Das Vitra Design Museum beleuchtet derzeit die Designgeschichte von Nike. Und es ist der Schweizer Martin Lotti, der als Designchef für die berühmteste Sportmarke der Welt arbeitet. So wurde er vom Fan zum Designchef.
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11. Oktober 2024 – 10:00 Uhr
Das allererste Nike-Produkt, das er gekauft hat? Die „Air Max 180“-Sneaker. Und ein Poster von Michael Jordan. Das ist alles, was sich Martin Lotti, 16, damals Student und Austauschprogramm in den USA, leisten konnte. Das Poster hing jahrelang über seinem Bett.
Heute ist Martin Lotti Chefdesigner bei Nike. Mittlerweile traf er Michael Jordan mehrmals persönlich. Mit ihm entwarf er Kollektionen. „Es war ein surrealer Moment“, erinnert sich Martin Lotti.
Die Amerikaner in Weil am Rhein
Nike ist der weltweit größte Hersteller von Sportartikeln. Das Unternehmen hat einen Jahresumsatz von 50 Milliarden US-Dollar. Einer der Gründe für den Erfolg von Nike ist das Design.
Er spielte eine entscheidende Rolle in der Sneaker-Kultur, wie wir sie heute kennen.
Nike bietet im Rahmen der Ausstellung im Vitra Design Museum seltenen Zugang zu seinen privaten Archiven.
Nike / Alastair Philip Wiper
Diese Designgeschichte beleuchtet nun eine Ausstellung im Vitra Design Museum in Weil am Rhein. Zu diesem Anlass reiste Martin Lotti aus den USA an. Seit Jahren lebt er mit seiner Familie im Bundesstaat Oregon.
Der Designer ist in seinem Herkunftsland wenig bekannt. Der Freiburger gibt selten Interviews. Am liebsten spricht er Englisch. „Mein Schweizerdeutsch ist eingerostet“, gibt er etwas verlegen zu.
Martin Lotti bleibt nicht unbemerkt. Ihr Outfit strotzt nur so vor Coolness. Das weiße „Jordan“-Shirt, die übergroße Cargohose, die Sneakers – natürlich Nikes. Selbst Sätze wie „Trends werden um Mitternacht geboren“ haben eine gewisse Wirkung, wenn sie von ihm kommen. Mit ihm als Botschafter könnte Nike als Start-up durchgehen. Das ist das Milliardenunternehmen längst nicht mehr.
Auf Wiedersehen Adidas und Puma
Die Geschichte von Nike begann mit dem jungen Absolventen und College-Athleten Phil Knight. In den 1960er Jahren begann er mit dem Vertrieb japanischer Laufschuhe in den USA. Es will mit den deutschen Marktführern Adidas und Puma konkurrieren.
Bill Bowerman gilt als Nikes erster Designer. Er ist hier in seinem Atelier, im Jahr 1980.
Nike
Knight ruft seinen ehemaligen Trainer Bill Bowerman an. Letzterer bastelt gerne. Er möchte Laufschuhe noch leichter und schneller machen.
1971 gründeten sie Nike, benannt nach der griechischen Siegesgöttin. Die Anfänge sind bescheiden. Knight und Bowerman verkaufen ihre Schuhe bei Leichtathletiktreffen.
Ein weltberühmtes Komma
Aus gestalterischer Sicht ist das Herzstück von Nike das Logo. Für 35 US-Dollar entwirft die Grafikdesign-Studentin Carolyn Davidson den „Swoosh“ (der Spitzname des Logos auf Englisch). Die schlichte geschwungene Linie wird zu einem weltberühmten Design.
Die Mission: ein Logo zu entwerfen, das die Bewegung widerspiegelt. Ausgewählt wurde das Projekt von Carolyn Davidson, Grafikdesign-Studentin.
Nike
Dem Gründer gefiel dieses Logo zunächst nicht, es wurde dennoch so symbolträchtig. „Ich mag es nicht, aber ich werde mich daran gewöhnen“, sagte Phil Knight.
Glück und Zufall spielen sowohl beim Aufstieg von Nike als auch dem des Designers Martin Lotti eine Rolle.
Was für ein Glück, dass sich die Gründer immer noch auf den „Swoosh“ konzentrierten. Und was für ein Glück für Martin Lotti, „einem Mädchen“ zugehört zu haben. Sie war es, die ihm riet, nach seinem Industriedesign-Studium ein Praktikum bei Nike zu machen. „Ich habe mich für ein Praktikum beworben, aber Nike hat mir stattdessen direkt einen Job angeboten“, sagte Martin Lotti in einem früheren Interview.
„Ich hatte noch nie in meinem Leben einen Schuh entworfen“, sagt Martin Lotti. Man hätte ihm gesagt: „Mach es einfach!“ “. Der Slogan scheint also auch für die Mitarbeiter des Unternehmens zu gelten.
