Der Bericht der parlamentarischen Untersuchungskommission zum Untergang der Credit Suisse ist mit Spannung erwartet und zugleich gefürchtet.watson/getty/keystone
Der Untergang der Credit Suisse am 19. März 2023 hat rechtliche Konsequenzen, die die Schweiz im In- und Ausland auf eine harte Probe stellen.
Daniel Zulauf / ch media
Der Bericht der Parlamentarischen Untersuchungskommission (CEP) weckt große Erwartungen. Dieses voraussichtlich noch vor Weihnachten erscheinende und rund 500 Seiten umfassende Dokument wird von einer bestimmten Gruppe von Verlierern der Credit Suisse mit großer Spannung erwartet.
Dabei handelt es sich um die Gläubiger, deren Verbindlichkeiten die Pleitebank an diesem denkwürdigen Sonntag, dem 19. März 2023, vollständig erlassen hatte. Sie hatte auf Anordnung der Finanzmarktaufsicht (Finma) gehandelt, die ihrerseits durch eine geheime Eilverfügung dieselbe gestützt hatte Tag durch den Bundesrat.
Das Kapital, das die Credit Suisse dank dieser „Additional Tier 1“- oder „AT1“-Anleihen aufgenommen hat, beläuft sich auf 16 Milliarden Franken. Dieser Betrag wurde letztlich mit einem Federstrich auf null reduziert.
Eine „nutzlose“ Rettung
Rund 2.500 Geschädigte reichten innerhalb von 30 Tagen nach Unterzeichnung der Übernahme Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in St. Gallen ein. Mehr als tausend von ihnen lassen ihre Interessen von der internationalen Anwaltskanzlei Quinn Emanuel Urquart & Sullivan vertreten. Hauptverantwortlicher für die Beschwerden von CS-Opfern ist der Schweizer Anwalt Thomas Werlen.
Thomas Werlen leitet die Prozessführung für Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan.Image:zvg
Die Position der Kläger ist bekannt: Sie bestreiten mit diesem Argument die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Verpflichtungen die notwendigen Bedingungen, wie sie in den Emissionsprospekten der AT1-Anleihe festgelegt sind, waren am 19. März 2023 nicht erfüllt. Das von der Credit Suisse deklarierte Eigenkapital war, wie von den Behörden bestätigt, zu keinem Zeitpunkt unter den kritischen Schwellenwert gesunken, der die vertragliche Aufhebung der Verpflichtungen auslöste. Zudem verfügte die Credit Suisse nach der Finanzspritze von 50 Milliarden Franken durch die Nationalbank am 15. März 2023 über ausreichend Liquidität.
Die Kläger verlangen daher die Aufhebung des Finma-Entscheids vom 19. März. Die Finanzmarktaufsicht betonte ihrerseits, dass die der CS gewährte staatliche Unterstützung die vollständige Aufhebung der AT1-Verpflichtungen notwendig gemacht und eine Stärkung der Eigenmittel der Bank ermöglicht habe. Die Argumente der Streitparteien mögen für den Uneingeweihten wie Nettigkeiten erscheinen. Schließlich, Diese Tage im März waren vom totalen Chaos auf dem Schweizer Finanzplatz geprägtUnd niemand wird bestreiten, dass viele verängstigte Kunden ihre Konten bei der CS geschlossen haben, um ihr Geld auf der Suche nach Sicherheit an eine andere Bank zu überweisen.
Allerdings ist eine Vertrauenskrise, wie Finanzministerin Karin Keller-Sutter zu Recht diagnostizierte, nicht unbedingt ein „Trigger Event“ (ein vertraglich definiertes Ereignis, das die Anwendung der Kündigungsklausel auslöst).
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist derzeit anhängig. Die Antwort von Finma und UBS auf die Klage liegt dem Gericht vor und wartet seit einiger Zeit auf die Zustellung an die Kläger.
Handeln im „öffentlichen Interesse“
In diesem Zusammenhang sollte die Finma den von den Klägern angefochtenen Entscheid unter Berufung auf das öffentliche Interesse verteidigen. Tatsächlich befanden sich die Finanzwelt und die Finanzminister vieler großer Länder zu dieser Zeit in völliger Aufregung. Ein Absturz der Credit Suisse hätte das Vertrauen der Kunden anderer Banken gefährden und eine neue Finanzkrise auslösen können, heißt es in Befürchtungen.
Im Bundeshaus gingen besorgte Anrufe aus Washington, Paris, London, Berlin und wahrscheinlich auch anderen Finanzministerien ein. Eine Übernahme durch die UBS, die der Panik über Nacht ein Ende gesetzt hätte, schien die von allen favorisierte Lösung zu sein.
Der schwere Marsch vom 19. März 2023 zur Rettung der Credit Suisse: Thomas Jordan, Karin Keller-Sutter und Alain Berset.Bild: Schlussstein
Die Kläger behaupten dies jedoch Aufgrund der Kapital- und Liquiditätsausstattung der Credit Suisse war die Übernahme nicht notwendig. Kommt das Bundesverwaltungsgericht dennoch zum Schluss, dass der Entscheid der Finma notwendig und rechtmäßig war, sollen die Gläubiger für ihre staatlich angeordnete Enteignung entschädigt werden. So heißt es im Hilfsantrag der Klage.
Auch Thomas Werlen und seine Firma reichen in New York eine Enteignungsklage ein seit Juni dieses Jahres. Am Dienstag wurde bekannt, dass der große US-Vermögensverwalter Alliance Bernstein sich der Klage angeschlossen hatte und eine Entschädigung in Höhe von 225 Millionen US-Dollar forderte. Es ist wahrscheinlich, dass dieser prominente Name unter den Klägern nun weitere namhafte Akteure dazu bewegen wird, sich der Klage anzuschließen.
Das Southern District Court von New York, in der Schweiz bereits durch diverse Bankenskandale der letzten zwanzig Jahre bekannt, muss nächstes Jahr entscheiden, ob es einer Klage gegen den Bund stattgibt. Unter dem Gesetz über die Immunität ausländischer StaatenDie Schweiz genießt grundsätzlich Immunität gegen private Zivilklagen. Es sei denn, das Land beteiligt sich an einer rein kommerziellen Transaktion, die die Eigentumsrechte amerikanischer Bürger einschränkt.
Die Firma Quinn Emanuel Urquhart & Sullivan behauptet, die Schweiz habe bei der Übernahme der CS „praktisch die Rolle einer Investmentbank gespielt“ und den Deal organisiert. Obwohl dieses Argument gewagt erscheinen mag, nimmt die Schweiz es offensichtlich ernst und hat sogar eine renommierte Anwaltskanzlei in New York damit beauftragt.
Ein Gericht in Manhattan muss entscheiden
Die Situation könnte für die Schweiz heikel werden, wenn das Gericht in Manhattan einer Prüfung des Falles zustimmen würde. In diesem Fall könnten die Richter die Herausgabe von Unterlagen verlangen, die die Bundesregierung in einem Passus der Notstandsverfügung als streng vertraulich eingestuft hatte, und dabei insbesondere auf die Risiken verwiesen, die mit „einer Vielzahl von Haftungsansprüchen in Milliardenhöhe“ verbunden seien.
Der Schweizer Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger empfahl, einen Teil dieser Dokumente nach der Veröffentlichung des Berichts der Parlamentarischen Untersuchungskommission zu veröffentlichen. Ein solcher Schritt erscheint jedoch unwahrscheinlich. Vielleicht bietet der Bericht der Parlamentarischen Kommission Einblick in die Geheimnisse, die für einige Anleger einen erheblichen finanziellen Wert haben.