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Die Erfolgsbilanz der FPÖ spricht gegen Kanzler Kickl

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Nach ihrem Wahlsieg kann die FPÖ erstmals die Kanzlerschaft beanspruchen. In Österreich gibt es keine „Firewall“ – aber es gibt Argumente gegen die Rechtspopulisten an der Macht.

Herbert Kickl ist der große Wahlsieger, aber kann er auch Kanzler werden?

Leonhard Foeger / Reuters

Der Sieg der FPÖ ist keine Überraschung; Ihr Vorsprung in den Umfragen ist seit anderthalb Jahren zu konstant. Und doch ist es ein Erdbeben für Österreich. Die Partei, um die sich seit ihrem Machtantritt unter Jörg Haider vor drei Jahrzehnten die innenpolitische Debatte dreht, ist nun erstmals stärkste Kraft im Land. Dieser Moment schien in der Vergangenheit zweimal zu kommen. Doch 2013 verhinderte das kurzfristige politische Abenteuer des österreichisch-kanadischen Unternehmers Frank Stronach einen liberalen Wahlsieg. 2017 stand ihr der Jungstar Sebastian Kurz im Weg, der mit der ÖVP einen kritischeren Kurs gegenüber der Migration eingeschlagen hatte.

Nun ist es ausgerechnet der spröde Herbert Kickl, der die FPÖ zum Siegeszug führt und Anspruch auf die Kanzlerschaft erheben kann, wovon seine charismatischeren Vorgänger Haider und Heinz-Christian Strache vergeblich träumten. Dies wirft eine sehr akute Frage auf, die immer theoretisch geblieben ist: Kann ein radikaler Ideologe wie Kickl tatsächlich Regierungschef werden? Oder muss er das aus demokratischen Gründen überhaupt?

Kickl strebt offen eine „Orbanisierung“ an.

Gegen die FPÖ gibt es keine „Schutzmauer“, auch wenn der Begriff in den letzten Wochen von Parteien links der Mitte importiert wurde. Anders als die AfD in Deutschland gehört die Freiheitliche Partei in Österreich seit Jahrzehnten zur Machtelite: Haider wurde 1989 Landeshauptmann von Kärnten, bis die dortige Koalition mit der ÖVP an seinem Lob für die „richtige Beschäftigungspolitik im Dritten Reich“ zerbrach Reich“.

Auch auf Bundesebene regierte die FPÖ dreimal, zunächst mit der SPÖ und später mit der ÖVP. 2017 schaffte es Strache trotz einer Vergangenheit im Neonazi-Milieu zum Vizekanzler, bis der Ibiza-Skandal seine autoritären Fantasien öffentlich machte.

Ein liberaler Kanzler wäre der logische nächste Schritt. Allerdings ist es nicht besonders wahrscheinlich. Einerseits hat sich die FPÖ unter Kickl inhaltlich radikalisiert. Das Wahlprogramm enthält Punkte, die für Österreich einen Systembruch darstellten. Kickl strebt offen eine „Orbanisierung“ an. Außenpolitisch will er das Land auf eine antieuropäische und kremlfreundliche Linie bringen.

Andererseits kann man ganz nüchtern feststellen, dass die Leistung der Partei in der Regierungsverantwortung miserabel ist. Haiders Eskapaden brachten Kärnten an den Rand des Ruins. Alle drei Bundesregierungen mit der FPÖ als Juniorpartner waren von Skandalen begleitet und endeten vorzeitig. „Genug ist genug“, sagte der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz vor fünf Jahren. Er meinte nicht nur das, was gerade aus Ibiza bekannt wurde. Inhaltlich war die Bilanz seiner Regierung bei den Freiheitlichen dürftig: Die meisten Reformen blieben Stückwerk, wurden von Gerichten gekippt oder erwiesen sich als PR-Gag.

Deutschland zeigt, wie schwierig eine Drei-Parteien-Koalition ist

Für eine Neuauflage eines solchen Bündnisses spricht daher wenig – auch für die ÖVP. Sie würden nicht nur die Kanzlerschaft verlieren, weil die FPÖ sie erneut nicht wie 1999 an die stimmenschwächere Partei abgeben wird. Die Konservativen würden auch ihr Gesicht verlieren. Sie hatten die FPÖ in den letzten Monaten zu vehement ins Visier genommen und Kickl als unverantwortlichen, demokratiefeindlichen Verschwörungstheoretiker bezeichnet.

Allerdings ist die Alternative auch nicht angenehm, da es sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse realistischerweise nur um ein Dreierbündnis handeln kann. Ein Blick nach Deutschland zeigt, wie schwierig es ist, zu dritt zu regieren. Dazu bedarf es der Sozialdemokraten, mit denen die ÖVP im Gegensatz zur FPÖ inhaltlich kaum Überschneidungen hat. Wie sich eine solche Koalition auf Projekte einigen würde, die über die Geldverteilung hinausgehen, ist unklar – und Österreich wird angesichts der düsteren Wirtschaftslage in den kommenden Jahren auf Einsparungen angewiesen sein.

Die ÖVP als Königsmacher und mit ihr das Land haben daher nur dürftige Möglichkeiten. Wesentlich wäre eine echte Reformpartnerschaft, die auch Tabus anspricht, die ÖVP und SPÖ gleichermaßen pflegen – zum Beispiel das Rentensystem oder die Subventionitis. Ein Dreierbündnis gegen die FPÖ ist nicht undemokratisch; 70 Prozent der Wähler stimmten nicht für die Rechtspopulisten. Aber wenn ihr Ausschluss der einzige gemeinsame Nenner ist, muss die Freiheitliche Partei nur darauf warten, dass diese heterogene Koalition zerbricht, und dann kann sie möglicherweise einen noch größeren Wahlsieg erringen. Dann führte kein Weg an einem liberalen Kanzler vorbei.

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