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72 Stunden nach Trump-Anruf startet Putin Großoffensive – Experte erklärt, warum

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Er würde nur 24 Stunden brauchen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden, sagte Donald Trump, ehemaliger und seit vergangener Woche wiedergewählter Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Wie genau er das bewerkstelligen will, lies er offen. „Ich kann euch diese Pläne nicht aufzeigen. Denn wenn ich dies tun würde, würde ich sie nicht verwenden können“, so Trump.

Ob sein Anruf bei Wladimir Putin am Donnerstag Teil seines Plans war: ungewiss. Medienberichten zufolge hat der designierte US-Präsident dem Kreml-Chef empfohlen, den Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zu eskalieren.

Trump habe auch auf die US-Militärpräsenz in Europa verwiesen. Auch sei es um das Ziel gegangen, Frieden in Europa zu erreichen. Kreml-Sprecher Peskow hat ein Gespräch zwischen Trump und Putin mittlerweile dementiert.

Auf Trump-Anruf: „Würde mich nicht wundern, wenn Putin mit Eskalation antwortet”

Militärexperte Gustav Gressel vom European Council on Foreign Relations (ECFR) ordnet die Lage in der Ukraine für FOCUS online ein. „Es wundert mich nicht, wenn Putin auf Trumps Anruf und Warnung vor einer Eskalation mit einer Eskalation antwortet, um zu zeigen: ‚Du hast mir hier nichts zu befehlen.‘“ Sollte Trump daraus dann keine Konsequenzen ziehen, hätte er bei Putin gleich sein Gesicht verloren.

Über die Verhandlungs- und Vermittlungspläne, die Trump – und auch Bundeskanzler Scholz – vorgeben, zu verfolgen, könne er nur den Kopf schütteln, sagt Gressel. Man müsse sich nur die logische Frage stellen: „Warum soll Putin, der jetzt schon so viel in diesen Krieg investiert hat, aufgeben, nur weil der Westen keine Lust mehr hat?“

Natürlich werde Putin offen sein, einen „Verhandlungsprozess“ ohne Vorbedingungen zu beginnen. „Aber dann wird er – wie im Minsker Prozess – den Vorgang mit allen Mitteln verschleppen und in der Zwischenzeit militärisch erreichen, was er ohnehin militärisch erreichen wollte.“

„Erst muss es für Putin an der Front aber bergab gehen, und das tut es nicht“

Zu ernsthaften Verhandlungen könne man Putin nur bringen, wenn er das Gefühl habe, dass die Bedingungen später für ihn schlechter werden. „Dazu müsste es für ihn an der Front aber bergab gehen, und das tut es nicht“, betont Gressel. Wie man dieses Momentum kippt, darauf hätten westliche Politiker keine Antwort parat – weder Trump noch Biden.

Auf Deeskalation stehen die Zeichen auf dem Schlachtfeld jedenfalls aktuell nicht. Im Gegenteil: Putin hat über 50.000 Soldaten um das von der Ukraine besetzte russische Gebiet Kursk zusammengeschart – darunter auch Soldaten aus Nordkorea, „Kanonenfutter“, wie Gressel sagt.

Der Schweizer Militärexperte Albert Stahel sieht in dem gemeinsamen Aufmarsch russischer und nordkoreanischer Soldaten eine Art PR-Aktion für Putin. „Mit dieser Show will er der russischen Bevölkerung demonstrieren, dass Russland nicht nur politische, sondern auch militärische Verbündete hat.“ Der Experte erwartet nun eine Reaktion Südkoreas: „Die Südkoreaner werden der Ukraine schwere Waffen liefern. Ihre Panzerproduktion ist ausgezeichnet.“

Die Ukraine erwartet in Kursk einen baldigen Angriff.

Russland hat zudem ein Verteidigungsabkommen mit Nordkorea offiziell in Kraft gesetzt, das militärische Unterstützung im Falle eines Angriffs und eine enge Kooperation gegen westliche Sanktionen vorsieht. Nordkorea unterstützt laut US- und ukrainischen Angaben die russische Offensive in der Ukraine, indem es über 10.000 Soldaten in die russische Region Kursk entsandte und Munition liefert.

Zudem startete Putin nur 72 Stunden nach dem Trump-Anruf eine Großoffensive auf die Ukraine. Im ganzen Land herrschte Luftalarm. Mindestens sechs Menschen wurden vom Raketenwagen getötet, Städte und Infrastruktur einmal mehr verwüstet.

