Wem gehört die Oltner Altstadt?

Wem gehört die Oltner Altstadt?
Wem gehört die Oltner Altstadt?
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Wem gehört die Oltner Altstadt?

Oltner Stadthistoriker schlägt vor: «Grosse Liegenschaften aufspalten, um kleinen Unternehmen wieder eine Chance zu geben»

Martin Eduard Fischer war 30 Jahre lang Stadtarchivar und veröffentlichte zahlreiche Publikationen zur Oltner Stadtgeschichte. Viele Auffälligkeiten beim Immobilienbesitz in der Altstadt lassen sich historisch erklären. Der 86-Jährige weiss, wieso es kaum grosse Investoren gibt und weshalb die Kirche aus der Altstadt verschwand.

In der Solothurner Altstadt sind weniger als die Hälfte der Liegenschaften in privaten Händen. Die Oltner Altstadt ist hingegen zu zwei Dritteln im Besitz von Privatpersonen. Wie ist das zu erklären?

Das mittelalterliche Städtchen ist über den Grundmauern des römischen Kastells an der Heeresstrassse von Aventicum nach Vindonissa entstanden. Vermutlich zur Sicherung des Aareübergangs. Es war eine kleine Anlage. Deshalb konnte man die Altstadt nicht einfach beliebig grösser machen. Sie hatte nie mehr als 72 Häuser. 1592 beschloss die Gemeindeversammlung, dass jeder, der in Olten Bürger werden wollte, ein Haus oder einen Anteil an einem Haus besitzen müsse. Deshalb wurde praktisch jeder Ökonomiebau in der Stadt zu einem Wohnhaus gemacht, sogar die Scheunen und Gebäude ausserhalb der Stadtmauern. Die Gebäude wurden immer höher, bis sie sogar die Stadtmauern überragten. Die Liegenschaften wurden zum Teil regelrecht miniaturisiert, um noch mehr Platz zu schaffen. Es gab sogar Bürger, die hatten nur Anrecht auf ein Zimmer im Estrich.

Martin Eduard Fischer.

Bild: zvg

Wie ging es dann weiter?

Diese Entwicklung dauerte bis zur Französischen Revolution. Danach verliessen die reicheren Bürger die Altstadt und bauten ihre Häuser ausserhalb. So erfuhr die Altstadt eine Abwertung. Leerstehende Häuser wurden von aufstrebenden Firmen aufgekauft. Das Eisenwarengeschäft von Viktor Meyer belegte zu Spitzenzeiten elf Liegenschaften. Oder das ehemalige Kaufhaus von Felbert, wo heute die Fielmann-Filiale drin ist. Dieses Gebäude bestand früher aus vier Wohnhäusern, bis diese um 1930 zu dem einen Kaufhaus vereint wurde. Sobald ein kleines Haus zu verkaufen war, haben es sich die Firmen geschnappt, weil Private kein Geld dafür hatten. Als es mit den Geschäften nicht mehr so gut lief, hat sich das wieder gedreht. Heute ist das Wohnen in der Altstadt ein begehrter Luxus.

In der Solothurner Altstadt gibt es gleich drei Kirchen, in Olten keine. Weshalb?

Natürlich hatte auch Olten früher eine Kirche in der Altstadt. Sie stand zwischen dem Ildefonsturm und der alten Kaplanei. 1844 war sie aber derart baufällig, dass man beschloss, sie abzureissen. Schon zuvor, zwischen 1806 und 1813, wurde allerdings die heutige Stadtkirche direkt ausserhalb des Altstadtkerns gebaut. Etwas war übrigens besonders.

Was meinen Sie?

Die neue Stadtkirche hatte aus Kostengründen nur zwei kleine Holztürme. Diese waren mit Blech verkleidete Holzkonstruktionen. Anfangs konnte man sich auch keine Glocken dafür leisten. Als man die alte Stadtkirche in der Altstadt abriss, liess man den Stadtturm stehen, weil daran die einzige öffentliche Uhr war und im Turm noch die alten Glocken hingen. Die Gottesdienste in der neuen Kirche wurden jeweils mit den Glocken im Stadtturm eingeläutet.

Bis 1844 stand auf dem Platz zwischen dem Ildefonsturm und der Kaplanei (rechts) die alte Stadtkirche.

Bild: Bruno Kissling

Heute fällt auch auf, dass die Einwohner- und die Bürgergemeinde in der Altstadt kaum vertreten sind. Gibt es dafür auch eine historische Erklärung?

Nun, man muss wissen, dass es diese Unterscheidung früher gar nicht gab. Früher waren die Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinde ein und dasselbe – die Gemeinde Olten. Erst während des Kulturkampfes im 19. Jahrhundert kam es zur Trennung von Kirche und Staat. Und bis 1875 waren auch Einwohner- und Bürgergemeinde noch eine Einheit. Erst als sich diese trennten, stellte sich die Frage, wem was zustehe. Da die Bürgergemeinde für die Armen zuständig war, erhielt sie das Armenhaus in der südwestlichen Ecke der Stadt. Für die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben erhielt die Einwohnergemeinde das damalige Stadthaus. Heute befindet sich dort die Stadtbibliothek.

Olten war über drei Jahrhunderte lang Untertanenstadt der Solothurner. Heute besitzt der Kanton aber keine einzige Liegenschaft in der Altstadt. War das immer so?

Nein, zur Solothurnerzeit gehörten dem Staat drei Gebäude. Seit 1461 setzte Solothurn in Olten den Schultheissen ein, der zum Rechten schaute. Für ihn erwarb die Stadt 1517 das Haus am Bögli, wo sich heute das Geschäft Goldschmied Brunner befindet. Weil es dem Schultheissen zu klein wurde, tauschte es die Regierung um 1650 gegen das heutige Restaurant Kreuz. Ein letztes Mal zügelte der Schultheiss dann an die Kirchgasse ausserhalb der Altstadt. Dem Staat gehörte früher zudem noch das Haus des Landschreibers neben der heutigen «Suteria». Als Olten ab 1819 wieder das Stadtrecht zurückerhielt, gab es für den Staat keinen Grund mehr, in der Altstadt zu bleiben.

Die Oltner Altstadt scheint kein Anziehungspunkt für Investoren zu sein, es gibt kaum grosse Renditeobjekte. Was ist der Grund dafür?

Olten war immer ein Ort von Leuten, die arbeiten mussten. Das Städtchen ist mickrig im Vergleich zum herrschaftlichen Solothurn. Dort konnte man es sich leisten, gross zu bauen und von den Zinsen zu leben. Olten ist als Kleinstadt gewachsen, aber immer eine geblieben. Die so entstandene Struktur ist heute nichts für grosse Geschäfte. Alleine schon, weil man dafür mit dem Auto Zugang haben müsste.

Dennoch schätzen Sie die Oltner Altstadt so, wie sie ist. Was wünschen Sie sich für sie?

Die Altstadt sollte man möglichst gut erhalten und Sorge zu dem tragen, was noch übrig ist vom alten Kern. Der heutige Ladenmix mit den vielen Brillen- und Jeansläden ist allerdings nicht sehr ausgewogen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass man die grossen ehemaligen Geschäftsliegenschaften an der Hauptgasse wieder aufspalten würde, um so kleineren Unternehmern eine Chance zu geben.

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