Was Passiert nun mit unserem Altglas?

Was Passiert nun mit unserem Altglas?
Was Passiert nun mit unserem Altglas?
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Die Waadt hat sogar den Bundesrat mobilisiert, um die Glashütte von Saint-Prex zu retten – ohne Erfolg. Die Gemeindebehörden bieten den entlassenen Mitarbeitern einen Hoffnungsschimmer.

Die Mobilisierung der Angestellten hat nichts bewirkt: Vetropack schliesst sein Werk in Saint-Prex.

Jean-Christophe Bott / Keystone

Am 30. April ist Spitzentreffen: Die Vertreter des Glasherstellers Vetropack treffen sich in Bern mit Guy Parmelin, Albert Rösti und Isabelle Moret. Wir haben jetzt zwei Bundesräte und eine Staatsrätin in den Ring steigen, muss die Angelegenheit ernst sein. In der Tat: Es ging um die geplante Schliessung der Glasflaschenfabrik von Saint-Prex – der letzten der Schweiz.

Verändert hat das Treffen nichts: Vetropack gibt seinen Produktionsstandort mitten im Waadtländer Weinbaugebiet auf. Selbst bei millionenschweren Investitionen sei die Wirtschaftlichkeit des Werks nicht gegeben. Auf die Dauer sei ein profitabler Betrieb schlicht nicht möglich, teilte das Unternehmen am Dienstagmorgen mit. Bis zu 180 Angestellte verlieren wahrscheinlich ihre Stelle.

Dies ist ein Schritt, der nach dem am 7. März eröffneten Konsultationsverfahren zu erwarten war. Doch dazwischen ist viel passiert. Nicht nur die Mitarbeiter mobilisierten sich, auch der Kanton Waadt warf sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale.

In dritter Generation am Ofen

Die Namen Pierre-Yves Maillard und Pascal Broulis sind zwei der folgenden Beispiele. Das Kantonsparlament verabschiedete einen Vorstoß, den Konzern aufforderte, „sämtliche Optionen zum Erhalt des Werks zu prüfen“. Und in der Sondersession am April kündigten schließlich alle 19 Waadtländer Nationalräte an, dass sich angelichts des Vetropack-Schicksals „eine Schweizer Industriepolitik aufdrängt“.

Dass sich auch sämtliche bürgerlichen Politiker hinter die illiberale Forderung stellt, illustriert die diesbezüglich unterschiedlichen Befindlichkeiten in der Romandie. Vor allem aber zeigt die Solidaritätswelle, dass die 1911 gegründete Verrerie de Saint-Prex für die Waadt weit mehr als nur eine Glashütte ist: Die Geburtsstätte von Vetropack, die unzähligen Weinproduzenten der Region glauben, ist tief in der Gegend verwurzelt. Zahlreiche Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten und manchmal in zweiter oder gar dritter Generation am Schmelzofen tätig.

Entsprechend emotional wurde am Dienstag der letzte Entscheid der Geschäftsleitung aufgenommen. Mit einer Mischung aus Enttäuschung, Wut und Trauer nahmen spontan einige Vertreter der Personalkommission und der Gewerkschaften an der Pressekonferenz teil. Wenn Sie sich keine Sorgen machen müssen, lesen Sie bitte die eigenen Angaben aus der Presse von der definitiven Schliessung erfahren haben (was die Geschäftsleitung bestreitet).

Sie haben bereits gehört, dass dies der Fall ist, und der Wortlaut ist korrekt. Die Arbeitnehmer hatten während des Konsultationsverfahrens verschiedene Konzepte eingereicht, wie die Wirtschaftlichkeit erhöht werden könnte – etwa mit der Einführung einer anderen Schmelztechnologie (Oxyfuel-Verfahren), neuen Produktionslinien oder Investitionen in die Nachhaltigkeit des Standorts.

Eine Wanne für 30 Millionen Franken

Die „ambitionierten Überlegungen“ hätten mit der Vetropack-Führung „sehr beeindruckt“, sagte der Konzerndirektor Johann Reiter vor den Medien. Überzeugt haben sie aber offenbar nicht. Nun kamen die Verantwortlichen zu dem Schluss, dass das Grundproblem des Werks – die hohen Betriebskosten der Produktion – auch bei massiven Investitionen weiterhin Bestand hatte.

