Thiel und Boerne beharkten sich, statt schlüssig zu ermitteln

Thiel und Boerne beharkten sich, statt schlüssig zu ermitteln
Thiel und Boerne beharkten sich, statt schlüssig zu ermitteln
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Ein Anwalt wurde vom Speer einer Kriegerskulptur aufgespiesst. Thiel und Boerne beharkten sich, statt schlüssig zu ermitteln. Aber so muss es sein.

Nicht immer die Hellsten: der Hauptkommissar Thiel (Axel Prahl, rechts) und Dr. Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers).

Taimas Ahangari / WDR

Der Rechtsmediziner Boerne (Jan Josef Liefers), der sein Überlegenheitsgefühl selbstironisch zelebriert, und Kommissar Thiel (Axel Prahl), der ihn ungerührt auf den Boden der Tatsachen herunterzieht, sind ein Traumgespann des deutschen Fernsehens – für die, die es mögen.

Auch im neuen «Tatort» aus Münster sind sie in ihrem ganz eigenen Film unterwegs, der die Wirklichkeit – und den jüngsten Mordfall – nur gelegentlich tangiert. Im Grunde dienen die Ermittlungen bloss als Auslöser, um bestimmte Charaktereigenschaften der Münsteraner deutlicher in Erscheinung treten zu lassen.

Der Tote ist ein Rechtsanwalt (Nils Brunkhorst), der vom Speer einer Kriegerskulptur aufgespiesst in der Wohnung seiner Klientin Doreen Prätorius (Cordelia Wege) gefunden wird. Offenbar wurde auch die Klientin attackiert und ist selbst schwer lädiert, sie kann sich aber an den Tathergang nicht erinnern.

Das Haus, in dem der Tote liegt, ist vollgestopft mit Trophäen von den Fernreisen des verstorbenen Herr Prätorius. Seine Witwe hatte gerade mithilfe jenes nun ermordeten Anwalts eine hohe Versicherungssumme einkassiert, die zum Tod ihres vor zweieinhalb Jahren verstorbenen Mannes fällig geworden war.

Makabre Szenarien

Gleich zu Beginn sind Täter und Tathergang zu sehen. Das Publikum ist Thiel und Boerne über weite Strecken mehrere Kenntnisschritte voraus. Die beiden ergehen sich in Phantasien über den möglichen Verlauf der Ereignisse. Was wirklich Sache war, finden sie erst sehr spät heraus. Im Grunde sind sie selbst schuld.

Denn Boerne ist verblendet durch seine Abneigung gegenüber Doreen Prätorius und malt sich makabre Szenarien aus. Thiel dagegen entgehen Hinweise, weil er zu viel Mitgefühl für die Frau hat. Besonders die empfindsame Seite des Kommissars kommt in diesem «Tatort» zum Tragen.

Er ist nicht gerade in die Verdächtige verliebt, kommt diesem Zustand aber nahe, und das wird ihm und Boerne um ein Haar zum Verhängnis. Was sie über den Mordfall hinaus entdecken, ist die ganz spezielle, kranke Dynamik, die das Ehepaar Prätorius über die Jahre hinweg antrieb. Und wie viel Lug und Trug nicht nur hinter den Kulissen, sondern auch zwischen den Ehepartnern im Spiel war.

In solchen Momenten wird es dann ernst in diesem «Tatort», zu dem Sascha Arango, der 2012 mit «Borowski und der stille Gast» ein Meisterstück der Serie vorgelegt hat, das Drehbuch schrieb.

Die heimlichen Rebellinnen

Die Frauen, die das Team Boerne und Thiel perfekt ergänzen, Mechthild Grossmann als Staatsanwältin Wilhelmine Klemm und Christine Urspruch als Boernes Sidekick, werden, wie zu lesen war, den «Tatort» im kommenden Jahr verlassen. Viel widerspenstiger als ihre männlichen Gegenparts, sind sie die heimlichen Rebellinnen des Teams.

Obrigkeiten nehmen sie entweder nicht zur Kenntnis, oder sie setzen sich darüber hinweg. Regelmässig hebelt die permanent herabgestimmte Klemm mit ihrem Raucherbariton Thiels Gemütlichkeit aus. Und Christine Urspruch trotzt mit unerschütterlichem Selbstbewusstsein den politisch unkorrekten Anwürfen ihres Chefs.

Bei den Münsteraner «Tatorten» geht es ja nicht nur um die berühmten Rivalitäten und Foppereien, mit denen sich die Hauptakteure gegenseitig beharken. Sondern um deren Umgang miteinander, um die Arbeit einer Truppe, die verdammt gut eingespielt ist und die weiss, wie sehr sie vom Publikum geliebt wird.

«Sonntag, 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD. Sonntag, 20.05 / 20.15 Uhr, SRF 1 / ARD.

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