren haben. Ich möchte aber auch zeigen, was es bedeutet, mit einem Bein zu leben, das mir nicht gehört“, fasst er zusammen. So sägte Jonas schon als Kind regelmäßig ein Bein von seinen Playmobil-Figuren ab, um sich besser mit ihnen identifizieren zu können.

Jonas ist einer der Patienten des Zürcher Neuropsychologen Peter Brugger, der herausgefunden hat, dass Körperteile, die von CIIC-Patienten nicht akzeptiert werden, im Gehirn unzureichend repräsentiert sind. „In solchen Fällen ist die Großhirnrinde dünner“, erklärt Peter Brugger, der auch darauf hinweist, dass „die Schweiz bei der Erforschung dieser seltenen Körperschemastörung an vorderster Front steht.“

Derzeit gibt es keine anerkannte Therapie. Psychologische Beratungen können helfen, bringen aber keinen großen Unterschied. Erfreuliche Ergebnisse wurden auch mit der virtuellen Realität erzielt, wobei es den Patienten Spaß machte, sich einen Stumpf anstelle der Gliedmaße vorzustellen, die sie störte. Schließlich hofft Jonas, dass der Nutzen einer Operation bald medizinisch anerkannt wird, so wie es heute auch bei der Behandlung von Transsexualität der Fall ist.

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