Die Gewerkschaften drohen mit dem Scheitern der Verhandlungen mit der EU, wenn die Schweiz die EU-Regeln für Arbeitnehmerentgelte übernimmt. Ein Bericht der Europäischen Kommission zeigt jedoch, dass bestimmte europäische Länder die Regeln nicht einhalten.
Remo Hess, Brüssel / ch media
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort – spätestens seit 2018 ist dieses Triptychon auf Ebene der Europäischen Union (EU) gesetzlich verankert.
Doch das reicht den Schweizer Gewerkschaften nicht. Neben dem allgemein schwächeren Lohnschutz in der EU kritisieren sie insbesondere die Gebührenregelungen. Dies besagt, dass In die EU entsandte Arbeitnehmer sollten nicht nach den örtlichen Sätzen, sondern nach denen ihres Herkunftslandes entlohnt werden. Wenn beispielsweise ein polnischer Arbeitnehmer für einen Auftrag vorübergehend in die Schweiz geht, erhält er oder sie nur polnische – nicht schweizerische – Honorare für Unterkunft und andere Kosten.
In den Augen der Gewerkschaften handelt es sich um einen Verstoß, der Lohndumping begünstigt, was nicht nur den entsandten Arbeitnehmern schadet, sondern auch zu unlauterem Wettbewerb gegenüber Schweizer Arbeitnehmern führt. Neben den Gewerkschaften lehnen auch Arbeitgeber das europäische Gebührensystem ab.
Dänemark und Finnland: unser Territorium, unsere Kosten
Noch, Die Regelung ist innerhalb der EU selbst sehr umstritten. Es ist das Ergebnis einer schwierigen Kompromisssuche: Die östlichen EU-Länder haben die Verschärfung des Lohnschutzes 2018 nur akzeptiert, weil sie ihren letzten Wettbewerbsvorteil in Form niedrigerer Gebühren behalten konnten.
In einem am Dienstag veröffentlichten Bericht zur Umsetzung der überarbeiteten Entsenderichtlinie untersuchte die Europäische Kommission, wie die Gebührenregelungen in verschiedenen Mitgliedstaaten tatsächlich angewendet werden. Abschluss: Eine Vielzahl von EU-Ländern legt in ihren Rechtsvorschriften nicht fest, welches Recht dort gilt – das nationale Kostenrecht oder das des Herkunftslandes des entsandten Arbeitnehmers.
Dies eröffnet den Weg zu unterschiedlichen Anwendungen. Wir wissen beispielsweise, dass Deutschland keine europäischen Vorschriften anwendet und in der Praxis nationale Gebührensätze erhebt. Zum Beispiel durch Tarifverträge.
Zwei Länder gehen noch einen Schritt weiter und haben in ihren Gesetzen ausdrücklich verankert, dass die nationalen Gebührensätze auch für externe Arbeitskräfte gelten, unabhängig vom europäischen Recht. Dies sind Dänemark und Finnland, wie aus einem dem Bericht beigefügten Dokument hervorgeht. Dies könnte für Schweizer Verhandlungsführer sehr interessant sein. Damit haben sie Argumente in der Hand, von Brüssel Zugeständnisse zu fordern.
Was beabsichtigt die Europäische Kommission zu tun?
Es ist jedoch nicht sicher, ob die Europäische Kommission der Aufnahme von Gesprächen zustimmen wird. Bisher wurden aus europäischen Kreisen unterschiedliche Botschaften ausgesendet. Einerseits würden die viel umfassenderen Verhandlungen mit der Schweiz allein an diesem ganz konkreten Punkt sicherlich nicht scheitern. Andererseits wären die Kosten nicht Teil der gemeinsamen Vereinbarung zwischen Bern und Brüssel, die die zweijährigen Sondierungsgespräche zusammenfasst und als roter Faden für die Gespräche dient.
Es ist klar, dass Aufgrund der intern herrschenden Verwirrung ist das Thema für die EU heikel. Im Allgemeinen ist die Regel einfach: Sie können einem Drittland wie der Schweiz keine Zugeständnisse machen, wenn Sie diese nicht den EU-Mitgliedern gewähren.
Was beabsichtigt die Europäische Kommission zu tun? Die Frage bleibt offen. Wird sie als Hüterin der Verträge rechtliche Schritte gegen Staaten einleiten, die sich nicht an die Gebührenvorschriften halten? Oder wird sie ein Auge zudrücken?
Die erste Option scheint zumindest im Moment unwahrscheinlich: In den Schlussfolgerungen des Berichts geht es lediglich darum, dass die Europäische Kommission „den Dialog mit den Mitgliedstaaten sucht“ und dass die Europäische Arbeitsagentur (EUA) für mehr Transparenz im Bereich der Gebühren sorgt. Mittlerweile rücken Probleme im Zusammenhang mit der Entsendung von Nicht-EU-Bürgern und Mehrfachentsendungen in den Fokus der Aufmerksamkeit.
Kürzlich schlugen mehrere Schweizer Europarechtsexpertinnen wie Astrid Epiney und Christa Tobler dem Bundesrat einen eher unkonventionellen Weg vor. Ihrer Meinung nach sollte die Gebührenverordnung formell verabschiedet, dann aber auf eigene Weise angewendet werden.
Ebenso wie Dänemark und Finnland.
Übersetzt und adaptiert von Tanja Maeder