Den Zauber des Films auch ohne Leinwand einfangen? Ein Neujahrskonzert als Pioniertat
Das City Light Symphony Orchestra stellt sich mit seinem Neujahrskonzert neu auf. Müssen wir es jetzt mit den anderen klassischen Orchestern messen? Nein, denn es punktet mit seinen eigenen Stärken.
Aha, wieder ein Neujahrskonzert. Im KKL und in allen Konzertsälen des Landes gibt es derzeit nichts Ungewöhnliches. Doch für das City Light Symphony Orchestra ist das Konzert am Freitagabend ein Novum. Basierend auf Antonín Dvořáks neunter Symphonie „Aus der neuen Welt“ kreiert das Orchester unter der Leitung von Kevin Griffiths ein symphonisches Programm, in dem Filmmusik ausnahmsweise nur eine Nebenrolle spielt.
Dass sich das Ensemble, das aus den anderen Luzerner Filmmusikorchestern hervorgegangen ist, nicht nur auf John Williams, Howard Shore und Co. beschränkt, zeigt sich regelmäßig in gemischten Programmen, etwa in der „HD Odyssey“-Trilogie, in der Bilder der NASA mit Film kombiniert werden Musik, Prokofjew oder Strauss wurden kombiniert, in Best-of-Programmen aus Videospielen oder in Zusammenarbeit mit Popstars.
Auch Geschäftsführer Pirmin Zängerle weist auf den Pioniercharakter dieses Konzerts hin. Das Orchester möchte hier unbedingt Werke aus der „Neuen Welt“ präsentieren, nicht in erster Linie Filmmusik. Die Suite aus John Williams‘ Filmmusik zu „Lincoln“ übernimmt eher eine Füllrolle, während die symphonischen Tänze aus „West Side Story“ von Leonard Bernstein und der „Cuban Overture“ (die Ouvertüre gibt es hier am Ende) von Nach der Symphonie sind die Hauptwerke George Gershwins. Ziel ist es, den Zusammenhang zwischen klassischem Repertoire und Filmmusik aufzuzeigen.
Poolbelegung und wenig Zeit zum Durchatmen
Unabhängig davon, was hinter dem Programm steckt, ist das Konzept ansprechend. Im fast ausverkauften KKL wagt sich das Orchester in die berüchtigte Neunte. Damit reiht es sich in der Domäne etablierter klassischer Formationen wie den Festival Strings, dem Lucerne Festival Orchestra oder dem Luzerner Sinfonieorchester ein. Und gerade bei den Blechbläsern kann es wegen der Poolbesetzung ins Stolpern kommen: Eine Auswahl meist starker Solisten, die in ständig wechselnden Besetzungen zusammenspielen, wirkt weniger harmonisch.
Die Betonung der Zielnoten nach Läufen dient dazu, zusammenzuhalten, zum Nachteil der größeren Linie, Übergänge haben viel Vorwärtsdrang, anstatt sich Zeit für Magie zu nehmen. Der Versuch, die Aufführung aufzuhalten, scheitert am Applaus zwischen den Sätzen. Ein Gefühlsausdruck eines interessierten Publikums, den Dirigent Griffith später im Konzert mit erhobenem Zeigefinger und charmantem Lächeln unterbricht. Es fehlt also der Beweis, aber die Tempi wirken schnell, den Soli folgt fast atemlos die nächste Passage. Das mag Geschmackssache sein, aber ich bin außer Atem.
Dennoch sind die großen dynamischen Gesten, die die Bässe voll ausnutzen, der Respekt vor den Mittelstimmen im Gleichgewicht, die energisch und aktiv spielenden Streicher, die den Blechbläsern – die in diesem anspruchsvollen Programm stark gefordert sind – locker Paroli bieten können angenehm. Und gleich am Ende wird klar, wo all die Zeit steckt, die in den ersten Sätzen fehlte: Griffiths legt den Zauber ins Finale, das eine noch größere Wirkung entfaltet, als es ohnehin schon in der Partitur steht.
Macht dem Namen eines Showorchesters alle Ehre
Ein gutes Omen für die folgenden Werke, die wahr wurden. Bei den „West Side Story“-Snacks kann City Light seine Stärken ausspielen. Hier arbeiten die rund 80 Musiker wie Zahnräder, die ineinandergreifen. Percussion, perkussive Streicher, agile Blasinstrumente und Extrageräusche wie kollektives Knacken und das lauteste „Mambo“, das ich je von einem Orchester im gleichnamigen Satz schreien hörte, machen das ganze Werk zu einem Vergnügen. Man schwelgt in „Somewhere“, gerät in den turbulenten Großstadtdschungel, rumpelt mit Schwung durch die Chromatik von „Cool“ und freut sich über den begeisterten Applaus des Publikums. Das wäre ein schöner Abschluss gewesen.
Doch die obligatorische Filmmusik fehlt noch. In einer Ansprache an das Publikum betonte Griffiths noch einmal, dass es sich grundsätzlich um ein Filmmusikorchester handele. Aber: „Wir haben den Eindruck, dass große symphonische Musik zu uns passt und uns Freude bereitet.“ In „Getting out the Vote“ aus Williams‘ „Lincoln“-Suite kann man ein flottes Bluesgrass-Geigensolo von Konzertmeister David Castro-Balbi genießen, bevor es mit Gershwins „Cuban Overture“ zum Schluss geht. Und ja, ja. Hier seufzt man endlich über die schönen Linien und die blumigen Öffnungen. Ein versöhnliches Ende. Und dann punktet Griffiths mit typischem Crowdwork in der Zugabe. Schnell trainiert er die Stimmen der rund 2.000 motivierten Menschen im Publikum. Statt eines Neujahrsgrußes endet der Abend mit einem weiteren ohrenbetäubenden „Mambo!“