Die letzte Ausgabe des „Choose France“-Gipfels im Mai führte laut Élysée-Zählung zu einem Rekordbetrag von fast 15 Milliarden Euro an versprochenen Investitionen, insbesondere in neue Fabriken. Im nächsten Jahr könnte es schwieriger werden, das Kunststück zu wiederholen. Denn inzwischen sind die Flitterwochen ausländischer Investoren mit Frankreich zu Ende. Laut der Umfrage des Unternehmens EY im Oktober unter 200 internationalen Entscheidungsträgern – nach der Ernennung von Michel Barnier zu Matignon – haben 49 % der ausländischen Investoren in Frankreich ihre Investitionen nach unten korrigiert.
Kein abgebrochenes Projekt
Der einzige beruhigende Punkt der Umfrage: Bisher hat noch kein Investor seine Investitionspläne in Frankreich aufgegeben, wie es nach dem Brexit-Referendum im Vereinigten Königreich der Fall war. Der Schock über den Austritt aus der Europäischen Union führte dann zu einem Rückgang der britischen Direktinvestitionen im Ausland um 15 %.
Auch die überwiegende Mehrheit der ausländischen Investoren plant, pausierte Projekte ab 2025 wieder aufzunehmen, nämlich 84 %. Die politischen Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Haushaltsdebatte, die zum Zeitpunkt der Umfrage noch nicht begonnen hatte, trugen zu dieser Abkühlung der Attraktivität Frankreichs bei. „Unternehmen rechnen mit zusätzlichem Steuerdruck“betont Marc Lhermitte, Partner bei EY. Die Debatten um den nächsten Haushalt könnten einige seiner Befürchtungen bestätigen, während die Senatoren planen, Änderungsanträge zur Kürzung der Forschungssteuergutschrift einzureichen. In diese Richtung gehen auch die außerordentliche Erhöhung der Umlagen für Großkonzerne und die geplante Reduzierung der Beitragsermäßigungen für Unternehmen.
Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem europäischen Wirtschaftskontext
In der Debatte über die öffentlichen Finanzen hängen die Bedenken ausländischer Investoren gegenüber Frankreich hauptsächlich mit dem europäischen Wirtschaftskontext zusammen. Und die große Verlangsamung, die seit dem Sommer bei Unternehmen auf Nachfrage zu beobachten ist. „Es gibt besondere Bedenken hinsichtlich der Branche»unterstreicht Marc Lhermitte. Nur 49 % der ausländischen Investoren planen, in den kommenden Jahren Fabriken in Frankreich zu errichten. Projekte zur Einrichtung von F&E-Zentren halten sich besser, 61 % beabsichtigen, dies in den nächsten drei Jahren zu tun, was erneut für die Steuergutschrift für Forschung spricht. Allerdings haben ausländische Investoren in den letzten Jahren unbestreitbar zur zaghaften Reindustrialisierungsbewegung beigetragen: Im vergangenen Jahr wurden von ausländischen Konzernen 530 Produktionsstandortprojekte beschlossen, die fast 20.000 Arbeitsplätze darstellen.
Diese Investitionswarnung gilt nicht nur für ausländische Investoren. Laut dem neuesten Bpifrance-Barometer ist der Anteil der KMU, die in diesem Jahr Investitionen getätigt haben, seit Jahresbeginn um 9 Punkte gesunken. Mehrere in den letzten Jahren angekündigte große Vorzeige-Industrieprojekte wurden im Batterierecycling auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, wobei die Projekte von Eramet und Stellantis oder im Kunststoffrecycling mit Loop auf Eis gelegt wurden.
Das Bild Frankreichs hat sich jedoch nicht völlig verändert. Im düsteren europäischen Kontext erscheint die Attraktivität Deutschlands in den Augen ausländischer Investoren noch stärker gemindert als die Frankreichs. Seit 2018 ist Deutschland bei der Zahl der jährlich angezogenen ausländischen Investitionen auf den dritten Platz zurückgefallen, mit 733 identifizierten Projekten im Jahr 2023 im Vergleich zu 1.127 im Jahr 2017. Das Vereinigte Königreich hingegen gilt inzwischen als attraktiver als Frankreich von internationalen Gruppen. Mitte Oktober organisierte Labour-Premierminister Keir Starmer einen großen Gipfel, bei dem führende ausländische Chefs zusammenkamen. Eine Veranstaltung, die direkt von „Choose France“ inspiriert ist, das sich Emmanuel Macron ausgedacht hat.