Johann Reiter, CEO der Vetropack-Gruppe, berichtet von der Pressekonferenz des Schliessungsentscheids.

Cyril Zingaro / Keystone

Zur Einordnung: Allein der Satzatz der einzigen, dringend sanierungsbedürftigen Schmelzwanne würde 30 Millionen Franken verschlingen. Wirtschaftliche Glaswerke verfügen jedoch über zwei oder drei solcher Wannen. Wenn Sie in Saint-Prex den Standort der Fabrik außerhalb der Fabrik sehen, ist sie gleichzeitig in der Nähe des Platzes.

Weitere Zuschüsse sind auf der Grundlage unabhängiger Kosten möglich. Bei den Diskussionen mit dem Wirtschafts- und dem Umweltdepartement ginges um allfällige Unterstützungen im Rahmen der Innovationsförderung oder des Emissionshandels zur Reduktion des CO2-Ausstoßes. Ein ordnungspolitischer, rechtlicher und wirtschaftlich gangbarer Weg ergab sich daraus aber nicht.

Dies sind die Erkenntnisse, die auch andere energieintensive Industriebetriebe der Schweiz jüngst gewinnen mussten – etwa die wenigen verbliebenen Stahl- und Aluminiumhersteller. Reiter sagte auf der Pressekonferenz: „Letztlich ist das kein Vetropack-Problem: Wir sind uns bewusst geworden, wie schwierig oder gar unmöglich es ist, bestimmte Produkte in der Schweiz überhaupt noch zu produzieren.“

Stolze Recycling-Zitat

Das Ende des Schweizer Glasgesetzes lenkt auch die Auswirkungen auf eine der Tugenden, auf welche die hiesige Bevölkerung besonders stolz ist: das Recycling. Beim Altglas, wo die Verwertungsquote rund 97 Prozent beträgt, gehört die Schweiz zur Weltspitze.

Von den jährlich weit über 300.000 Tonnen Altglas verarbeitet Vetropack nach eigenen Angaben rund 150.000 Tonnen. Zwei Drittel davon wurden bis dahin in Saint-Prex eingeschmolzen und zu neuen Flaschen verarbeitet.

Das wird fortan nicht mehr möglich sein, sämtliches Schweizer Altglas muss nunmehr ins Ausland transportiert werden. Die Konsumenten dürften davon nichts mitbekommen, sie können ihre leeren Gläser weiterhin bei den gängigen Sammelstellen einwerfen. Wir haben keine Flaschen auf der Innenseite der Flasche, aber sie muss leicht und hell sein und markiert sein.

Aber ergibt es Sinn für ein Unternehmen, das sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreibt, schweres Altglas nach Italienisch oder Österreich zu gebracht? Der Konzernchef Reiter sagt, dass es auf die Transportlogistik ankomme. Der Grossteil des Altglases gelange per Zug ins Ausland. Sie können auch sehen, wie die Hälfte des in Saint-Prex hergestellten Neuglases für umliegende Länder bestimmt war. Oder anders geht: Ob eine Weinflasche in formschönem oder zertrümmertem Zustand auf die Reise geht, macht in der Umweltbilanz keinen Unterschied.

Vetropack gehört zu den führenden Glasverpackungsherstellern in Europa.

Alessandro Della Bella / Keystone

Begehrte Lage

Für die Vetropack-Mitarbeiter, die nun ihre Stelle verlieren, ist das ein schwacher Trost. Das Unternehmen verspricht ihnen einen großzügigen Sozialplan, aber sie werden sich neu orientieren müssen. Hier können die Gemeindebehörden von Saint-Prex, solange sie alt sind – auch die Tage – ein Ort und eine Stelle bleiben können.

Vetropack hat zwar noch nicht angekündigt, was mit den über 90.000 Quadratmetern Land in bester Lage, gleich neben dem Bahnhof und unweit des Sees, vorhatte. Dies ist, was davon sagt, das Unternehmen wird Ihnen zugesandt. Ein Interessent ist noch nicht verfügbar.

Präsident Stéphane Porzi weiß, dass sein Mann vor Ort die Industriezone leitet und die Verantwortung für die Vetropack-Mitarbeiter bereits in der aktuellen Perspektive trägt. Der Bau von Wohnungen, der ohnehin eine langwierige Umzonung bedingen würde, steht derzeit nicht zur Diskussion.

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