Erst das späte 2:3, dann die Verletzung von Nico Schlotterbeck: Das Spiel des BVB gegen den FC Barcelona endete für Borussia Dortmund mit einem doppelten Dämpfer. Dabei hatten die Dortmunder den Katalanen ein Spiel auf Augenhöhe geboten. Davon wollte BVB-Trainer Nuri Sahin allerdings nichts hören.
Wäre das Spiel gegen den FC Barcelona nach 85 Minuten beendet gewesen, wären die Mannschaft und die Fans von Borussia Dortmund zufrieden nach Hause gegangen: Zu diesem Zeitpunkt stand es 2:2 zwischen beiden Teams, die sich damit weiter Seite an Seite in der Spitzengruppe der Champions-League-Tabelle getummelt hätten. Es wäre ein gerechtes Ergebnis gewesen nach einem Spiel, das vor allem im zweiten Durchgang einen wilden Ritt glich. Mit Chancen und Toren auf beiden Seiten sowie einem hohen Unterhaltungswert.
Doch auch im Jahr 2024 dauern Fußballspiele 90 Minuten plus x – und so entwickelte sich die Partie aus Dortmunder Sicht noch auf denkbar dramatische Weise: Erst traf Barcelonas Joker Ferran Torres in der 86. Minute nach einem schweren Fehler von Pascal Groß noch zum 3:2 aus Sicht des Teams des deutschen Trainers Hansi Flick, dann verletzte sich BVB-Innenverteidiger Nico Schlotterbeck beim Kopfballversuch in der letzten Minute der Nachspielzeit so schwer am Knöchel, dass er mit dem Krankenwagen abtransportiert werden musste.
“Es kocht in mir! Es kocht in mir!”
“Es kocht in mir! Es kocht in mir”, gewährte Sahin eine Stunde nach dem Schlusspfiff einen Einblick in sein Seelenleben und sprach in Bezug auf Schlotterbeck von einem “Super-GAU”, der drohe, wenn er – wie es zu befürchten ist – länger ausfallen sollte. “Ich möchte nicht hören, dass wir gut gespielt haben. Ich will, dass wir diese Spiele gewinnen. Wir müssen so ein Spiel einfach ziehen. Das macht mich traurig”, sagte der BVB-Trainer zunächst und dann wiederholte er die Kernbotschaften zur Sicherheit noch einmal, damit sie auch wirklich jeder verstand: “Ich möchte nicht hören, dass wir gute Spiele machen. Ich möchte diese Spiele gewinnen. Ich möchte gewinnen. Wir müssen zu Gewinnern werden. Das haben wir heute nicht geschafft.”
Der gleiche Ehrgeiz hatte Sahin bereits zu Spielerzeiten ausgezeichnet und zu etlichen Erfolgen geführt. Als Trainer fordert er seine Profis auf ähnliche Weise wie damals als Mitspieler. Er legt den Finger in die Wunde – und beschönigt die Lage nicht, auch wenn es die Leistung gegen Barcelona grundsätzlich hergegeben hätte. Wie von Sahin gewünscht und durch seine Aufstellung von Julien Duranville und Giovanni Reyna unterstrichen, agierten die Schwarz-Gelben gegen den Tabellennachbarn mutig im eigenen Aufbauspiel und angriffslustig auf den Flügeln. Die enorme Offensivpower Barcelonas war für den BVB zwar nicht immer aufzuhalten, doch nach den Treffern von Raphinha (52.) und Ferran Torres (75.) schlugen die Gastgeber zunächst zweimal fast postwendend durch Serhou Guirassy (60./Strafstoß, 78.) zurück.
BVB wird bestraft für “Unforced Errors und Unkonzentriertheiten”
“Vor allem in der zweiten Hälfte waren wir mit Ball viel besser im Spiel”, bilanzierte Keeper Gregor Kobel. “Wir haben wirklich ein sehr gutes Spiel gemacht. Am Ende aber waren wir ein bisschen zu naiv, haben ein bisschen zu einfach das Gegentor hergeschenkt.” Die 2:3-Niederlage tue “extrem weh”, sagte daher auch BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl, der seiner Mannschaft dennoch viel Positives mitgab: “Gerade in der zweiten Hälfte hat sie eine richtige Leistungssteigerung gezeigt, weil sie mit ganz viel Leidenschaft, ganz viel Fußball, ganz viel Mut und ganz viel Herz alles versucht hat.” Jedoch fehlten Nuancen, die den entscheidenden Unterschied machten. “Auf dem Niveau”, sagte Sahin, “ist kein Platz für Unforced Errors oder Unkonzentriertheiten. Dafür wurden wir bestraft.”
Und das am Ende gleich doppelt: Denn die potenziell schwere Verletzung von Schlotterbeck, der bei der letzten Szene nach einem Kopfballversuch bei der Landung böse weggeknickt war und noch auf seine Diagnose wartet, stellt den BVB vor gravierende Probleme. In Niklas Süle fällt ein Innenverteidiger bereits monatelang aus, in Waldemar Anton ein weiterer zumindest noch einige Tage. So verbleiben derzeit nur Defensiv-Allrounder Emre Can, U-23-Akteur Yannik Lührs und der gelernte Linksverteidiger Ramy Bensebaini als Alternativen für Sahin vor dem kommenden Heimspiel gegen 1899 Hoffenheim (Sonntag, 17.30 Uhr).
Top-8-Platzierung ist weiterhin in Reichweite
“Sehr bitter” sei der Abend verlaufen, bilanzierte denn auch Kapitän Can, der dennoch einen “Schritt nach vorne” bei seinem Team erkannt hatte: “In der zweiten Hälfte haben wir hervorragend gespielt. Nach dem 2:2 hatten wir das Gefühl, wir sind dem dritten Tor näher als Barcelona. Dann kassieren wir so eine Gurke, die nicht passieren darf. Und Fußball ist nun mal ein Ergebnissport, das wissen wir.”
Tabellarisch ist die Niederlage für den BVB allerdings einigermaßen zu verkraften: Mit weiterhin zwölf Punkten rangieren die bereits für die Zwischenrunde qualifizierten Dortmunder nach dem sechsten Spieltag auf Platz 9 – und damit weiter in Schlagdistanz zu den ersten acht Plätzen, die eine direkte Qualifikation fürs Achtelfinale garantieren. Im neuen Jahr beschließt die Sahin-Elf in Bologna und daheim gegen Donezk die erste Liga-Phase der neuen Königsklasse. Mit zwei Siegen wäre ihr eine Top-8-Platzierung so gut wie sicher. Das allerdings war am Mittwochabend nur ein schwacher Trost.