Das Inkrafttreten des neuen Bettelgesetzes im Kanton Waadt verzögert sich, nachdem neun Personen beim Verfassungsgericht Berufung eingelegt haben. Unter ihnen Anne-Catherine Reymond, Präsidentin der Sant’Egidio-Gemeinschaft in Lausanne, und Hélène Küng, Pfarrerin. Sie sehen darin einen Angriff auf die Religionsfreiheit.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Januar 2021 im Fall des Kantons Genf mussten die Schweizer Kantone, die das Betteln auf ihrem Territorium verboten hatten (darunter Basel, Genf und Waadt), zurückgreifen. Dabei seien sowohl der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch der Schutz der Passanten zu berücksichtigen, präzisierte damals der Europäische Gerichtshof, der zu dem Schluss kam, dass nur aufdringliches oder aggressives Betteln und an Orten wie Warteschlangen oder öffentlichen Verkehrsmitteln verboten werden könne.
Einschränken, aber verbieten
„Ein Bettler hat oft etwas Beunruhigendes“, kommentierte der Jesuit Etienne Perrot 2021 auf der Website des Magazins. wählen anlässlich dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. „Wie jedes Gefühl von visuellem, olfaktorischem oder hörbarem Unbehagen kann auch das durch die Anwesenheit eines Bettlers verursachte Gefühl eine Regulierung rechtfertigen, die jedoch nicht zu einem radikalen Verbot führen kann.“ Betteln wird daher als Menschenrecht anerkannt.“
Die betroffenen politischen Stellen haben daher ihre Kopien überprüft. Da sie es nicht versäumten, jegliches Betteln auf ihrem Territorium zu verbieten, haben sie neue Gesetze erlassen, um die Ausübung des Bettelns einzuschränken. Dies ist im Jahr 2021 beim Grossen Rat des Kantons Basel-Stadt und beim Genfer Grossen Rat der Fall, wo diese Gesetze nun zur Anwendung kommen.
Erst im September 2024 hat der Waadtländer Grossrat dem neuen Gesetz zur Einschränkung der Bettelei zugestimmt. Die für 2025 geplante Anwendung verzögere sich nun, teilte die Tageszeitung am 7. Dezember 2024 mit. 24 Stunden. Neun Personen legten gegen das neue Gesetz Berufung beim Verfassungsgericht ein. Bis zur gerichtlichen Entscheidung wird die aufschiebende Wirkung gewährt.
Wirtschaftsfreiheit und Religionsfreiheit
Unter den Beschwerdeführern finden wir einen Schweizer Obdachlosen und vier rumänische Roma. Ihr Anwalt ist der Ansicht, dass das neue Gesetz ihre wirtschaftliche Freiheit verletzt, da diese Menschen keine andere Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Kläger betonen nämlich, dass die Liste der Orte, an denen das Betteln künftig verboten sei, so lang sei, dass es sich um ein verschleiertes Verbot handele: öffentliche Verkehrsmittel und ihre Haltestellen, Friedhöfe, Märkte, Terrassen und Eingänge zu öffentlichen Einrichtungen, Eingänge zu Wohngebäuden und Bürogebäude, öffentliche Gebäude und Einrichtungen, Geschäfte, medizinische und Pflegeeinrichtungen, Museen, Theater und Kinos sowie unmittelbare Nähe zu Schulen, Kindergärten und Spielplätzen, Banken, Postämtern, Geldautomaten, Parkuhren.
Vier weitere Kläger berufen sich ihrerseits auf die Religionsfreiheit, um das neue Gesetz anzufechten. Es handelt sich um den ehemaligen Nationalrat Luc Recordon, die Pfarrerin und ehemalige Leiterin des Protestantischen Sozialzentrums Hélène Küng, Véra Tchérémissinoff, Präsidentin des Lausanner Aktions- und Solidaritätsvereins Opre Rrom, und Anne-Catherine Reymond, Gründerin und Präsidentin von Sant’Egidio Katholischer Verein in Lausanne.
Almosengeben und die Erfahrung der Gnade
Seit Jahren setzen sich christliche Institutionen in der Schweiz gegen das Bettelverbot ein, das als diskriminierend für die Ärmsten gilt. Sie fordern uns auf, Bettler nicht mit Menschen gleichzusetzen, die verwerfliche Taten begehen oder planen.
Aber warum sollte man sich auf den Angriff auf die Religionsfreiheit berufen? Weil die Bibel zum Almosengeben ermutigt. Das Buch Deuteronomium fordert zum Beispiel dazu auf, den Bedürftigen gegenüber großzügig zu sein: „Du sollst deine Hand weit auftun für deinen Bruder, für die Bedürftigen und Armen, die du im Land hast“ (Dtn 15,11). Aber vor allem, wie Etienne Perrot sj betonte, weil das Almosengeben aus der Erfahrung der Gnade entsteht, einer potenziell universellen Erfahrung, da sie das Herzstück aller gegenseitigen Anerkennung und aller Humanisierung ist. „Unter einigen bekannten Namen (buddhistisches Mitgefühl, christliche Nächstenliebe, muslimische Almosen) ist diese Unentgeltlichkeit, ohne die es keine menschliche Beziehung gibt, zu Recht eine der Säulen – und das Kriterium – aller authentischen Religionen, ob Zivilreligionen oder Offenbarungen.“ Religionen.“
„Aus christlicher Sicht stört mich das Argument der Störung der öffentlichen Ordnung“, erklärte Anne-Catherine Reymond ihrerseits bereits 2017 auf cath.ch. Wir sprechen über die psychische Störung, die durch die Anwesenheit von Bettlern verursacht wird. An sich ist diese Frage berechtigt. Aber die Antwort auf diese Störung kann nicht lauten: „Ich verbiete dir zu existieren.“ Welche Antwort sollten wir als Christen geben, wenn der soziale Frieden durch bettelnde Arme gefährdet wird? Für mich ist das Einzige: „Ich begegne dir, ich vermenschliche dich und ich vermenschliche mich selbst.“ (cath.ch/24h/choisir/lb)
© Katholisches Medienzentrum Cath-Info, 07.12.2024
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