TV-Kritik «Tatort» –
Faber ganz oldschool: Mit dem Opel Manta gegen chinesische Drohnen
Zu Weihnachten erscheint ein Ruhrpott-Krimi, der «Tatort»-typisch alles mit der weiten Welt verknüpfen will. Das geht oft schief – aber in einer Szene so richtig gut.
Publiziert heute um 21:00 Uhr
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«Wen haben Sie erstochen?», fragt Faber. Kann ja mal passieren, dass da etwas verschwimmt in der Erinnerung, so ein Mord halt, und überhaupt, mit dem Messer oder ohne, wo ist die Leiche hin, und wie war das alles?
So denkt sich das Faber (Jörg Hartmann), der in Dortmund eine heillos verwirrte junge Frau auf dem Posten hat, mit Blut an den Händen und Blackout im Kopf. Sie behauptet, dass sie jemanden erstochen hat, aber nicht mehr weiss, wen. Faber ist überzeugt, dass das Quatsch ist. Aber wie ist es dann?
Da tappen wir eine gute Weile im Dunkeln, aber nur genau so lange, dass wir nicht abhängen im neuesten Fall von Faber, der sich auswächst zu einer Familientragödie, zu einer Spionageaffäre. Jo Haiden, im Film kaum je zu sehen, soll der Getötete sein, er hat eingeheiratet in die traditionsschwere Stahlunternehmerdynastie Haiden, und bald einmal wird klar, dass er in seiner Jugend alles andere als ein Ökonom war, sondern RAF-nah und im linksextremen Widerstand aktiv. Ein Roter eben, und was läge da näher als ein bisschen Industriespionage für China aus der neu gewonnenen Familienperspektive? Die Story (Drehbuch: Wolfgang Stauch) jedenfalls steht nicht im Verdacht, unterambitioniert zu sein.
Die mühevolle Inszenierung als Familienfilm
Und Faber? Nach dem Abgang seines Partners Pawlak ist er noch etwas schwach auf der Brust. Verbittert reibt er sich am von ihm so ungeliebten Rechtsmediziner Haller (Tilman Strauss) oder an Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger). Die neue Chefin Ira Klasnic (Alessija Lause) kann damit umgehen, dass sie beim Personal zunächst nicht so ankommt.
Aber nach einem Ruhrpott-gerechten, fahrigen Beginn mit grummeligen Ermittlern und schleppender Entwicklung nimmt der Fall Fahrt auf. Die Zusammenhänge werden gross und grösser: Der Bundesnachrichtendienst ist plötzlich da, es geht um den Verfassungsschutz, um China und die Stahlindustrie, um alten Terror und neues Geld, eigentlich um nichts Geringeres als die Weltmacht.
Wie erfrischend, dass irgendwann auch Faber zu alter Stärke findet, böse, klug und gewitzt ermittelt, die Hände im Parka und im Kopf den Kollegen irgendwann wieder einen Schritt voraus.
Mit den beiden vietnamesischen Zigarettenschmugglern, die von Faber und Herzog in einem Anflug von Alarmismus gegenüber allem Asiatischen verfolgt werden, nimmt sich der Film wunderbar selbst auf die Schippe: Weil manchmal alles so schnell geht, muss das noch lange nicht heissen, dass die Lösung die naheliegendste, also der nächste Asiate mit verdächtigem Koffer ist.
Einzig die Einbettung als Familienfilm steht dem Krimi schlecht an. Rosa Herzog befragt ihre RAF-kundige Mutter im Gefängnis wie seinerzeit die FBI-Agentin Clarice Starling den Mörder Hannibal Lecter: als Informantin mit Täter-Know-how. Zwischen ermittlungstechnische Fragen schiebt sie ein paar innerfamiliäre Vorwürfe. Faber schaltet in einer Szene kurz auf emotional zugänglich wegen seines kranken Vaters, und die Geschichte um Jo Haiden, der offenbar mehr als eine Tochter hat, wächst sich aus zum Familiendrama.
Das ist viel, ein bisschen zu viel. Man wünscht sich mehr Schnörkellosigkeit wie in Szenen, als die planlosen Ermittler mit dem Auto eine Drohne der mutmasslich chinesischen Erpresser verfolgen. Das ist nicht nur aussichtslos, sondern auch wunderbar verdichtend: Ein wütender Faber gegen schlaue Verbrecher, Opel Manta gegen moderne Technik, damals gegen heute, der Westen gegen China.
China gewinnt die Verfolgungsjagd mühelos. Aber es ist ja auch nicht die letzte Szene des Films.
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