Sechzig Jahre nach seiner Gründung präsentiert das Théâtre Vidy-Lausanne anlässlich der Landesausstellung bis zum 23. November „Herkules“ von Friedrich Dürrenmatt unter der Regie von Giulia Rumasuglia. Diese Satire auf Schweizer Untätigkeit mit einem in Feigheit versunkenen Helden ist kein bisschen gealtert.
Im Jahr 1964 fand am Standort Vidy-Lausanne die Landesausstellung statt. Im neu eingeweihten Max-Bill-Pavillon wird dort Theater aufgeführt, allen voran dieses deutschsprachige Stück, das in Zürich gerade für einen Skandal sorgte: „Herkules und der Augiasstall“ des Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt, der seit seinem Haus in der Nachbarschaft wohnt Neuenburg.
Das Stück gefällt nicht. Zu vulgär und vor allem zu kritisch gegenüber dem Vaterland, während das Land sein Genie feiert. Für den Autor von „Der Besuch der alten Dame“ ist Herkules nichts weiter als ein Schausteller auf dem Jahrmarkt, ein starker Arm, der dazu verdammt ist, seine Kräfte wie ein Saisonarbeiter unter den Wohlhabendsten einzusetzen. Hier ist er ein Aasfresser, der vom Bauern Augias angeheuert wurde, um ein Land zu säubern, das vom Mist und Mist seiner Kühe heimgesucht wurde. Das Land Augias erinnert natürlich an die Schweiz und der tapfere griechische Held versinkt dort in administrativen Schwierigkeiten und politischer Feigheit.
Ein vergessenes Stück wieder zum Leben erweckt
Im Jahr 2024, sechzig Jahre später, ist es die junge Genfer Regisseurin Giulia Rumasuglia, die dieses im Dürrenmatt-Repertoire inzwischen völlig in Vergessenheit geratene Stück wieder aufleben lässt. Auf der Vidy-Lausanne-Etappe, wo alles begann, kein Mist, kein Mist, sondern eine Art Karussellgebäude, an dem Kuhglocken hängen.
An der Spitze und fröhlich vom Kostüm einer Zeitschriftenführerin zu dem eines Bauernmädchens wechselnd, betreibt die freche Schauspielerin Lisa Veyrier dieses kleine Karussell, das wiederum zum Zelt des Helden, einem politischen Versammlungsraum, wird , ein Zirkus, ein Dorfplatz usw. Lisa Veyrier spielt alle Charaktere, und es gibt viele von ihnen, vom nicht ganz so tapferen Herkules bis zum rundlichen Augias, darunter eine Vielzahl gewählter Beamter, Politiker, Lobbyisten und andere Vertreter wirtschaftlicher Interessen.
Eine umweltpolitische Fabel
Also reinigen wir diese Schicht Scheiße, indem wir nicht weniger als zwei Flüsse umleiten? In Augias lassen wir die Dinge lieber so, wie sie sind. So viel zum Geruch. Die Angst vor dem, was unter dieser Schicht entdeckt werden könnte, ist stärker als der Wunsch, aufzuräumen. In einer Zeit, in der die Region Valencia noch damit beschäftigt ist, ihre zerstörten Straßen aufzuräumen, nimmt Dürrenmatts Fabel eine sehr umweltpolitische Färbung an. Falscher Hinweis: Giulia Rumasuglia achtet darauf, dem Stück der Berner Dramatikerin nicht das Geheimnis zu nehmen. Jeder wird in dieser dicken Mistschicht sehen, was er will.
Neu übersetzt und neu geschnitten mit Schwerpunkt auf der kabarettistischen Seite dieses „Herkules“ ist das Stück eine schöne Hommage an die sehr politische Ironie unseres nationalen Theaterdenkmals. Friedrich Dürrenmatt war bis zu seinem Tod im Jahr 1990 und der Veröffentlichung seiner Rede für Vaclav Havel, die in diesem Jahr der Feierlichkeiten zum Fall der Berliner Mauer für so manches Zähneknirschen sorgte, der Inbegriff der Schweiz. Wir vermissen diesen Bären. Vielen Dank, dass Sie ihm noch einmal das Wort gegeben haben.
Thierry Sartoretti/ld
„Herkules“, Regie Giulia Rumasuglia, mit Lisa Veyrier, Théâtre Vidy-Lausanne, vom 6. bis 23. November 2024; La Comédie, Genf, vom 25. bis 29. März 2025.