NZZ-Podium US-Wahlen: Harris’ Chancen gegen Teflon-Donald

NZZ-Podium US-Wahlen: Harris’ Chancen gegen Teflon-Donald
NZZ-Podium US-Wahlen: Harris’ Chancen gegen Teflon-Donald
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Sowohl bei den Republikanern wie bei den Demokraten mangelt es bei den US-Wahlen nicht an Turbulenzen. Wer sich am Ende eher durchsetzen wird, darüber debattierten Podiumsgäste an der Zürcher Falkenstrasse.

Donald Trump und Kamala Harris: Der Historiker am NZZ-Podium prognostiziert, dass letztere gewählt wird.

Brian Snyder / Reuters

In weniger als einer Woche wählen die Amerikanerinnen und Amerikaner den nächsten Präsidenten oder die nächste Präsidentin. Entweder Kamala Harris, die als Vizepräsidentin von Joe Biden eher unauffällig blieb, oder Donald Trump, der ehemalige Präsident und Provokateur, der es nochmals wissen will. Beide sind rhetorisch versiert. Was die Kandidaten aber tatsächlich bewirken wollen, darüber diskutierte das «NZZ-Podium» unter dem Titel «Harris gegen Trump – Showdown ums Weisse Haus».

Auf der Bühne zugegen waren die Politikwissenschafterin Gerlinde Groitl, der Historiker Michael C. Kimmage und Peter Rásonyi, Leiter der Auslandredaktion der NZZ. Moderiert wurde die Veranstaltung von Martin Meyer, Leiter des «NZZ-Podiums».

Gerlinde Groitl.

Joel Hunn / NZZ

Michael Kimmage stellte zu Beginn drei Thesen zur US-Wahl 2024 auf. Erstens sei viel Kontinuität zu erwarten, insbesondere in der amerikanischen Aussenpolitik. Zweitens sei es eine weniger ideologisch emotionale Wahlkampagne als 2016, als Trump sich gegen Hillary Clinton durchsetzte. Und, so die dritte, pessimistischere These: Mit Trump werde die USA nicht unbedingt «regierbarer».

Stabilität in der Aussenpolitik

In der Aussenpolitik seien sich Harris und Trump gar nicht so unähnlich, sagte Kimmage. Für beide werde der Widerstand gegen den Aufschwung Chinas Priorität haben. Beide hielten die Unterstützung Israels hoch. Und bei den Demokraten wie den Republikanern sei Skepsis gegenüber dem Freihandel garantiert.

Die Präsidentin oder der Präsident habe weniger Macht, als es vielleicht scheine, sagte Kimmage. Die Innenpolitik, der einflussreiche Kongress und die Bürokratie, kontrollierten die Aussenpolitik.

Auch Auslandredaktor Peter Rásonyi bewertet den Spielraum aussenpolitisch eher klein. Allerdings fehle teilweise auch der Gestaltungswille. Es sei kaum Tatkraft vorhanden, um wirklich als Player die Geschicke im Nahen Osten zu lenken. Bei Russland gebe es grosse Fragezeichen. Es sei es immer ein Rätsel gewesen, warum Trump die Nähe zu Putin pflege. «Eine entschlossene Unterstützung für die Ukraine erleidet aber bereits unter Biden Schiffbruch», sagte Rásonyi.

Martin Meyer.

Joel Hunn / NZZ

Bemühungen um die Mitte

Allgemein könne man eine gewisse Moderierung beobachten, sagte Kimmage. Harris habe von Biden eine moderate Innenpolitik geerbt. Ihr Vize, Tim Waltz, mit seinem nicht-elitären Charakter und seiner Herkunft aus dem Mittleren Westen verkörpere diese ebenfalls. Harris versuche, die politische Mitte zu gewinnen. «Das ist kein Zeichen für Polarisierung, sondern für überparteiliche Kooperation», sagte Kimmage. Selbst Trumps Wahlkampagne habe sich im Vergleich zu 2016 gemässigt. «Damals hat er viel über den Niedergang des Landes gesprochen, 2024 redet er fast nur über sich selbst.»

