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Das Pluto-Charon-Paar, die Frucht eines langen, 10-stündigen gefrorenen Kusses

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In den eisigen Tiefen des Sonnensystems, am Rande des Kuipergürtels, bilden Pluto und Charon ein einzigartiges Duo, das Wissenschaftler seit ihrer Entdeckung fasziniert. Diese besondere Gravitationsbeziehung zwischen dem Zwergplaneten und seinem größten Mond bleibt ein Rätsel, insbesondere da Charon im Vergleich zu seinem Mutterkörper außergewöhnlich groß ist. Kürzlich hat ein Forscherteam eine mutige neue Theorie zur Erklärung dieser Verbindung vorgeschlagen: das Kiss-and-Catch-Modell. Dieser revolutionäre Ansatz legt nahe, dass eine ungewöhnliche kosmische Kollision es Pluto ermöglichte, Charon nach einer kurzen, aber intensiven Verschmelzung einzufangen.

Pluto und Charon: ein einzigartiges System

2006 auf den Status eines Zwergplaneten herabgestuft, Pluton bleibt eines der mysteriösesten Objekte im Sonnensystem. Charon, sein größter Mond, ist eine eigenständige Anomalie. Mit einem Durchmesser, der fast halb so groß ist wie der von Pluto und einer Masse, die 12 % der Masse seines Mutterkörpers entspricht, Charon ist im Verhältnis zur Erde viel größer als der Mond. Dieses beispiellose Größenverhältnis verleiht dem Pluto-Charon-System den Status eines Doppelsternsystems, in dem die beiden Körper um einen gemeinsamen Schwerpunkt außerhalb von Pluto kreisen.

Die Herkunft dieses Paares blieb jedoch lange Zeit ein Rätsel. Die Monde großer Planeten wie die des Jupiters oder Saturns werden oft von der Schwerkraft erfasst. Allerdings ein Charon-großer Mond um ein relativ kleines Objekt wie Pluto kann nicht aus einer einfachen Gravitationseinfangung resultieren. Die vorherrschende Theorie war daher bisher die eines massiven Zusammenstoßes, ähnlich dem, der den Erdmond gebildet hätte. Allerdings hinterließ diese Erklärung Grauzonen, die mit der neuen Kiss-and-Capture-Hypothese geklärt werden sollen.

Eine Kollision wie keine andere: der Kuss und die Gefangennahme

Einer neuen, in Nature Geoscience veröffentlichten Studie zufolge entstanden Pluto und Charon nach einer Kollision einer noch nie dagewesenen Art. Wissenschaftler vermuten, dass vor Milliarden von Jahren zwei Eiskörper im Kuipergürtel kollidierten. Anstatt jedoch zu verschmelzen oder sich gegenseitig zu zerstören, verschmelzen diese beiden Objekte wären vorübergehend zusammengelegt wordenum einen kosmischen Schneemann zu formen. Nach nur zehn Stunden löste sich diese Vereinigung auf, die beiden Körper blieben jedoch gravitativ verbunden und so entstand das Doppelsystem, das wir heute kennen.

Dieses Modell trägt den Spitznamen küssen und einfangenunterscheidet sich von klassischen Szenarien wie Hit and Run oder Merge. Normalerweise verhalten sich die beteiligten Körper bei einer kosmischen Kollision aufgrund der starken Hitze, die durch den Aufprall entsteht, wie Flüssigkeiten. Im Fall von Pluto und Charon spielten jedoch die geringe Größe beider Objekte und ihre eisige Zusammensetzung eine entscheidende Rolle. Im Gegensatz zu flüssigen Körpern verfügten diese Objekte über eine ausreichende strukturelle Festigkeit, um ihre Integrität während einer Kollision zu bewahren. Daher drang Charon nicht tief genug in Pluto ein, um absorbiert zu werden, sodass sie sich nach dem ersten „Kuss“ trennen konnten.

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Eines der Schlüsselelemente dieser Theorie basiert auf der Simulation der Kollision. Unter Berücksichtigung des Widerstands eisiger Materialien stellten die Forscher fest, dass die Verschmelzung zwischen Pluto und Charon zu flach war, als dass die beiden Körper vereint bleiben könnten. Diese vorübergehende Verschmelzung ermöglichte es Charon auch, außerhalb des Korotationsradius von Pluto zu bleiben, was bedeutete, dass die beiden Körper nicht mit der gleichen Geschwindigkeit rotierten. Dieser Unterschied führte letztendlich zu ihrer Trennung und der Errichtung einer stabilen Umlaufbahn für Charon.

Das Pluto/Charon-System während seiner Schneemannphase. Bildnachweis: Robert Melikyan/Adeene Denton

Auswirkungen auf den Kuipergürtel und darüber hinaus

Diese neue Theorie beschränkt sich nicht nur auf die Erklärung des Ursprungs von Charon; Es könnte unser Verständnis von Kollisionen im Kuipergürtel, einer noch wenig erforschten Region jenseits der Neptunbahn, revolutionieren. Mehrere Objekte in diesem Gebiet, wie Eris und sein Mond Dysnomia oder Orcus und Vanth, weisen tatsächlich Systeme auf, die dem Pluto-Charon-Paar ähneln. Der Kuss und die Gefangennahme könnten daher ein sein gemeinsamer Mechanismus für die Entstehung von Monden in dieser eisigen Region.

Darüber hinaus eröffnet diese Theorie neue Möglichkeiten für die Untersuchung der langfristigen Entwicklung eisiger Körper. Die Forscher wollen insbesondere die Auswirkungen der Gezeitenkräfte auf Charon analysieren, das über Milliarden von Jahren an seinen heutigen Standort gewandert sein könnte. Das Verständnis dieser Migration würde das Kiss-and-Capture-Modell bestätigen und das Wissen über Plutos thermische Geschichte verfeinern.

Schließlich wirft diese Entdeckung interessante Fragen zum Thema auf innere Geologie von Pluto und Charon. Wenn der anfängliche „Kuss“ tatsächlich die Entstehung des Paares beeinflusste, könnte dies auch mit der Anwesenheit unterirdischer Ozeane auf diesen eisigen Körpern zusammenhängen. Die Forscher wollen untersuchen, wie die durch den Einschlag erzeugten thermischen Bedingungen die Bildung und Erhaltung dieser möglichen Flüssigkeitsreservoirs erleichtert haben könnten.

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