Alice Weidel ist zu schwach, um Sahra Wagenknecht zu umarmen — der Freitag

Alice Weidel ist zu schwach, um Sahra Wagenknecht zu umarmen — der Freitag
Alice Weidel ist zu schwach, um Sahra Wagenknecht zu umarmen — der Freitag
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Im direkten Duell kann die AfD nicht punkten: Das hat der -Streit zwischen Parteichefin Alice Weidel und BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht gezeigt, vor allem bei den Themen Rüstung, Wirtschaft wie Soziales – und beim Umgang mit Björn Höcke

Für eine Umarmung hat es im doppelten Sinne nicht gereicht: Sahra Wagenknecht und Alice Weidel zu Beginn ihres Duells bei Welt TV

Foto: Kay Nietfeld/Picture Alliance/dpa

„Das sind AfD-Positionen.“ Was wie ein Vorwurf aus der liberalen Mitte klingt, war ein Umarmungsversuch von AfD-Chefin Alice Weidel. Passenderweise begann das TV-Duell zwischen ihr und BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht zwar nicht mit einer Umarmung, dafür mit einem Handschlag. Zum ersten Mal trafen die beiden Politikerinnen am Mittwochabend in einem TV-Duell aufeinander. Eingeladen hatte der TV-Sender Quaddelder bereits im April mit dem Duell zwischen den thüringischen Spitzenkandidaten Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) für Rekordquoten gesorgt hatte. Grund genug für ein weiteres Duell, diesmal ganz ohne Anlass.

Wagenknecht gegen Weidel also. Für beide geht es in diesem Duell darum, das Verhältnis zum jeweils anderen zu klären

