Medien-Leaks in Israel –
Ein Mitarbeiter leakte vertrauliche Dokumente – was wusste Netanyahu?
Geheimdokumente landeten bei ausländischen Medien, um einen Geisel-Deal zu hintertreiben. Israels Premier kamen die Berichte gelegen.
Publiziert: 04.11.2024, 18:00
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BotTalk
- Der israelische Geheimdienst ermittelt wegen Leaks sensibler Militärunterlagen.
- Vier Verdächtige wurden festgenommen, darunter ein Vertrauter Netanyahus.
- Berichte in ausländischen Medien basierten auf geheimen Dokumenten, um Geisel-Deals zu torpedieren.
- Netanyahu distanziert sich, Oppositionsführer werfen ihm Mitverantwortung vor.
Mitten im Mehrfrontenkrieg beherrscht in Israel eine Geschichte über Geheimnisverrat die Schlagzeilen. Im Zentrum des Sturms wird das Büro von Premierminister Benjamin Netanyahu verortet, aus dessen Umfeld den Berichten zufolge vertrauliche Militärunterlagen bei ausländischen Medien platziert worden sein sollen. Ziel soll es gewesen sein, einen Geisel-Deal mit der Hamas zu hintertreiben. Vier Verdächtige wurden in der vorigen Woche festgenommen.
Auch wenn die israelischen Medien voll sind mit Berichten, bleiben viele Details dieses Falls im Dunkeln. Der Grund: Das zuständige Gericht hat eine Nachrichtensperre verhängt mit dem Hinweis, dass in diesem Fall eine «ernsthafte Gefahr für die nationale Sicherheit und ein Risiko für Informationsquellen» bestehe. Nur schrittweise wird diese Informationsblockade gelockert. Am Sonntagabend wurde so bekannt, dass der Hauptverdächtige ein Mann namens Eli Feldstein ist, der als eine Art informeller Sprecher zum engeren Umfeld Netanyahus gezählt wird.
Setzt man die Puzzlesteine zusammen, so hat die brisante Affäre vor zwei Monaten ihren Anfang genommen. Am 1. September vermeldete die Armee, dass die Leichen von sechs israelischen Geiseln in einem Tunnel im Gazastreifen entdeckt worden waren. Die Entführten waren kurz zuvor von ihren Hamas-Peinigern mit Kopfschüssen hingerichtet worden. Dieser Leichenfund wühlte Israel enorm auf. Die Demonstrationen, auf denen ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln gefordert wurde, wurden nun täglich abgehalten. Hunderttausende nahmen teil.
Nützliche Artikel in der Auslandspresse
Unter Druck geriet damit Netanyahu, dessen Partner von Rechtsaussen von jeher mit dem Bruch der Koalition drohen, sollten der Hamas Zugeständnisse gemacht werden. Von vielen Seiten wird dem Regierungschef deshalb vorgeworfen, ein Abkommen immer wieder zu torpedieren, um die eigene Macht nicht zu gefährden.
Als durchaus nützlich erscheinen bei einer solchen Strategie zwei Artikel, die unter Verweis auf geheime israelische Dokumente in der ersten Septemberwoche in ausländischen Medien erschienen. Zunächst sorgte der in London erscheinende «Jewish Chronicle» für Aufsehen mit einem dem Bericht, dass Hamas-Anführer Yahya Sinwar plane, Geiseln über die Grenze nach Ägypten zu schmuggeln. Kurz darauf erschien die deutsche «Bild» mit der Schlagzeile: «Zum Schaudern! Das plant der Hamas-Chef mit den Geiseln». Unter Berufung auf ein exklusiv erhaltenes Dokument, das von Sinwars Computer stamme, wird ausgeführt, dass die Hamas keinerlei Interesse an einem schnellen Kriegsende habe, sondern allein «die internationale Gemeinschaft manipulieren und die Geiselfamilien quälen» wolle, um Israels Regierung unter Druck zu setzen.
Die von den Berichten aufgeschreckte Armee leitete sofort Untersuchungen wegen der Weitergabe der angesprochenen Dokumente ein. Der Bericht im «Jewish Chronicle» erwies sich schnell als Fälschung. Die Wochenzeitung nahm den Artikel von der Website, der Autor wurde gefeuert. Zum «Bild»-Bericht liess die Armee wissen, er basiere auf einem alten Dokument, das nicht von Sinwar, sondern «als Empfehlung von mittleren Rängen der Hamas» geschrieben worden sei.
Netanyahu zitiert die Berichte gern
Da allerdings hatte Netanyahu die beiden Berichte längst zu nutzen gewusst. Der Plan zum angeblichen Geisel-Schmuggel über die Grenze passte bestens zu seiner Argumentation, dass die israelische Armee den sogenannten Philadelphi-Korridor zwischen Gaza und Ägypten niemals räumen dürfe. Den «Bild»-Bericht zitierte der Regierungschef Berichten zufolge wenig später in einer Kabinettssitzung, um zu belegen, dass die Schuld am Scheitern eines Geisel-Abkommens nicht bei ihm, sondern allein bei der Hamas liege.
Die alte Frage «Cui bono?», also nach dem Nutzniesser der Leaks und Medienberichte, wäre damit geklärt. Längst nicht geklärt ist allerdings, ob vom verdächtigten Sprecher Eli Feldstein eine direkte Linie zu Netanyahu gezogen werden kann. Der Premier hat sich sogleich nach Kräften von Feldstein und diesem ganzen Vorfall distanziert.
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Dr. Peter Münch ist Korrespondent in Israel und berichtet aus Tel Aviv.Mehr Infos
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