Pandemie und politisches Engagement … Die in der Ich-Perspektive verfasste Autobiografie der französischsprachigen Cellistin Estelle Revaz wirft ein neues Licht auf die von Covid-19 so stark betroffene Schweizer Musiklandschaft.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass Künstler mittellos sind, am Rande des Zusammenbruchs stehen und sich in einer furchtbar geschwächten finanziellen Situation befinden, die durch die Untätigkeit und Unkenntnis der geltenden Richtlinien noch verschärft wird. Die Seiten, die die materielle Situation der meisten von ihnen beschreiben, erschüttern das Verständnis; Es bleibt unvorstellbar, dass ein so reiches Land wie die Schweiz sein künstlerisches und kulturelles Lebenselixier vernachlässigt oder gar misshandelt hat. Ausgehend von dieser Beobachtung, die die Ausübung einer anderswo so glatten und konventionellen Biografie erneuert, erzählt Estelle Revaz, nachdem sie ihre Kindheit, ihre Ausbildung, ihr Lernen heraufbeschworen hat, umso mehr von dem durch die Pandemie verursachten und als Trauma erlebten Bruch eine etablierte Gleichgültigkeit. Der Text beschreibt hauptsächlich seinen Alltag nach der Corona-Krise. Die Rückkehr zum Konzert, die Verpflichtung zur Einhaltung von Verpflichtungen und Programmen geht mit zahlreichen Prüfungen und Herausforderungen einher, die sich letztlich auf das psychische Gleichgewicht auswirken und den Körper auf die Probe stellen. Alles ist gesagt und sehr detailliert beschrieben.
Der Text führt uns hinter die Kulissen des Künstlers: Pflege der Finger, Aufrechterhaltung des Übens des Instruments, mentale Vorbereitung, Auswendiglernen der Partituren … kulturelle, aber vor allem körperliche Herausforderungen. Wird der Körper folgen? Die Cellistin bringt ihre überragende Kraft und gleichzeitig extreme Ermüdung perfekt zum Ausdruck. Am aufschlussreichsten sind die Seiten, die die Verpflichtung beschreiben, zwei oder sogar drei Konzerte am selben Abend zu spielen.
Aber dieser Gesundheitsschock erzeugt ein Bewusstsein, das sich allmählich in … politisches Engagement verwandelt. Und der Künstler erzählt von seiner allmählichen Entscheidung, einer politischen Partei beizutreten, um die Interessen der Künstler in der Schweiz konkret zu vertreten.
Es ergeben sich weitere Herausforderungen, darunter die Vereinbarkeit einer künstlerischen Karriere (Konzerte und Aufnahmen) und eines gewählten Mandats.
Es ist nicht einfach, sich solchen unterschiedlichen Aktivitäten und Handlungen direkt zu stellen … Wie können Sie Ihre traumhafte Fantasie kultivieren und einen Kampf führen, der sich mit der zynischen Alltäglichkeit der Politik auseinandersetzt? Wer sich gegenüber seinen Politikerkollegen im Berner Bundesparlament als „die Saltimbanque“ präsentiert, gewinnt durch Hartnäckigkeit und Konstanz dennoch den Respekt ihrer Mitbürger. Ein Ort, der jetzt dank der Genauigkeit seines Kampfes bekannt ist. Sowohl seltene als auch außergewöhnliche Künstlerinnen wie Estelle Revaz sind zu einem solchen Engagement im kollektiven Interesse fähig. Bewundernswert und aufregend.
Im Herbst 2024 veröffentlicht Estelle REVAZ ihr neues Album, das dem Thema gewidmet ist 11 Capricen von Dall’Abaco (170 – 1805) – nächste Rezension folgt auf CLASSIQUENEWS / Album gewählt CLASSIQUENEWS.
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REVIEW-Buchveranstaltung. ESTELLE REVAZ: Die Saltimbanque (Editionen Slatkine) – CLASSIQUENEWS Winter 2024. Weitere Informationen auf der Website des Verlags Slatkine: https://www.slatkine.com/fr/editions-slatkine/75906-book-07211260-9782832112601.html