Angela Merkel nahm bei “Maybrit Illner” zu den “Erblasten” aus ihrer Ära Stellung. Eine Entschuldigung für ihre Russland-Politik wollte sie nicht aussprechen.
Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm bei “Maybrit Illner” zu den oft zitierten “Erblasten” aus ihrer Ära Stellung. Eine Entschuldigung für ihre Russland-Politik wollte sie nicht aussprechen.
- Angela Merkel, Bundeskanzlerin a. D. (CDU)
Im Rahmen der Veröffentlichung ihrer eben erschienenen Memoiren “Freiheit” stellte sich Angela Merkel bei “Maybrit Illner” am Donnerstagabend Fragen zu den drei großen Themenkomplexen Energiekrise, Ukraine-Krieg und der Flüchtlingskrise 2015. Dabei rechtfertigte sie ihre heute selbst in ihrer Partei oft umstrittenen politischen Entscheidungen.
Gleich zu Beginn der Sendung gestand Merkel ein, für eines der großen Problemfelder unserer Zeit während ihrer Kanzlerschaft keine Lösung gefunden zu haben. “Ich habe bis zum Ende meiner Amtszeit auf das menschenbedrohende Thema Klima keine entscheidende Antwort gefunden. Es bleibt das Gefühl, dass mehr geschehen muss. In Deutschland und auch weltweit”, konstatierte sie.
Dass der Ausstieg aus der Atomenergie in Anbetracht der Energiekrise rückblickend ein Fehler war, verneinte Merkel. Der Ausstieg aus der Kernenergie sei der Katastrophe in Fukushima geschuldet gewesen: “Ich habe das Reaktorunglück in Tschernobyl, auf sowjetische Schlamperei zurückgeführt. Aber dass in einem hoch entwickelten Industrieland wie Japan etwas so Unwahrscheinliches passiert wie in Fukushima, das hatte ich mir nicht vorstellen können. Das hat für mich dazu geführt zu sagen, wir nehmen die Verlängerung der Laufzeiten, wieder zurück.” Eine Rückkehr zur Atomenergie sei für sie nicht empfehlenswert.
Merkel sprach sich außerdem für eine Reformierung der Schuldenbremse aus. Bei deren Einführung habe sie seinerzeit aus voller Überzeugung mitgewirkt, da Deutschland zu Zeiten der Finanzkrise sehr hohe Schulden hatte. Heutzutage halte sie keinesfalls eine Abschaffung, dafür aber eine Überarbeitung der Schuldenbremse für notwendig. “Wir stehen unter einem großen, großen Investitionszwang, weil wir gleichzeitig die Verteidigungsausgaben massiv erhöhen müssen. Wir müssen den Umstieg zu CO2-freien Technologien schaffen.” Man sei technologisch im Vergleich zu anderen Weltregionen im Rückstand – darin müsse investiert werden. Das Geld dürfe allerdings nicht für Sozialausgaben verwendet werden.
Mit Ratschlägen an die Bundesregierung hielt sich Merkel mehrfach zurück. “Also da traue ich erst mal der Weisheit derer, die heute Verantwortung tragen, und gebe da jetzt hier von der Seitenlinie keine Tipps”, so die Politikerin, die aber auch zur “Einigkeit unter den Akteuren” mahnte.
Einen großen Teil der Sendung nahm das Thema Ukraine-Krieg ein. Merkel argumentierte, warum sie 2008 einen schnellen Nato-Beitritt der Ukraine ablehnte. Es sei die “fatale Angst vor Putin” gewesen, die den ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und sie “damals getrieben habe”. Die Ukraine hätte während des sogenannten “Membership Action Status”, der erfahrungsgemäß vier bis fünf Jahre dauere, keinen Nato-Schutz gehabt – und die Sorge war groß, dass Putin “dies nicht tatenlos passieren lassen würde”.
Merkel hält ihre Entscheidung im Nachhinein für richtig, wie sie sagte. Eine Entschuldigung für eine verfehlte Russland-Politik, wie sie etwa von Präsident Frank-Walter Steinmeier ausgesprochen wurde, kommentierte Merkel mit den Worten: “Ich entschuldige mich nur für Dinge, bei denen ich wirklich im Nachhinein der Meinung bin, sie waren zu einem bestimmten Zeitpunkt falsch getroffen.” Als Beispiel hierfür nennt sie die Osterruhe während der Corona-Zeit. “Aber ich muss mich doch in die Frage der Zeit, in der ich entschieden habe, hineinversetzen”, so Merkel.
Die Kanzlerin a.D. sprach auch über einen interessanten Satz, den der russische Machthaber zu ihr gesagt habe: “Du wirst nicht ewig Bundeskanzlerin sein, und dann werden sie Natomitglied. Und das will ich verhindern”, so Putin einst zur Merkel.
Die durchaus provokante Anmerkung Illners, Putin habe sich auf Merkel verlassen, verneinte diese jedoch vehement: “Nein, nein, nein. Das bestreite ich, dass er sich auf mich verlassen hat. Denn ich habe ja auch in dem gleichen Kommuniqué gesagt, die Ukraine wird eines Tages auch Nato-Mitglied sein. Es ging ja nicht um ein russisches Veto.”
Putin habe die Nato spalten wollen. Corona habe die diplomatische Situation in dieser Angelegenheit deutlich erschwert.
Einen Ratschlag an ihren Nachfolger Olaf Scholz über die weitere Vorgehensweise im Ukraine-Krieg wollte sie ebenfalls nicht abgeben: “Ich unterstütze das, was die Bundesregierung tut, und werde mich jetzt hier nicht im Fernsehen kritisch dazu äußern. Und alle anderen Diskussionen müssen unter den heute Agierenden stattfinden.”