Der 25. «Tatort» aus Dortmund ist wieder klasse. Eine skurrile Mörderjagd endet überraschend, es gibt grossartige Dialoge. Und Rosa Herzog hat den Laden im Griff.
An manchen Sätzen erkennt man die Qualität eines «Tatorts»: «Wollen Sie nicht eine rauchen gehen, auch wenn Sie keine rauchen?», sagt die Hauptkommissarin Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) zu Peter Faber (Jörg Hartmann). Der versteht und verzieht sich, bevor er die Befragung mit seinem Zynismus an die Wand fährt.
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Damit ist alles gesagt über das Zusammenspiel im Dortmunder Team, das nach zwei gravierenden Verlusten wie eine kleine, verschworene Schicksalsgemeinschaft anmutet. Rosa hat zwar den Leitungsposten nicht bekommen, aber sie hält den Laden zusammen. Später in diesem Film wird Faber auf die Frage, wie es ihm gehe, antworten: «Grossartig wäre untertrieben.» Da schlummern sie noch, die manischen Faber-Vibes. Hätte er sich ohne Rosa Herzog überhaupt wieder aufgerafft nach Bönischs Tod? Und wird die Kollegin auf Dauer verhindern können, dass Faber irgendwann wieder austickt und ins alte Muster des Wut-Cops zurückfällt? Stefanie Reinsperger wirkt in dieser überlebenswichtigen Rolle, als hätte sie nie etwas anderes gemacht.
Wer befürchtet hat, dass alles auseinanderbricht in Dortmund, wo seit 2012 eine der besten Spielarten, die der «Tatort» je hatte, beheimatet ist, der kann erleichtert aufatmen: Läuft. Die Befindlichkeit der Figuren war in Dortmund nie die Hauptsache, lieferte aber die existenzielle Frage, ohne die hier nichts geht.
Skurrile Mördersuche
Unterschwellig ist also die Stimmung gereizt in dieser Folge mit dem Titel «Made in China», in der ein totgeglaubter, jedenfalls spurlos verschwundener Stahlunternehmer den Ermittlern Rätsel aufgibt. Gleich zu Anfang wird in einem Asia-Shop eine junge, blutüberströmte Frau aufgegriffen, die stammelt, sie habe jemanden umgebracht. Es kommt zu einer seltsam skurrilen Mördersuche, bei der die fehlende Leiche noch nicht das grösste Problem zu sein scheint.
Zur allgemeinen Irritation trägt hier die neue Mordkommissions-Leiterin Ira Klasnić (Alessija Lause) bei, die intern so operiert, als wäre sie immer noch für verdeckte Ermittlungen zuständig. Was nicht gut ankommt in diesem Team mit traditionell flacher Hierarchie. Auch flache Hierarchien seien Hierarchien, erklärt Klasnić ungerührt gegenüber Rosa Herzog, die das nun besonders schmerzvoll trifft. Für die Rolle einer Sympathieträgerin gibt es, was Klasnić anbelangt, also noch Luft nach oben. Allmählich zur Masche verkommt dagegen der Charakter des Kriminaltechnikers Haller (Tilman Strauss), der sich mit Faber bei jeder Begegnung einen Gockelkampf liefert. Diesen dümmlichen Streit, der die Totenruhe von Martina Bönisch stört, dürften sie in Dortmund nun einmal sein lassen.
Die Dialoge sind hinreissend
Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, denn die Sorgfalt, die der Autor (Wolfgang Stauch) und die Regie (Jobst Christian Oetzmann) hier an den Tag legen, hebt sich vom «Tatort»-Einheitsbrei deutlich ab. Zum respektlosen Humor und zu den hinreissenden Dialogen gesellt sich das im Zentrum der Ermittlungen stehende leicht exzentrische Personal der Stahldynastie Haiden, allen voran Ehefrau und Mutter Sophia (Marie-Lou Sellem). Diese bespielt ihre wunderbare Villa in parkähnlichem Garten zwischen Lügen und unverfrorenen Behauptungen wie eine Bühne, wenn sie der Polizei auf die Frage, ob denn Ehemann und Tochter auch hier leben würden, antwortet: «Manchmal ja, manchmal nein.»
«Made in China» ist der 25. Fall aus Dortmund und macht richtig Spass. Weil sich hier ein Krimi zum spannenden Vexierspiel aufschwingt und die Auflösung zum Schluss eine wirkliche Überraschung bietet.
Erfreulicherweise verzichtet man in Dortmund zum Stephanstag auf jegliche Weihnachtsdekoration, wie sie zuvor Bremen und Zürich in ihren Mordsgeschichten bemüht abfeierten. Es würde auch gar nicht passen, dass die Kommissare wie Weihnachtsmänner durch den Ruhrpott wichteln in einer Tränendrüsengeschichte aus dem sozialen Abseits.
Die besinnliche Frage kommt eher beiläufig daher, wenn für einen kurzen Moment Herzogs Mutter und deren RAF-Hintergrund beziehungsweise Fabers von der Demenz gezeichneter Vater ins Blickfeld rücken. Dann geht es um die verpasste Zeit. Es hätte alles besser laufen können, aber das Leben ist nun einmal selten ein Weihnachtsfest.
«Tatort» Dortmund: «Made in China», am Donnerstag, 26. Dezember, um 20 Uhr 15 in der ARD.