Spengler Cup Team Fribourg-Gottéron –
Auf diese Weise wurde noch nie ein Club umgebaut
Die Neuerfindung Gottérons ist das interessanteste Projekt im Schweizer Eishockey. Am Masterplan ist vieles ungewöhnlich. Entsprechend ist die Chance auf Erfolg ebenso gross wie die Fallhöhe.
Publiziert heute um 17:00 Uhr
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- Fribourg-Gottéron plant einen strategischen Kurswechsel mit Trainer Roger Rönnberg.
- Sportchef Gerd Zenhäusern will die Clubkultur verändern, um langfristigen Erfolg sicherzustellen.
- Im Übergangsjahr, das mit einem bereits entlassenen Interimstrainer begann, läuft aber nur wenig wie geplant.
Kürzlich wurde bei Gottéron beschlossen, nicht mehr öffentlich über die nächste Saison zu reden. Zumindest nicht im Detail über die Verpflichtung von Roger Rönnberg als künftigen Trainer.
Der vielleicht namhafteste Coach im europäischen Eishockey kommt, der vierfache Champions-League-Sieger und zweifache Meister mit Frölunda Göteborg! Warum würde man da schweigen?
Nun, die ganze Geschichte rund um die Zukunft des Freiburger Clubs ist sehr speziell.
Für die Öffentlichkeit beginnt sie mit einer Medienmitteilung am 27. Mai. Sie enthält gleich drei grosse Neuigkeiten, die mitten in den Katzenjammer des Schweizer Eishockeys am Tag nach dem verlorenen WM-Final in Prag platzen.
News Nummer 1: Gerd Zenhäusern, gerade vom Assistenten zum Sportchef befördert, entlässt als erste Amtshandlung seinen bisherigen Vorgesetzten Christian Dubé, der nach fünf Jahren im Doppelamt nur noch Trainer gewesen wäre. Statt von der Doppelbelastung befreit zu werden, ist Dubé nach 13 Jahren komplett weg. 2011 war er als Spieler zu Gottéron gekommen, nach dem Rücktritt 2015 stieg er ins Amt des Sportchefs auf, 2019 machte er sich auch noch zum Trainer.
Nummer 2: Dubés Assistenztrainer Patrick Émond wird neuer Headcoach. Aber nur für ein Jahr (mittlerweile wurde auch er entlassen, doch dazu später), weil, und das ist die Neuigkeit Nummer 3: 2025 kommt Rönnberg. Dieser steht im Sommer 2024 vor seiner zwölften und finalen Saison in Göteborg. Ein vorzeitiger Abgang und damit ein Vertragsbruch zum Abschluss kommt für den 53-Jährigen nicht infrage.
Bei Gottéron war Zenhäusern schon fast alles
Welch ein Masterplan! So viel Risiko, so viele Ungewissheiten! Aber auch die Aussicht auf nachhaltigen Erfolg, wenn unter Rönnberg nur schon ein Teil von seiner Arbeit in Göteborg umgesetzt werden kann. Doch weil das alles Zukunftsmusik ist, prasselt auf Zenhäusern seit Saisonbeginn fast nur noch Kritik ein.
Dabei kennt der 52-jährige Walliser Gottéron in- und auswendig. Als Stürmer wechselte er 1998 Ende Saison vom ZSC nach Freiburg und erlebte gerade noch das Ende der goldenen Ära mit Bykow/Chomutow.
2014 wurde er Gottérons Headcoach und erfüllte sich den Traum vom Schweizer Cheftrainer in der NLA, in der es damals erst Arno Del Curto, Kevin Schläpfer und seit kurzem auch Felix Hollenstein gab. Doch in der dritten Saison trat er nach nur wenigen Spielen zurück. Offiziell begründet wurde dies damals mit dem Wunsch nach mehr Zeit für die Familie, Zenhäusern war zum dritten Mal Vater geworden.
Heute präzisiert er: Das stimme schon. Aber weil er sich für die Saison danach für die neu geschaffene Stelle des Gottéron-Nachwuchschefs beworben gehabt habe, habe er den Wechsel sofort vollziehen müssen: «Der Club wollte keinen Trainer, der Ende Saison eh aufhört.»
Was damals nicht ging, ist also das, was Zenhäusern nun als Sportchef im Sommer 2024 sucht und mit Émond findet. Was diese Geschichte verkompliziert: Diese «Übergangssaison» ist die anspruchsvollste: Gottéron nimmt auch an der Champions League und am Spengler-Cup teil.
Und Gottéron schleppt sich bislang mit viel Mühe durch die Saison. Das Abenteuer Champions League ging in der ersten K.-o.-Runde zu Ende, enttäuschender sind die Leistungen in der Meisterschaft, in der das Team nach Rang 2 in der Vorsaison in den unteren Tabellenregionen festklebt. Darum erfolgt vier Tage vor dem Spengler-Cup die nächste Wendung: Émond wird entlassen und durch Lars Leuenberger ersetzt. Dieser hatte bereits eifrig um einen Posten als künftiger Assistent Rönnbergs geweibelt und dürfte wohl auch dieses Ziel nun erreicht haben.
