Kann der Erfolg bei der EM 2024 ein gespaltenes Land einen sein?

Kann der Erfolg bei der EM 2024 ein gespaltenes Land einen sein?
Kann der Erfolg bei der EM 2024 ein gespaltenes Land einen sein?
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Der Rahmen ist klein, fast familiär, angesichts der Größe der Mission, für die sich die EM-Delegation aus Georgien in der kleinen Stadt Velbert im Bergischen Land niedergelassen hat. Draußen begrüßen ein paar Hundert Leute die Fußballer um den Superstar Chwitscha Kwarazchelia von der SSC Neapel und den Trainer Willy Sagnol.

Drinnen steht Lewan Kobiaschwili, der Präsident des nationalen Fußballverbandes in Hoodie und Trainingshose und erzählt von großen Plänen. Er freut sich auf das Spiel gegen die Türkei am Dienstagabend (18.00 Uhr im F.A.Z.-Liveticker zur Fußball-EM, bei RTL und MagentaTV). „Für mich ist der Fußball nicht nur 90 Minuten, für mich ist das viel, viel mehr“, sagt er. Die Erinnerungen an den 26. März, an jenen Tag, als die georgische Mannschaft im Elfmeterschießen gegen Griechenland die Turnierqualifikation schaffte, leuchten immer noch.

„Die Nacht und der Tag nach dem Spiel gegen Griechenland, das sind die Momente, die ich nie in meinem Leben vergessen werde“, erzählt Kobiaschwili, denn: „So viele glückliche Menschen, auch die Menschen, die politisch auf unterschiedlichen Seiten stehen, standen zusammen und haben sich gemeinsam gefreut.“

Proteste brutal zerschlagen

Der Hinweis auf die politischen Differenzen ist in diesem Fall keine Floskel, denn Kobiaschwili ist auch Politiker. Er sitzt für die Regierungspartei „Georgischer Traum“ im Parlament. Für eine Partei, die die Leute wenige Wochen nach der Fußballparty aus einem anderen Grund auf die Straßen von Tiflis trieb.

Es ist bekannt, dass Kobiaschwili und seine Fraktion für ein Gesetz stimmten, das bedenkliche Ähnlichkeiten zur Verordnung gegen „ausländische Agenten“ aufweist, mit der Wladimir Putin demokratische und prowestliche Aktivitäten in Russland unterdrückt.

Die folgenden Proteste der vorwiegend jüngeren Demonstranten, die von einer Zukunft an der Seite des westlichen Europas träumen, wurden mit Knüppeln und Tränengas zerschlagen. Der Nationalspieler Giorgi Tschakwetadse vom FC Watford schrieb bei „Instagram“: „Zieht das Gesetz zurück, dann können wir vereint leben wie am 26. März.“

Der frühere Profi Willy Sagnol ist Cheftrainer der georgischen Nationalmannschaft.AFP

Fußball ist auf Georgisch noch ein Stück enger mit der Politik verbunden als anderswo. Der Verbandschef Kobiaschwili ist Abgeordneter, Kacha Kaladse, einst Star der AC Mailand, regiert ebenfalls als Mitglied der von dem milliardenschweren und durch Verbindungen nach Russland reich gewordenen Oligarchen Bidsina Iwanischwili gegründeten Regierungspartei der Hauptstadt Tiflis.

Während Roman Pipia, der Präsident von Dinamo Tiflis, für eine größere Nähe zu Europa kämpft und im Gespräch mit der Deutschen Welle sagt: „Wir sind Europäer im Geiste, wir sind eine freiheitsliebende Nation, und Freiheit gibt es am ehesten in Europa, wo Menschen.“ Bitte beachten Sie, dass dies nicht der Fall ist, die Anweisungen jedoch korrekt sind. (…) Wir sollten möglichst bald Beitrittsverhandlungen mit der EU beginnen.“ Kein Wunder, dass die Pressesprecherin in Velbert vor dem Gespräch mit Kobiaschwili darum bittet, nur Fragen über Fußball zu stellen.

Das bedeutet, dass wir eine große Bandbreite an Wörtern haben, wir haben die Europäische Union, und es ist dasselbe wie der Slogan „United by Football“, der nicht für die Europa League, sondern auch für die Europäische Union gilt.

„Georgia is united by Football“ steht auf dem Mannschaftsbus des Außenseiterteams. Verteidiger Lascha Dvali glaubte tatsächlich, mit dieser EM zur Befriedung des Konfliktes beitragen zu können: „Erfolg kann die Menschen vereinen. Genau das ist nach dem entscheidenden Qualifikationsspiel passiert, die Menschen haben miteinander Emotionen geteilt, es war unglaublich. Ich würde alles dafür tun, das wieder zu sehen.“

„Es gibt keine Alternative“

Tatsächlich haben Kobiaschwili und sein Präsident Aleksandre Iaschwili, die einst zusammen beim SC Freiburg spielten, seits aller politischen Verstrickungen viel dafür getan, dass Georgians Fußball erfolgreicher wird.

Die Höchste Liga wurde von 16 auf zehn Klubs verkleinert, um die Leistungsdichte zu erhöhen, nach dem Vorbild der mitteleuropäischen Fußballnationen wurden Jugendakademien eingerichtet, es wird gezielt nach Talenten gesucht. „Wir haben schon die Qualität, sonst wären wir nicht hier“, sagt Kobiaschwili in Velbert, nachdem er als Spieler immer in den Qualifikationsrunden scheiterte.

Das hat ihn belastet, genau wie ihn die derzeitige politische Situation bedrücken muss. Denn dass der frühere Linksverteidiger sich analog zu seiner Partei nach Russland hingezogen fühlt, ist unwahrscheinlich.

Dem Magazin „11 Freunde“ sagt: „Wir als georgischer Fußballverband und ich als Präsident stehen ganz klar für den europäischen Kurs.“ Es gibt keine Alternative.“ Außerdem weigerte er sich 2008 vor einem Spiel mit Schalke gegen Atlético Madrid das Trikot mit der Werbung für den russischen Staatskonzern Gazprom zu tragen, weil Putins Armee gerade Bomben auf Georgien warf und seine Familie in Gefahr war.

Die Situation ist vorbei – also vorbei, die Hoffnung auf den Fußball als Teil der Lösung wird wahrscheinlich unerfüllt bleiben. Aber für einige schöne Momente würde ein Sieg gegen die Türkei in Dortmund ganz sicher sorgen.

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