„Jeden Winter startet Russland im Herbst seine großen Angriffswellen”

Die derzeitigen Angriffe seien aber im Prinzip nichts Unerwartetes, ordnet Gressel ein. „Jeden Winter startet Russland im Herbst – meist Mitte Oktober – seine großen Angriffswellen gegen die ukrainische Energieinfrastruktur.“ Gestern etwa seien russische Mig31-Abfangjäger mit Kinshal-Raketen aufgestiegen und Bomber über dem Kaspischen Meer geflogen.

Stahel sieht indes drei Gründe für die russische Intensivierung der Kriegsführung:

  • Erstens: Putin wolle die aktuelle vorteilhafte Lage auf dem Kriegsschauplatz zu seinen Gunsten ausnutzen;
  • Zweitens: Gleichzeitig wolle er die Schwäche der ukrainischen Streitkräfte – zu wenig Reserven – ausnutzen;
  • Drittens: Da noch unklar sei, wie sich der Amtsantritt der Trump-Administration auf den Krieg auswirken wird, wolle Putin die Situation ausnutzen, die jetzt durch die Schwäche der Biden-Administration und die innenpolitische Lage in Deutschland bestimmt wird.

Die Wahl von Trump sei jedoch für Putin suboptimal, meint Stahel gegenüber FOCUS online. „Er hätte lieber die schwache Harris als Kontrahentin gehabt. Bei ihrer Wahl hat er vermutlich auf Unruhen in den USA, die durch die Trump-Anhänger ausgelöst worden wären, gehofft.“

Dass es erst jetzt im November zu den Großangriffen kommt, liege laut Gressel dran, dass es zwischen der Ukraine und Russland Verhandlungen über einen partiellen Waffenstillstand gab. Der Inhalt: Die Ukraine beschießt keine russischen Raffinerien mehr, und Russland schießt nicht mehr auf die Energieinfrastruktur der Ukraine.

Die Folge: Im Sommer versuche Russland noch schnell alle ukrainischen Kraftwerke zu zerstören, sagt Gressel. „Und wenn dann der Waffenstillstand kommt, ist sowieso schon alles kaputt.“ Im Sommer habe Russland also relativ viele Kinshal-Raketen verschossen und braucht dementsprechend jetzt länger, um genügend Marschflugkörper für die nächsten großen Angriffswellen zusammenzubekommen.

Lage in Kursk: „‚Halten um jeden Preis‘ gibt es nicht in Kursk“

Und auch in Kursk könnte laut Gressel der Rückzug drohen: „‚Halten um jeden Preis‘ gab es (leider) in Avdiivka oder Bachmut, aber nicht in Kursk“, sagt er. Die Ukrainer hätten das Gebiet um Kursk bisher nie so hartnäckig verteidigt wie Teile ihres eigenen Territoriums. „Man zog sich zurück, wenn es zu schwierig wurde.“

Die Großoffensive auf Kursk war nur eine Frage der Zeit. Für Putin steht hier viel auf dem Spiel. „Er dürfte mit der erfolgreichen Kriegführung der Ukrainer im Kriegstheater Kursk bisher in Russland an Ansehen verloren haben“, sagt Stahel. Deshalb wolle er nun unbedingt die ukrainischen Streitkräfte wieder hinausdrängen. „Dies könnte aber angesichts der starken Kräfte der Ukrainer im Kriegstheater Kursk misslingen.“

Aus rein militärischer Sicht, erklärt Gressel, würde man in Kursk bleiben, solange man den Russen aus guten Positionen (das Gelände ist gut zu verteidigen) hohe Verluste zufügen kann, und sich zurückziehen, wenn der Druck zu groß wird.

Doch damit seien zwei Probleme verbunden. Erstens: den richtigen Zeitpunkt für den Rückzug zu finden. Und zweitens, politische Interventionen für ein „Halten um jeden Preis“ abzuwehren.

Mit der Wahl von Trump sei aber der politische Wert von Kursk als Faustpfand gestiegen: Denn: „Mit Trump ist vieles unsicherer als vorher“, sagt auch Gressel. Dennoch bleiben schwere Fragen für die Ukrainer und den Westen offen: „Wie viele nicht ersetzbare Ressourcen will man in ein Faustpfand investieren? Für wie lange? Und wie hoch sind die Opportunitätskosten im Osten?“

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