Ein Sieg Trumps würde Deutschlands Versäumnisse offenbaren

Ein Sieg Trumps würde Deutschlands Versäumnisse offenbaren
Ein Sieg Trumps würde Deutschlands Versäumnisse offenbaren
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Deutschlands Regierung setzt alles auf einen Sieg von Kamala Harris. Das ist ein Fehler.

Harris und Scholz im vergangenen Jahr auf der Münchner Sicherheitskonferenz.

Thomas Kienzle / Reuters

Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», heute von Anna Schiller, Redaktorin NZZ Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.

Wenn es nach der deutschen Regierung geht, ist klar, wer die Wahl in den USA gewinnen soll: Kamala Harris. «Ich kenne sie gut. Sie wäre sicherlich eine sehr gute Präsidentin», sagte Kanzler Olaf Scholz über die Kandidatin der Demokraten. Aus der Abneigung gegenüber Donald Trump macht man in Berlin hingegen kein Hehl. Auch auf Nachfrage wollte sich Scholz lieber nicht zum Kandidaten der Republikaner äussern.

Die deutsche Regierung setzt alles auf einen Sieg von Harris. Einen Plan B hat sie anscheinend nicht. Das ist riskant.

Sollte Trump gewinnen, werden die Versäumnisse der deutschen Regierung schonungslos offenbart. Die Amtszeit Joe Bidens hätte sie nutzen müssen, um sich unabhängiger von den USA zu machen. Stattdessen hat sie die letzten vier Jahre verschlafen.

Scholz muss mehr Verantwortung übernehmen

Das gilt insbesondere für die deutsche Verteidigungspolitik. Deutschland hat die Bundeswehr vernachlässigt. Schliesslich konnte man sich stets auf die Schutzmacht USA verlassen. Doch Trump hält nicht viel von der Nato. Für die Ukraine hat er nur vage Pläne. Ob er ihr Waffen liefern würde oder sie finanziell unterstützen will, sagt er nicht. Scholz will nun wieder aufrüsten und den europäischen Pfeiler der Nato stärken, etwa durch das kürzlich geschlossene Verteidigungsabkommen mit Grossbritannien.

Aber das wird nicht reichen, sollten die USA unter Trump ihre Hilfen für die Ukraine reduzieren und sich weniger in der Nato engagieren. Scholz wäre dann Europas wichtigster Mann in Sachen Verteidigung – und müsste diese Führungsrolle auch ausfüllen. Bislang verhält er sich jedoch nicht so. Bei seinen Abwägungen geht es immer wieder auch darum, Putin nicht zu provozieren. Einen Zauderer an der Spitze kann sich Europa in Zeiten des Krieges jedoch nicht leisten.

Auch in der Wirtschaftspolitik hat die deutsche Regierung die Amtszeit Bidens nicht genutzt. Sie hat keinen Plan, wie Deutschland und Europa mit dem schrittweisen Abschied Amerikas vom Freihandel umgehen sollen. Trumps Strafzölle auf Stahl und Aluminium führte Biden fort. Die finale Einigung darüber haben die USA und die EU lediglich aufgeschoben. Und auch nach der Verabschiedung der Inflation Reduction Act, eines Subventionspakets für die amerikanische Wirtschaft in Milliardenhöhe, tat sich die deutsche Regierung nicht als Problemlöser in der EU hervor.

An Trump, der Zölle als Mittel zur Durchsetzung seines Willens versteht, würde sich Deutschland dann wohl erst recht die Zähne ausbeissen. Ihn kümmern europäische Befindlichkeiten noch weniger. In der EU bereitet man für den Fall der Fälle wohl schon Gegenzölle vor. Auf den Protektionismus reagiert man also mit mehr Protektionismus. Die Folgen wären auch für die deutsche Wirtschaft verheerend.

Jetzt könnte man natürlich sagen, dass all die Schwarzmalerei hinfällig ist, sollte Harris gewinnen. Das ist aber zu kurz gedacht. Harris wird den protektionistischen Kurs der USA wie auch schon Biden fortsetzen. Im Falle einer weiteren Eskalation im Nahen Osten oder falls China Taiwan angreift, könnte auch sie irgendwann gezwungen sein, Europa sich selbst zu überlassen. Deutschland wäre also auch im Falle eines Sieges der Demokratin gut beraten, sich endlich auf die neuen Realitäten einzustellen und entsprechend zu handeln.

Deutschland muss auch auf Trump zugehen

Dazu gehört auch, zu akzeptieren, dass es in den USA eine politische Strömung gibt, die Deutschland nicht mehr selbstverständlich als Partner sieht. Auch wenn Trumps politische Karriere einmal enden sollte, werden nicht plötzlich alle in den USA wieder zu überzeugten Transatlantikern. Die deutsche Regierung muss auch auf diese zugehen.

Dass sie das derzeit nicht tut, liegt natürlich auch an Trump selbst. Im Wahlkampf poltert er regelmässig gegen Deutschland. Taktik der deutschen Regierung kann es jedoch nicht sein, ihm ähnlich rüpelhaft entgegenzutreten wie etwa kürzlich das Auswärtige Amt auf der Plattform X.

Dort reagierte man äusserst dünnhäutig auf seine Äusserungen zum deutschen Kohleausstieg. «Like it or not», schrieb das Ministerium, an Trump gerichtet. Das deutsche Energiesystem sei voll funktionsfähig. Und in Anspielung auf seine erfundene Geschichte über haustieressende Migranten in der Stadt Springfield: «PS: Wir essen auch keine Katzen und Hunde.»

Andere Regierungen sind hingegen bereits jetzt darum bemüht, sich gut mit Trump zu stellen. Der britische Premierminister Keir Starmer traf sich etwa Ende September für zwei Stunden mit ihm im Trump Tower in New York. Der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe, der im Jahr 2022 erschossen wurde, überzeugte Trump seinerzeit beim Golfspielen von seinen Ideen.

Die deutsche Regierung muss Trump nicht gleich, wie Abe es gemacht hat, für den Friedensnobelpreis nominieren. Aber zur Zeitenwende könnte es auch gehören, dass im Weissen Haus vielleicht künftig wieder jemand sitzt, den man nicht unbedingt einen Freund nennen würde.

Von der deutschen Regierung darf man deshalb erwarten, dass sie sich auch mit Trump um gute Beziehungen bemüht. Schliesslich findet sie selbst mit Autokraten Kompromisse, wenn es sein muss. Deutschland hat Russlands Präsidenten Wladimir Putin lange hofiert, und das Kanzleramt ist sehr an einem guten Draht zu China und dessen Staatschef Xi Jinping interessiert. Beide sind lupenreine Autokraten, die sich nicht im Geringsten um Menschenrechte scheren. Verglichen mit ihnen ist Trump harmlos.

Umso unverständlicher ist es, dass die deutsche Regierung hier mit zweierlei Mass misst. Politisches Handeln von persönlicher Sympathie abhängig zu machen, ist nicht in Deutschlands Interesse.

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