Es ist eine der Kuriositäten der Bundesstadt, die jeden Berner fasziniert. Das Bundeshaus hat nicht die Ehre der Nr. 1 auf dem Bundesplatz. Gastgeber dieser prestigeträchtigen Adresse ist… die Schweizerische Nationalbank.
In den Gängen des Parlaments kennen nur wenige gewählte Beamte die Postanschrift des Bundeshauses. „Irgendwo auf dem Bundesplatz?“, rät die grüne Nationalrätin Delphine Klopfenstein Broggini. „Bei Nr. 1?“ wagt seine liberale Kollegin Nadine Gobet.
Zum großen Entsetzen der Parlamentarier ist es jedoch der Berner Hauptsitz der Schweizerischen Nationalbank, der die Zahl 1 trägt. „Symbolisch sagt dies viel über die Rolle des Finanzwesens in der Schweiz aus“, kommentiert Delphine Klopfenstein Broggini.
Ein früherer Palast
Eine Berner Kuriosität… Vor allem seit der Einweihung des Parlamentspalastes im Jahr 1902, wenige Jahre vor der Gründung der Schweizerischen Nationalbank im Jahr 1905. Bei der Einweihung im Jahr 1912 wurden die Abmessungen des Gebäudes des Ausgabeinstituts sogar nach unten korrigiert dass sie den Ostflügel des Bundeshauses nicht überschatten.
Auch Jean-Daniel Gross, Verantwortlicher für Denkmalschutz der Stadt Bern, ist sich der Herkunft der Nummerierung nicht bewusst. Er vermutet, dass technische Gründe mit einem Ort zusammenhängen, der „durch glücklichen Zufall“ entstanden ist.
Der Bundesplatz „war schon lange nicht mehr geplant, als wir sahen, dass er Gestalt annahm“, fügt er hinzu. Erst mit dem Museumsbau, dann mit dem Bundeshaus sei „die Idee des Hauptplatzes entstanden“.
Das Finanzzentrum am Federal Place
Ein großer Platz, an dem die Banken überfüllt sind. Neben der Nationalbank befinden sich noch die Credit Suisse an der Nummer 2, die Bank Valiant an der Nummer 4 und die Berner Kantonalbank an der Nummer 8. Das Parlament ist tatsächlich das einzige Gebäude auf dem Platz, das keine Bank ist.
„Wir können interpretieren, dass die Finanzinstitute die Nähe zur Politik suchten. Aber es ist vielleicht einfacher. Es handelt sich um einen Ort, der erst spät geschaffen wurde und repräsentatives und begehrtes Land bot. Es ist ganz logisch, dass es Institute gibt, die über die Mittel zur Finanzierung verfügen.“ sie“, erklärt Jean-Daniel Gross.
Inselgasse
Warum haben heute noch zwei Banken Postvorrang vor dem Parlamentspalast? Auch der Vermessungsingenieur der Stadt Bern wusste davon nichts. Doch angeregt durch unsere Frage durchstöberte Christine Früh das Stadtarchiv, das die lange Geschichte der Adresse des Bundeshauses offenbart. Den größten Teil seiner Existenz verbrachte das Gebäude nicht auf dem Platz, sondern auf der Straße.
Als die Baugenehmigung erteilt wurde, „gab der Platz noch nicht, er sollte bebaut werden. Es gab die Straße, die davor verlief, und die hieß 1894 noch Inselgasse“, erklärt Christine Früh . Das Bundeshaus übernahm daher demütig die Adresse des von ihm ersetzten Gebäudes, Inselgasse 15 – auf Französisch.
Und der Bundesplatz war
Einige Jahre später wurde ein Gebäude auf dem großen Platz vor dem Schloss zerstört, der damals den Namen „Bundesplatz“ erhielt. Und das erste Gebäude, das dort 1909 errichtet wurde, war kein geringeres als die Schweizerische Nationalbank.
„Warum damals niemand auf die Idee kam, das Parlament, das es schon gab, an der Federal Place Nr. 1 unterzubringen, kann ich nicht sagen. Wir wissen es nicht“, schmunzelt der Stadtvermesser. „Ich kann mir vorstellen, dass das Parlamentsgebäude so bekannt war, dass die Adresse keine Rolle spielte. Die Feuerwehr brauchte die Adresse nicht, die Krankenwagen oder die Post auch nicht. Für die Post musste man nur „Palais“ schreiben Federal‘ und die Post wusste, wohin sie es liefern sollte.“
Vier Adressen
Das Parlament änderte sogar mehrmals seine Adresse: Aus der Inselgasse wurde Theodor-Kochergasse und dann Kochergasse, der heutige Name. Aber die Geschichte ist damit noch nicht zu Ende.
Zu Beginn der 1970er-Jahre änderten sich die Berner Gemeindevorschriften und verlangten nun, dass Gebäude ihre Nummer an der Fassade anbringen müssen. „Da kam jemand auf die Idee, auf dem Platz vor dem Parlament zu sprechen“, vermutet Christine Früh. Nachdem Nr. 1 bereits seit 60 Jahren und Nr. 2 seit 50 Jahren bewohnt ist, wird 1972 eine Nr. 3 an der Fassade des Schlosses angebracht.
Ein möglicher Austausch
Heute sei ein Nummernaustausch „technisch machbar“, „die Stadt Bern hätte keine Einwände dagegen“, präzisiert der Vermesser. Nötig wäre noch die Zustimmung von Bund und Nationalbank und die Zustimmung der SNB zum Verkauf ihrer prestigeträchtigen Nr. 1, die sie seit 115 Jahren präsentiert.
„Ich denke, dass es symbolisch gut wäre, wenn das Bundeshaus auf Platz 1 stehen würde“, sagte Freiburger Nationalrätin Nadine Gobet. Die Genferin Delphine Klopfenstein Broggini stimmt zu: „Ich glaube, dass das Bundeshaus den zentralen Platz einnehmen sollte. Auch wenn das tatsächlich der Fall ist.“
TV-Thema: Michael Maccabez
Adaptation web: Julien Furrer