Der Co-Direktor des Meinungsforschungsinstituts gfs.bern, Lukas Golder, glaubt, dass das Vertrauen in die Schweizer Regierung stark gesunken sei.
Benjamin Rosch / ch media
Lukas Golder, das Vertrauen der Schweiz in ihre Regierung ist auf einem historischen Tiefpunkt. Wofür?
Lukas Golder: Für mich markierte das Ja zur 13. AHV-Rente einen Wendepunkt. Seitdem kämpfen Bundesrat und Parlament darum, in den Umfragen wieder Boden gutzumachen. Wir haben den Eindruck, dass der Bundesrat die Sorgen der Bevölkerung kaum versteht. Das Scheitern der LPP-Reform markiert die nächste große Niederlage in dieser Rückschlagserie.
„Der Rechenfehler bei der Finanzierung der AHV hat die Situation nur verschlimmert“
Der Politikwissenschaftler Lukas Golder vom GFS-Institut beobachtet eine Vertrauenskrise im Bundesrat.Bild: Schlussstein
Wenn wir uns Ihre Grafik ansehen, sehen wir, dass der Vertrauensverlust bereits im Dezember 2021 begann, mehr oder weniger am Ende der Pandemie. Welche Auswirkungen hatte Covid?
Das Faszinierende ist, dass Covid als verbindendes Element fungierte. Die Bevölkerung hat sich tatsächlich hinter die Entscheidungen der Regierung gestellt. Das Krisenmanagement hat polarisiert, aber viele haben die Regierung gut bewertet. Mit dem Ende der Maßnahmen begann diese Unterstützung jedoch zu bröckeln. Die heute bestehende Konkordanz hat nicht mehr die einigende Wirkung dieser Zeit.
Nehmen Menschen die Covid-Maßnahmen heute anders wahr?
Nein, ihre Akzeptanz war und ist hoch. Doch bald darauf gingen die Interessen erneut auseinander: Der Bundesrat musste die Credit Suisse retten, die globale Lage wurde unsicherer und die Migrationsfrage gewann an Dynamik. Hinzu kommt die Sorge um die Sozialversicherung. Auch die Sparmassnahmen des Bundesrates tragen nicht zur Popularität bei.
Gab es bereits vor der Pandemie ein Misstrauen gegenüber dem Bundesrat?
Eine Zeit ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Die Entlassung von Christoph Blocher löste eine schwere Vertrauenskrise aus, die noch lange anhielt, auch nach der Rückkehr der SVP mit zwei Sitzen im Bundesrat. Letztere galt nicht mehr als kollegiale Einrichtung.
Regierungsskepsis war damals eher ein rechtes Phänomen. Und jetzt?
Das ist neu: Wir erleben eine Vertrauenskrise der Linken, die durch ein Parlament, das wenig mit der öffentlichen Meinung übereinzustimmen scheint, noch verschärft wird. Ein gutes Beispiel sind die beiden Mietinitiativen: Die Mobilisierung der Linken gegen diese Projekte spielt eine wichtige Rolle.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen den Mietinitiativen und der 13. AHV-Rente?
Die Mobilisierung gegen Mietinitiativen spiegelt einen Teil der Bevölkerung wider, für den die Kaufkraft von entscheidender Bedeutung ist und der sich in der Rentendiskussion vernachlässigt fühlt. In diesem Jahr entspricht die PS dem Volkswillen, ein in der Schweiz beispielloses Phänomen.
Und das Zentrum?
Dies ist auch Teil der Konkordanzkrise: Das Zentrum und die PLR konkurrieren um die Macht, was kein Vertrauen schafft. Der Bundesrat agiert weniger als Kollegialorgan, wobei sich jedes Mitglied auf sein Ressort konzentriert.
Am 24. November stimmt die Schweiz über vier Gesetzentwürfe ab. Bei allen vier Punkten ist ein Trend in Richtung NEIN zu erkennen, auch wenn nicht alle davon abgelehnt werden. Werden Bundesrat und Parlament an der Urne bestraft?
In gewisser Weise ja. Im Falle einer Vierfachniederlage wäre eine Neubewertung der Lage nötig. Es ist jedoch zu beachten, dass der Bundesrat Mietinitiativen nur gemischt und unter dem Zwang des Parlaments verteidigt. Ein Ja bleibt für alle Projekte möglich, insbesondere dank des Engagements der betroffenen Bundesräte Albert Rösti und Elisabeth Baume-Schneider, insbesondere für den Autobahnausbau und die einheitliche Finanzierung der Gesundheitskosten.
Aus dem Deutschen übersetzt und adaptiert von Tanja Maeder