r ein weiteres Duell, diesmal ganz ohne Anlass.Wagenknecht gegen Weidel also. Für beide geht es in diesem Duell darum, das Verhältnis zum jeweils anderen zu klären. Sie punkten beide vor allem mit Kritik an den Ampelparteien, daneben gehört der strategische Angriff auf die CDU zu ihrem Markenkern. Die Gegner sind also die gleichen. Der Umgang mit der jeweils anderen Partei ist dagegen noch nicht geklärt. Noch im vergangenen Jahr lud Höcke Wagenknecht ein, Mitglied der AfD zu werden. Im Januar unterschrieb der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla das Friedensmanifest von Wagenknecht und Alice Schwarzer. Alice Weidel will Sozialleistungen kürzen und die Kapitalertragssteuer senkenSeit der geglückten Parteigründung hört man dagegen vor allem Kritik aus der AfD: Das BSW sei leninistisch, kommunistisch und letztlich doch zu nah an den etablierten Parteien. Auch das BSW arbeitet noch am richtigen Umgang mit der AfD. Koalieren will man mit ihr zwar nicht. Doch den Kurs der etablierten Parteien möchte die Partei auch nicht fahren: Um der AfD potenzielle Wählerinnen und Wähler abspenstig zu machen, äußert sie scharfe Kritik am bisherigen Umgang mit der Rechtsaußen-Partei.Die beiden Parteivorsitzenden gingen dann auch mit sehr unterschiedlichen Agenden in das TV-Duell: Für Weidel ging es darum, Wagenknecht wieder ins Lager der politischen Schmuddelkinder zu holen. Denn wenn die regierungsfähige Wagenknecht ähnliche Positionen vertritt wie die AfD – dann kann an der AfD nicht viel falsch sein. Genau davon wollte sich Wagenknecht abgrenzen.Bei Israel sind sich Weidel und der „Welt“-Moderator einigDas gelang ihr gleich beim ersten Thema: Zwar wollen beide die Wirtschaft mit billigem Gas aus Russland wieder ankurbeln, auch die schlechte Ausbildung in Deutschland beklagen beide. Doch in der Grundsatzfrage, wie es mit der Schuldenbremse weitergehen soll, widersprechen sie sich deutlich. Weidel will zwar mehr Investitionen, diese aber nur durch Kürzungen bei den Sozialleistungen erreichen. Wichtiger als Investitionen sei ihr ohnehin eine Senkung der Kapitalertragssteuer. Wagenknecht kann hier gleich zu Beginn punkten und sich mit der Forderung nach kreditfinanzierten Investitionen in die marode Infrastruktur als sozialere und pragmatischere Partei positionieren. Selbst, wenn sie nicht die Welt „mit dem Bürgergeld nach Deutschland einladen“ wolle – ein klammer Haushalt lasse sich nicht ernsthaft durch Bürgergeldkürzungen sanieren.Auch danach bleibt der Ball bei Wagenknecht. Denn Weidel ist sich mit Moderator und Welt-TV-Chefredakteur Jan Philipp Burgard beim Vorgehen Israels in Gaza und im Libanon weitgehend einig – dass Israel allenfalls zu wenig Unterstützung aus Deutschland erfährt. Ein leichter Punkt für Wagenknecht: Warum stellt sich die AfD als Friedenspartei dar, wenn sie Israel bei einem solchen Vorgehen im Krieg bedingungslos unterstützt? Nach etwas Hin und Her stimmt Weidel dann zumindest in einem Punkt zu: Israel sollte tatsächlich keine Waffen mehr aus Deutschland bekommen – die bräuchte es schließlich selbst. Willkommen bei der selbsternannten Friedenspartei.Kritisch wird es für Wagenknecht hingegen beim Ukraine-Krieg. Hier liegen ihre Positionen bekanntlich nicht weit von denen der AfD entfernt. Als sie sagt, die Ukraine könne diesen Krieg nicht gewinnen, kontert Weidel: „Das sind AfD-Positionen, wie wir sie seit Anfang an vortragen.“ Wagenknecht ist sichtlich bemüht, das zurückzuweisen, sagt nur, sie finde das „jetzt ein bisschen billig“. Klare Abgrenzung sieht anders aus.Das sagten Wagenknecht und Weidel zum Them MigrationNach ein paar Minuten, als Moderator Burgard längst mehrfach versucht hat, auf die anstehende US-Wahl zu sprechen zu kommen, fällt ihr dann ein, wie diese Abgrenzung aussehen muss: Ja, die AfD sei zwar für eine diplomatische Beendigung des Kriegs in der Ukraine, sagt Wagenknecht. Abgesehen davon sei sie aber für mehr Aufrüstung. Da hätten sie „ja doch einen kleinen Unterschied gefunden“, wendet Burgard lakonisch ein.Dass der Unterschied um hunderte Milliarden Aufrüstung ein kleiner ist, klingt vielleicht zynisch, könnte aber stimmen. Denn die Abgrenzung von der AfD dürfte für die meisten potenziellen Wählerinnen und Wähler des BSW beim Thema Ukraine-Krieg nicht zentral sein. Die lange Versteifung der politischen Mitte, alle Forderungen nach einer