Und wieder stellen sich Fragen: Was, wenn es mit Leuenberger bis Ende Saison nicht funktioniert? Oder er gar ein ähnlich wundersames Playoff erlebt wie 2016 als Interims-Meistercoach in Bern? Kann das nachher als Assistent immer noch funktionieren?
Der neue Trainer googelte schon den Ort für die Meisterfeier
All diese Episoden sind der Grund, warum in Interviews nicht mehr über nächste Saison, Rönnberg oder das System Frölunda geplaudert werden soll. Die Gegenwart ist kompliziert genug und braucht den ganzen Fokus. Dies gilt übrigens auch für den künftigen Trainer Gottérons.
Der extrovertierte Rönnberg erheiterte im November die Eishockey-Schweiz, als er dem «Blick» verriet, auf Google Maps den geeignetsten Ort für die erste Meisterfeier in Freiburg schon gesucht und gefunden zu haben. Läuft alles nach Plan, wird sich auch der Schwede bis Saisonende nur noch zu seiner Arbeit bei Frölunda äussern.
Als würde die durch die diffizile Aktualität zusätzlich generierte Unruhe auf dem ohnehin ständig emotionalen Planeten Gottéron nicht reichen, passierte bereits Ende Oktober auch noch dies: Der einmal mehr unzufriedene Stürmer Chris DiDomenico erzwang wie schon in Langnau und Bern einen Abgang vor Vertragsende und wurde in einem Spielertausch nach Ambri abgegeben.
Es hiess, der Kanadier habe zuvor noch auf eine vorzeitige Vertragsverlängerung gepocht, wozu Gottéron nicht bereit gewesen sei. Für den hin und wieder unkontrollierbaren Alleinunterhalter und taktischen Freigeist erhielten die Freiburger mit Jakob Lilja einen unspektakulären, aber systemtreuen Team-First-Stürmer.
Parallel kamen aufsehenerregende Massnahmen des Trainers Émond dazu. Plötzlich waren namhafte Spieler wie der als Königstransfer geholte Neuzuzug Yannick Rathgeb oder der formschwache Lokalheld Killian Mottet überzählig. Und Émond sparte nicht mit ehrlicher, aber auch ungewohnt öffentlicher Kritik, vor allem bezüglich der defensiven Schwächen des oft sorglos wirkenden Offensivverteidigers Rathgeb.
Trotz allem kommt nur ein Trainer, kein Messias
Der Blick auf die Zukunft mit Rönnberg wird bei diesen Themen besonders interessant: Sind sie bereits Hinweise auf nächste Saison? Denn der Schwede steht vor allem für sehr hartes Training, auch während der Saison, defensive Disziplin, Struktur und Systemtreue. Aber auch für Jugendförderung. Allerdings müssen die Junioren physisch bereits auf dem Niveau der Profis seindas ist unverhandelbar bei der Beförderung in die 1. Mannschaft.
Was Zenhäusern bei Gottéron in Bewegung gesetzt hat, ist also ein grosser Kulturwandel auf vielen Ebenen.
Dazu passen auch bereits feststehende Verpflichtungen wie jene der Verteidiger Patrik Nemeth und Andrea Glauser, die alle Voraussetzungen mitbringen, unter Rönnberg aufzublühen. Kein Zufall ist auch die Intensivierung der Beziehung zum Swiss-League-Club Thurgau. Dort wirkt mit Anders Olsson ein Coachder nicht nur ein Landsmann Rönnbergs ist, sondern in der Trainingsphilosophie ähnlich tickt und bereits in der aktuellen Saison ganz im Sinne Zenhäuserns mit Freiburger Leihspielern gearbeitet hat. Thurgau ist mittlerweile ein Geheimtipp: Auch Kloten pflegt eine Zusammenarbeit.
Zenhäusern will sich zu all dem nur allgemein äussern: «Mit unserem Budget können wir nicht mit den Besten mithalten. Für unsere Ziele und Strategien brauchen wir einen grossen Wechsel, auch personell.» Er weiss, dass bei solch fundamentalen Veränderungen auch Geduld vonnöten sein wird. Die Erwartungen an Rönnberg werden riesig sein, und trotz aller Vorschusslorbeeren kommt ein Trainer und kein Messias, der die Hand auflegt und weiterzieht.
Die Chance auf nachhaltigen Erfolg ist gross, die Fallhöhe auch. Die Bedingungen in Schweden und in der Schweiz sind bei der Spielerausbildung nur schon wegen der unterschiedlichen Schulsysteme nicht vergleichbar. Es wird nicht nur Geduld brauchen fürsondern auch vom äusserst fordernden Rönnberg. Er wäre nicht der erste Trainer aus dem skandinavischen Raum, der angesichts des in der Heimat üblichen Standards zu schnell und zu viel aufs Mal will.
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