Sie wollen Volksparteien sein – CDU und SPD. Sie hören den Menschen bei einem zentralen Thema nicht zu oder schenken ihnen keine Aufmerksamkeit. Man kann sie daher „der Pflicht vergessen“ nennen, um einen Ausdruck des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zu zitieren.
Unsere wirklich wunderbare liberale Demokratie ist in großer Gefahr. Überall sind populistisch-autoritäre Systeme auf dem Vormarsch: Amerika, Frankreich, die Niederlande, mittlerweile auch in Österreich, seit langem auch in Osteuropa. Für Deutschland, das nach wie vor wichtig und einflussreich ist, wäre es besonders wichtig, die Flagge der Freiheit und Demokratie hochzuhalten – ich habe es bewusst so pathetisch ausgedrückt.
Merz und Scholz: die unbeliebten Kanzlerkandidaten
Die zentristischen demokratischen Parteien müssen daher den unbedingten Ehrgeiz haben, bei der nächsten Bundestagswahl so stark wie möglich zu werden, nicht nur um ihrer selbst willen, sondern um unseres Gemeinwohls willen. Dazu müssten sie sich den Wählern möglichst attraktiv präsentieren, ohne populistisch zu werden.
Ein wichtiges Attraktivitätsmerkmal ist das Spitzenpersonal, also die Spitzenkandidaten, die bundesweit mit Plakaten beworben werden und Wähler anlocken sollen. Die Volksparteien früherer Zeiten folgten dieser politischen Binsenweisheit: Die Union stellte fast immer die populärste Partei in den Vordergrund. Mit Willy Brandt, Helmut Schmidt und Gerhard Schröder hatten die Sozialdemokraten Kanzlerkandidaten, die das Wählerreservoir weit über ihre Kernwählerschaft hinaus ausschöpften. Es handelte sich also um echte „Wahllokomotiven“.
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Union und SPD tun heute nichts dergleichen. Die persönlichen Umfragewerte von Kanzlerkandidat Friedrich Merz bleiben weit hinter den prognostizierten Prozentsätzen der CDU/CSU zurück. Mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst gibt es einen Parteifreund, der bundesweit weitaus beliebter ist. Doch Friedrich Merz bleibt seinem persönlichen Ehrgeiz treu. Die Umfragewerte seiner Partei liegen trotz der historischen Schwäche seiner politischen Gegner seit langem bei rund 30 Prozent.
Nicht einmal die SPD glaubt an Olaf Scholz
Noch schlimmer sieht es bei der SPD aus: Olaf Scholz ist der unbeliebteste Kanzler seit Gründung der Bundesrepublik. Seine Zustimmungswerte bleiben im Keller. Auch innerhalb seiner eigenen Partei herrscht enorme Skepsis. Und die SPD könnte mit Boris Pistorius den beliebtesten deutschen Politiker aufstellen. Was für eine Gelegenheit für die Kameraden, wirklich aufzuholen. Doch Scholz, der offensichtlich noch nie Selbstzweifel erlebt hat, hält sich immer noch für den Besten und nimmt seine Partei als Geisel. Die Delegierten folgen ihm wie die berühmten Lemminge und machen ihn trotz aller Misserfolge erneut zum Kanzlerkandidaten.
Der persönliche Ehrgeiz von Scholz und Merz ist das eine. Aber dass die Parteien sich in dieser für die Demokratie so entscheidenden Zeit so entmündigen lassen oder selbst entmündigen, ist das andere, das wirklich Schlimme.
„Pflichtvergessen“, um den Ausdruck des großen Richard von Weizsäcker ein zweites Mal zu verwenden. Und die rechtsextreme Höcke-Weidel-AfD wird mittlerweile immer radikaler, immer dreister und immer mächtiger.