Harris sei als Senatorin deutlich linker gewesen, als sie jetzt auftrete, stimmte die Politikwissenschafterin Gerlinde Groitl zu. Nun bemühe sie sich um eine zentristische Position. Trotzdem habe sich die Spaltung so in die Gesellschaft gefräst, dass rund die Hälfte bereit sei, Trump ihre Stimme zu geben. Selbst sein langes Sündenregister, vom Bruch fundamentalster demokratischer Normen bis zu Verurteilungen, könne ihm nichts anhaben: «Er ist der Teflon-Donald, an dem gleitet alles ab.»

Gleichzeitig sei es ein gefährlicher politischer Zug, ständig davor zu warnen, dass das Ende der Demokratie drohe und Trump ein Faschist sei, sagte Groitl. Die scharfe Terminologie führe nicht dazu, dass man Wähler von ihm zurückhole. «Man schiebt sie stattdessen aus dem demokratischen Gemeinwesen. Das könnte so verstanden werden, dass die Demokraten versuchen, ihren Wahlerfolg zu sichern, indem sie die Gegenseite komplett delegitimieren.»

Die Distanz, die Trump zwischen sich und dem Establishment formuliere, nütze ihm sehr stark, sagte Rásonyi. Gleichzeitig könne er nicht davon abrücken. Es sei letztlich eine Rolle, die er spiele, die ihn an seine Wähler binde. Ein Nebenaspekt davon sei, dass er unterhaltsam sei, seine Fans Spass mit ihm hätten. Als nicht-weisse, weibliche Kandidatin habe Harris wegen struktureller Nachteile eher eine schwierigere Ausgangslage, sagte Rásonyi.

Einig war man sich auf dem Podium auch, dass Harris inhaltlich relativ flach wirke. Programmatisch verspreche sie zwar den Bürgern Erleichterungen für ihren Alltag wie Preissenkungen, sagte Rásonyi. Doch sie zeige damit auch eine sehr eingriffsfreudige Haltung zur Wirtschaft und der Marktentwicklung. Diese illiberale, marktferne Seite erschrecke viele Wähler und Wirtschaftskreise. Allerdings kenne man sie zu wenig und wisse nicht, was man wirklich kriege, wenn man Harris wählt. Dasselbe gelte für Trump, der im Gegensatz mit Deregulierung und Liberalisierung verbunden werde. Es bleibe sehr vage, was er Positives für die Wirtschaft bringen würde.

Unregierbares Land

Geht es nach Kimmages dritter These, könnten die USA nach der Wahl von Donald Trump ein «failed state» werden. Trump halte sich nicht an die verfassungsmässige Neutralität, sagte Klimmage. In einer zweiten Amtszeit könnte er politische Institutionen gezielter für seine persönlichen Zwecke einsetzen. Auch seine Provokationen, die in einem Teufelskreis Gegenreaktionen bei den Demokraten und Liberalen auslösten, könnten das politische System zum Stillstand bringen. «Die USA würde zwar eine Grossmacht bleiben, aber ohne die Fähigkeiten, diese Macht vernünftig oder kohärent zu nutzen. Das wäre für Europa, das unter einem Krieg mit Russland leidet, suboptimal.»

Das Resultat wird laut Umfragen knapp. Beide Kandidaten sind relativ unpopulär. Wer schliesslich gewählt wird, hängt davon ab, wer seine Anhänger am besten mobilisieren kann. Kimmage sagte: Die Wahlkampagne sei ein Wettbewerb von Frauen gegen Männern. Wenn Trump gewählt werde, dann weil er mit seiner Person die jungen Männer erreicht habe. Für Harris spiele hingegen das Thema Abtreibung eine grosse Rolle. Wenn mehr junge Frauen an die Urnen gingen, gewinne Harris, sagte Kimmage. Er prognostiziere Letzteres.

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