Deal um die neue EU-Kommission

Deal um die neue EU-Kommission
Deal um die neue EU-Kommission
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Seit Tagen war in Brüssel ein Machtpoker im Gang: Die Europäische Volkspartei entscheidet ihn für sich, die Sozialdemokraten schlucken eine grosse Kröte.

Wenn alles klappt, kann das Team rund um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Arbeit am 1. Dezember aufnehmen.

Andre Coelho / EPA

Im Juni haben die EU-Bürger das neue Parlament bestellt – und noch immer hat die Union keine neue Kommission. Nun aber kann das Team rund um Präsidentin Ursula von der Leyen aller Voraussicht nach die Arbeit am 1. Dezember aufnehmen. Eine Blockade im EU-Parlament konnte am Mittwochabend gelöst werden. Und wie schon bei den Wahlen im Sommer geht die Europäische Volkspartei (EVP) dabei als Siegerin vom Platz.

In der EU ist die «Regierungsbildung» – die Kommission hat sowohl eine exekutive als auch eine legislative Funktion – noch komplexer, als sie zuweilen auf nationaler Ebene ist. Die Einzige, die bislang ihren Posten auf sicher hatte, war Präsidentin von der Leyen. Sie ist im Juli vom Parlament bestätigt worden. Die anderen 26 von den Mitgliedsstaaten vorgeschlagenen Kommissionskandidaten wurden hingegen erst in den vergangenen Wochen von den Parlamentsausschüssen angehört, im Jargon «grillieren» genannt.

Im Nachgang dazu setzte ein regelrechter Machtpoker rund um die sechs einflussreichen Vizepräsidentenposten ein. Besonders im Fokus standen zwei Personalien: Raffaele Fitto von der italienischen Rechtsaussenpartei Fratelli d’Italia und Teresa Ribera von den spanischen Sozialisten. Die europäischen Sozialdemokraten (S&D) wollten sich nicht damit abfinden, dass Fitto mit einem besonders wichtigen Amt «belohnt» werde, obwohl dessen Fraktion die Kommissionspräsidentin im Juli nicht gewählt hatte und ohnehin postfaschistisches Gedankengut hege. Die EVP, der von der Leyen angehört, geisselte Ribera – zurzeit die spanische Ministerin für ökologischen Wandel – für ihre Rolle bei der Flutkatastrophe von Valencia.

Spaniens Ministerpräsident schaltete sich ein

Kurz: Die Parteien blockierten gegenseitig die Bestätigung der Vizepräsidenten (sowie des designierten Kommissars von Ungarn). Im Hintergrund liefen derweil die Verhandlungen zwischen den Fraktionen, von der Leyen und gar den nationalen Regierungen auf Hochtouren. Bis zur letzten Minute wurde gefeilscht. Das Brüsseler EU-Parlament glich am Mittwoch einem Bienenhaus, in dem aus allen möglichen Ecken mal relevante, mal widersprüchliche Informationen nach aussen drangen. Kurz vor 18 Uhr wurde dann die Einigung bekannt.

Eine entscheidende Rolle spielte offenbar der sozialistische Ministerpräsident Spaniens Pedro Sánchez, der unbedingt seine Parteikollegin Ribera durchbringen wollte. Er war es, der die S&D-Chefin Iratxe García – auch sie eine Spanierin – dazu bewog, die «Kröte Fitto» zu schlucken. Im Gegenzug willigte die EVP zu einer Vereinbarung mit den Sozialdemokraten und den Liberalen ein und schwächte ihre Forderungen an Ribera ab. So verlangt die Fraktion nicht mehr ultimativ, dass die Spanierin ihr Amt abgibt, falls gegen sie strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Katastrophe von Valencia aufgenommen werden sollten.

Allzu verbindlich ist das Abkommen, das sich nur über eine gute Seite erstreckt, allerdings nicht. Gemäss Stimmen aus dem Parlament enthält es lediglich «gemeinsame Leitlinien» und ist im Kern einfach eine Bestätigung der Vereinbarung, welche die «proeuropäische Allianz» getroffen hatte, bevor sie von der Leyen ins Amt gehievt hat. Die Neuauflage war nicht zuletzt darum notwendig, weil in den letzten Wochen viel Geschirr zerbrochen worden ist und das Vertrauen zwischen den Parteien gelitten hat.

Bruch der «proeuropäischen Allianz»?

Die S&D, immerhin die zweitstärkste Fraktion im Parlament, dürstete es nach mehr: Sie wollte der EVP das Versprechen abringen, im Parlament künftig keine Mehrheiten mehr mit der rechtskonservativen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR), der auch Fittos Fratelli d’Italia angehören, zu bilden. In den letzten Monaten hat es im EU-Parlament mehrfach derartige Absprachen gegeben, was die Sozialdemokraten als Bruch der früheren Allianz werten.

Doch zu diesem Zugeständnis ist die EVP nicht bereit. Für die Christlichdemokraten ist es attraktiv, je nach Thema die Hand nach links oder nach rechts ausstrecken zu können. Man arbeite mit allen demokratischen Kräften zusammen, dazu gehöre auch die EKR-Fraktion, heisst es aus der EVP. Sie will damit auch ein Erstarken von noch weiter rechts stehenden Parteien verhindern. Die S&D ihrerseits fühlen sich an die Wand gedrückt, wobei insbesondere deutsche und französische Abgeordnete Mühe mit dem Deal bekunden.

Der finale Akt steht noch aus. Am kommenden Mittwoch muss das EU-Parlament die neue Kommission in corpore bestätigen. Gelingt dies – wovon auszugehen ist –, kann diese Anfang Dezember loslegen.

Umstrittene Personalie: Raffaele Fitto von der italienischen Rechtsaussenpartei Fratelli d’Italia.

Virginia Mayo / AP

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