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Die Wirtschaftspolitik des gewählten Präsidenten ist voller Widersprüche.
„Er meint das nicht wirklich so“, ist die Standardantwort von Trump-Anhängern, die nicht zum harten Kern der MAGA gehören, ihn aber dennoch unterstützen. Es ist auch eines der vielen Geheimnisse der aktuellen amerikanischen Politik, dass viele derjenigen, die für Trump gestimmt haben, hoffen, dass er seine Versprechen nicht halten wird.
Auch die Finanzmärkte haben diese These integriert. Aus diesem Grund gab es keine Reaktion auf Trumps Ankündigung, Zölle in Höhe von 25 % auf Kanada und Mexiko und 60 % auf China erheben zu wollen. „Warum sich so viele Sorgen machen?“ sagen Wall-Street-Analysten. Schließlich wird es nicht so schlimm werden. Letztlich erklärte der von Trump ernannte Finanzminister Scott Bessent, dass die Zölle schrittweise und über einen langen Zeitraum hinweg eingeführt würden.
Donald Trump wurde vom Magazin zur „Person des Jahres“ gewählt Zeit.Bild: Schlussstein
Wie jeder weiß, ist Homöopathie vor allem eine Glaubenssache. Auch die Finanzwelt scheint sich geirrt zu haben. In seinem „Person des Jahres“-Interview mit dem Magazin ZeitTrump machte deutlich, dass er und er allein am Ende die wichtigen Entscheidungen treffen würden.
Was die Zölle betrifft, so gilt die Wall Street Journal heißt es: „Die von Donald Trump angedrohten Zölle haben eine Lobbykampagne hinter den Kulissen ausgelöst, die darauf abzielt, die Pläne des gewählten Präsidenten zu schwächen. Diese Bemühungen stehen jedoch vor einem unüberwindbaren Hindernis: Trump will nicht nachgeben.“
Scott Bessent, designierter Finanzminister, muss Trumps Zollpolitik umsetzen.Bild: Schlussstein
Der Washington Postberichtet unterdessen, dass Trumps Wirtschaftsteam bereits intensiv daran arbeite, diese Zölle möglichst schnell umzusetzen und dieses Mal ein Fiasko zu vermeiden – wie es beim Einreiseverbot für Muslime der Fall war. In Zollangelegenheiten verfügt der Präsident unabhängig vom Kongress über weitreichende Befugnisse. Einigen Berichten zufolge ist Trump sogar bereit, den Ausnahmezustand auszurufen, um seine Ziele zu erreichen.
Der designierte Präsident ist nicht nur entschlossen, die bereits angekündigten Zölle – er hat sich hierzu nicht mit seinen Beratern beraten – so schnell wie möglich umzusetzen, er hat auch andere Maßnahmen genannt. Sollten die BRICS-Staaten versuchen, eine Alternative zum Dollar zu schaffen, werde er ihnen einen 100-prozentigen Zoll auferlegen, drohte Trump kürzlich.
Offenbar kümmert es Trump kaum, dass diese Zölle seine ländlichen Wähler hart treffen. Tatsächlich werden die betroffenen Länder höchstwahrscheinlich mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren, indem sie auch Zölle auf amerikanische Importe erheben. Die Vereinigten Staaten exportieren große Mengen landwirtschaftlicher Produkte, insbesondere Getreide.
Um die Unterstützung der Landwirte aufrechtzuerhalten, musste Trump sie in seiner ersten Amtszeit mit Subventionen in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar entschädigen. Die Landwirte hatten enorme Verluste erlitten, weil China keine Sojabohnen mehr aus den USA importierte. Mit den nun angekündigten Zöllen könnten diese Subventionen noch weiter steigen.
Widersprüche
Trumps Wirtschaftspolitik ist voller Widersprüche. Im Financial TimesGillian Tett nennt einige:
- Trump hat versprochen, die Inflation wieder auszurotten. Doch gerade die Strafzölle dürften die Inflation weiter anheizen. Die Inflation ist bereits auf 2,7 % gestiegen.
- Kürzlich versprach Trump, den Vorsitzenden der Fed, Jay Powell, nicht zu entlassen. Aus rechtlicher Sicht wäre dies nicht ganz einfach. Aber gleichzeitig will er „den Idioten Powell“ zwingen, die Leitzinsen zu senken. Der ursprüngliche Vorsitzende der Fed lässt sich jedoch nicht so leicht befehlen.
- Trump will einen schwachen Dollar. Ihre Politik der Strafzölle bewirkt jedoch genau das Gegenteil und stärkt den Greenback.
- Trump lehnt David Ricardos klassische Handelstheorie ab, dass der Handel allen Teilnehmern zugute kommt. Doch gleichzeitig stärkt seine Politik den Dollar und begünstigt damit indirekt die Importe. Deshalb geht auch seine Rechnung zum Ausgleich der Handelsbilanz nicht auf.
- Wenn die amerikanische Wirtschaft boomt, liegt das vor allem daran, dass sie durch staatliche Ausgaben im Bereich der Infrastruktur angetrieben wird. Das Defizit beträgt derzeit mehr als 6 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Trump will dieses Defizit auf 3 % des BIP reduzieren. Gleichzeitig will er aber die Steuern vor allem für Reiche und Unternehmen massiv senken und dieses Defizit mit Einnahmen aus Strafzöllen füllen. Nach Ansicht der meisten Ökonomen ist es äußerst schwierig, wenn nicht unmöglich, alle diese Ziele auf einmal zu erreichen.
Der größte Widerspruch der Trump-Regierung besteht jedoch darin, dass sich die Republikaner kürzlich als die neue Partei der arbeitenden Bevölkerung definiert haben. Im Gegensatz dazu hat der gewählte Präsident sein Kabinett mit Milliardären gefüllt. Darüber hinaus mehren sich die Anzeichen dafür, dass diese Regierung auch die Ausgaben für Medicaid kürzen will, ein Programm, das vor allem der ärmsten ländlichen Bevölkerung zugute kommt.
Übersetzt und angepasst von Noëline Flippe