diplomatischen Lösung des Krieges zu disqualifizieren, findet in der Bevölkerung kaum Resonanz: Eine Mehrheit wünscht sich seit Beginn des Krieges mehr diplomatische Bemühungen der Bundesregierung. Mit den ausbleibenden Erfolgen der ukrainischen Armee ist diese Mehrheit noch größer geworden.Anders dürfte es beim Thema Migration aussehen. Hier ist es für Wagenknecht besonders wichtig, sich von der AfD abzugrenzen. Wie Steffen Mau, Linus Westheuser und Thomas Lux in ihrer aufwendigen Studie Triggerpunkte gezeigt haben, unterstützt nur ein kleiner Teil der Bevölkerung radikale Positionen bei diesem Thema. Ein Großteil hingegen befürwortet Migration in Grenzen. Für Wagenknecht war das Duell eine Chance, sich diesen Menschen als besonnene Alternative zur völkischen AfD zu präsentieren.Wagenknecht fragt Weidel, warum sie für einen Parteiausschluss Höckes warDiese Chance nutzte sie. Weidel vermischte in typischer Manier die völkische Forderung nach Remigration mit der auch aus der Mitte bekannten Forderung nach hochqualifizierter Zuwanderung zum Nutzen der Wirtschaft. Wagenknecht distanzierte sich nicht nur deutlich („Bei Remigration wird mir übel.“), sondern konnte sich auch als die vergleichsweise humanere Alternative präsentieren. Den gut integrierten Taxifahrer aus Syrien wolle sie nämlich nicht abschieben.Nun mag man bezweifeln, dass die AfD alle Taxifahrer abschieben will. Wagenknechts Positionierung funktionierte aber, weil sie das Thema als Sprungbrett nutzte, um die Radikalisierung der AfD in den Mittelpunkt zu stellen – und damit ihr stärkstes Argument gegen Weidel präsentierte. Sie warf Weidel vor, den völkischen Flügel um Björn Höcke in der Partei zu dulden und als bürgerliches Aushängeschild hoffähig machen zu wollen. Dabei sei dieser ein lupenreiner Neonazi – mit einer Liste von Zitaten aus Büchern und Reden Höckes versuchte Wagenknecht, und sie las dabei vom Blatt, was sie sonst so gut wie nie tut, um dies zu untermauern: 20 bis 30 Millionen Menschen wolle er „remigrieren“. Angesichts dieser Alternative wirkten Wagenknechts Positionen dann tatsächlich humaner.Alice Weidel bleibt eine Antwort schuldigWeidel antwortete während ihrer Ausführungen zu Höcke ausweichend, fragte trotzig, wie lang das denn noch gehe. Ihr anschließender Versuch, das Thema auf Wagenknechts angebliche Sympathien für Venezuela und Kuba zu lenken, wirkte dagegen hilflos und unvorbereitet. Als Wagenknecht dann noch fragt, warum Weidel 2017 ein Parteiausschlussverfahren des damaligen AfD-Bundesvorstands gegen Höcke unterstützt habe, wenn er doch so nett sei, fällt der AfD-Vorsitzenden nichts mehr ein. Sie lächelt Moderator Burgard an, der sie auffordert zu antworten. Sie sagt nur: „Hier steht nicht Herr Höcke, sondern ich.“Dass die Abgrenzung hier so deutlich gelingt, wollte Burgard offenbar nicht auf sich sitzen lassen. Schon im Vorfeld warb die Bild für ein „Duell der Extreme“. Dazu passte nicht, dass Wagenknecht sich immer wieder in die Tradition Ludwig Erhards stellte und dazu noch den Rechtsradikalismus der AfD anprangerte. Also forderte Burgard beide Politikerinnen zum Schluss auf, die jeweils andere auf einer Skala von 1 bis 10 einzuordnen – Wagenknecht sollte einschätzen, wie rechts Weidel sei, Weidel wiederum, wie links Wagenknecht. Die designierte AfD-KanzlerkandidatinDieser Versuch, eine Gleichwertigkeit der Positionen herzustellen, scheiterte jedoch. Zu deutlich wurde vorher, dass es nicht darum ging. Wagenknecht bezeichnete Weidel auf Nachfrage dann auch als „vielleicht eine Sechs, ich weiß nicht.“ Das Problem sei aber, dass „die Höckes die Partei inzwischen dominieren“. Weidel sei bloß das nette Bild an der Spitze. Sie, die designierte Kanzlerkandidatin der AfD, will sich erst gar nicht darauf einlassen: „Ich habe grundsätzlich mit Links-und-rechts-Skalen Probleme.“ So endete der Abend, der mit einem Handschlag begonnen hatte, schließlich mit einem letzten Versuch, die Abgrenzung, die Wagenknecht über die längste Zeit gelungen war, noch einmal anzugreifen. Damit dieser Angriff gelingt, müsste sich Weidel entscheiden: Hat sie ein Problem mit der Links-Rechts-Unterscheidung? Oder ist Wagenknecht eine verkappte Kommunistin? Denn wie das TV-Duell gezeigt hat, wirken ihre Abgrenzungsversuche sonst ebenso hilflos wie ihre Versuche, Wagenknecht zu umarmen.

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