Wenige Monate vor seinem 20-jährigen Jubiläum etabliert sich YouTube als weit mehr als nur eine Videoplattform für Smartphones. „Wir müssen YouTube jetzt als den führenden Fernsehsender in Frankreich betrachten“, erklärt Justine Ryst, Generaldirektorin von YouTube Frankreich. Für den Manager, der seit 2019 die französische Niederlassung leitet, etabliert sich die Plattform nun als wichtiger Akteur in der audiovisuellen Landschaft. Einige Akteure wie Médiamétrie lehnen diese Beobachtung jedoch ab.
Würde YouTube bei jungen Leuten die Fernsehkanäle überholen?
Die von YouTube geteilten Médiamétrie-Ergebnisse zeigen, dass die Plattform mittlerweile die französischen Fernsehsender bei der Nutzerzahl bei den 15- bis 49-Jährigen übertrifft, mit insgesamt 42,6 Millionen monatlichen Nutzern über 15 im Mai. Letzteres läge immer noch vor TF1. Laut YouTube verbringen die Franzosen durchschnittlich 41 Minuten pro Tag damit.
Der Direktor von YouTube France beleuchtet die Entwicklung der Mediennutzung. „Das Fernsehen ist heute nach Mobilgeräten der zweitgrößte YouTube-Konsumbildschirm in Frankreich. Es ist ein Trend, der sich durchsetzt, angetrieben durch den Erfolg langer Formate“, sagt Justine Ryst. Dieses Phänomen trägt ihrer Meinung nach zu einer Veränderung der Nutzung von YouTube bei und verändert die Sehgewohnheiten.
Mit mehr als einer Milliarde Stunden täglicher Wiedergabe auf Fernsehgeräten auf der ganzen Welt hat YouTube eine sogenannte „Kinoversion“ seiner Videos eingeführt, die für die große Leinwand optimiert ist. Das Wachstum der Plattform basiert insbesondere auf einer Vielfalt an Formaten, die sie weiterhin erforscht. „Unsere Einzigartigkeit liegt im Multiformat“, erklärt Justine Ryst. Wir bieten auch lange und kurze, horizontale und vertikale Formate an. »
YouTube und traditionelle Medien: eine komplementäre Beziehung
Justine Ryst betont die Verbindungen zwischen YouTube und klassischen audiovisuellen Playern. „Traditionelle Medien investieren in die Plattform“, sagt sie und nennt als Beispiel Arte, das mehrere Kanäle und exklusive Programme wie „Le Vortex“ gestartet hat. TF1 und France Télévisions haben ebenfalls Millionen Aufrufe, was die Komplementarität zwischen den beiden Welten verstärkt.
Diese Porosität ist auch beim Übergang symbolischer Gesichter vom Fernsehen zu YouTube und umgekehrt zu beobachten. Nach der Ankunft von Hugo Travers, alias HugoDécrypte, bei France 2 starteten die Journalisten Élise Lucet und Claire Chazal ihre eigenen Kanäle, begleitet von YouTubern wie Squeezie und Gaspard G., um diesen Übergang zu vollziehen.
YouTube, ein Fernsehsender? Eine von Médiamétrie angefochtene Vision
Diese Wahrnehmung von YouTube als Fernsehkanal wird jedoch von Yannick Carriou, CEO von Médiamétrie, nuanciert. „YouTube ist kein Fernsehsender und schon gar nicht der erste Fernsehsender“, sagt er. Seiner Meinung nach erfüllt ein Fernsehsender strenge Kriterien der redaktionellen Verantwortung und der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sowie dauerhafte Investitionen in Inhalte.
Yannick Carriou warnt vor einer Verwechslung zwischen Plattformen und Fernsehsendern: „Videoplattformen reagieren auf unterschiedliche Herausforderungen und Zwänge. Die Veränderung von Verhaltensweisen und Modellen impliziert eine Weiterentwicklung der Messung von Nutzungen. » Um den wachsenden Erwartungen an eine umfassende Vision des Ökosystems gerecht zu werden, kündigt Médiamétrie die Gründung eines medienübergreifenden Ausschusses an, der Fernsehsender, Agenturen, Werbetreibende und internationale Plattformen zusammenbringt, um transparente und gerechte Messungen festzulegen.
Der CEO von Médiamétrie fordert, Begriffsverwirrungen zu vermeiden und gemeinsam an der Entwicklung geeigneter Messinstrumente zu arbeiten. „Eine medienübergreifende Maßnahme besteht darin, verschiedene Objekte zusammenzuführen und nicht zu verwechseln. Es ist wichtig, Klarheit zu wahren, um das Vertrauen derjenigen zu wahren, die in Inhalte und Werbung investieren“, betont Yannick Carriou die Notwendigkeit eines konsequenten Vorgehens.