Die „Tochter“ ist nun die Frau von Martin Lotti. Sie arbeitet auch bei Nike.
Ein bisschen Inspiration, bitte!
Nach 27 Jahren im Unternehmen findet Martin Lotti die gleiche Freude am Entwerfen von Schuhen und Kleidung.
Was inspiriert ihn? In erster Linie sind es Sportlerinnen. „Ich frage mich nicht ‚Was werde ich heute zeichnen?‘, sondern ‚Welches Sportlerproblem werde ich heute lösen?‘
Für sein Team organisiert er regelmäßig Ausflüge: „Wir lassen uns von der Natur oder der Architektur inspirieren. Wir beobachten alles. Aber auf keinen Fall die Schuhe.“ Wofür? „Menschen neigen dazu, das zu wiederholen, was sie sehen.“
Das Waffeleisen, eine Quelle der Ideen
Welche Designs ermöglichten Nike den Markteintritt? Die älteste ist die Waffelsohle. Trainer Bill Bowerman entwarf die gerippte Gummisohle am Frühstückstisch. Waffeln inspirierten die Struktur. Ohne zu zögern goss er Gummi in das Waffeleisen. Das Gerät hat diesen Test leider nicht überstanden, aber daraus wurde die erfolgreiche Sohle geboren. Dies ermöglichte einen besseren Grip auf der Strecke.
Sneakers mit Waffelsohle verkauften sich wie warme Semmeln. Hier zu sehen auf einem Nike-Werbeplakat von 1978.
Nike
Aus technologischer Sicht war die „Air“-Sohle ein weiterer wichtiger Schritt. Eine Art Airbag in der Sohle half dabei, Stöße abzufedern. Doch es war ein neues transparentes Design, das den Schuh erfolgreich machte. Der „Air Max“ war geboren.
Das bekannteste Nike-Modell ist der Sneaker „Air Jordan“. 1984 brachte Nike es in Zusammenarbeit mit dem angehenden Basketballspieler Michael Jordan auf den Markt.
Der schwarz-rote Basketballschuh verstößt gegen die Regeln der NBA, der amerikanischen Basketballliga. Michael Jordan wird jedes Mal mit einer Geldstrafe belegt, wenn er es trägt. Abseits des Spielfeldes wird der Schuh dann zum Trend.
Schuhe, die nicht den Vorschriften entsprechen: Die Sanktionen der amerikanischen Basketball-Liga NBA waren ein Segen für Nike. Das Unternehmen baute eine komplette Werbekampagne rund um den Air Jordan auf, die dazu beitrug, die Begeisterung für den Schuh anzuheizen.
GETTY IMAGES / FOKUS AUF SPORT
Nie ein Problem?
Die Geschichte des Nike-Designs ähnelt zuweilen dem amerikanischen Traum, in dem man durch harte Arbeit von einer Garage zum Olymp des Sports gelangt.
Aber auch bei Nike gibt es Misserfolge. Sie werden dank gutem Storytelling einfach neu interpretiert. Das Marketingbudget dafür ist gigantisch.
Eine Schatzsuche der anderen Art
Wenn Martin Lotti einen Schuh entwirft, nutzt er oft die Gelegenheit, darin ganz persönliche Schätze zu verstecken.
So versteckte er beispielsweise ein Schweizer Kreuz in der Sohle des „Nike Kyoto“. Beim „Air Max 360“ hat er mit Punkten und Linien das Geburtsdatum seines Sohnes in der Fersenlasche verewigt.
„Details, die niemandem auffallen. Aber sie bedeuten mir sehr viel“, sagt der Designchef.
2006 stellte Martin Lotti in New York seinen „Air Max 360“ vor. Dort verbarg er seinem Sohn ein Augenzwinkern.
REUTERS / KEITH BEDFORD
Auf der Innenseite des Trikots der brasilianischen Fußballnationalmannschaft ließ er das Mantra der Mannschaft einsticken: „Geboren, um Fußball zu spielen“.
Für Martin Lotti „hat das Trikot dadurch an Seele gewonnen“.
Es sind auch gute Geschichten, die sich verkaufen. Die spielerische Seite von Martin Lotti ist jedoch authentisch: „Design ist mehr als ein Job, es ist meine Leidenschaft.“
Die Ausstellung „Nike: Form Follows Motion“
Die Ausstellung zeigt, wie sich Nike-Produkte im Laufe der Jahre entwickelt haben und wie die Sportmarke die Gesellschaft beeinflusst hat.
Es ist bis zum 4. Mai 2025 im Vitra Design Museum in Weil am Rhein zu sehen.
Aus dem Deutschen übersetzt von Emilie Ridard