Am Mittwochmorgen um 7.30 Uhr griff J.T.* (52) an einer Bushaltestelle in Samnaun GR einen zehnjährigen Jungen an. Danach ging er nach Hause, rief die Polizei an und liess sich «seelenruhig» festnehmen, wie Nachbarn gegenüber 20 Minuten später sagen. Passanten haben das Kind in eine örtliche Arztpraxis gebracht, wo es erstversorgt wurde. Später flog die Rega den Jungen ins Spital in Chur, gemäss Polizei ist er schwer, aber nicht lebensbedrohlich verletzt.
Der Bruder von T. lebt in Zürich. Während Nachbarn in Samnaun sich schockiert zeigen, weiss er, wie es so weit kommen konnte. Er erzählt, dass sein Bruder sich in letzter Zeit immer mehr abgeschottet und isoliert habe. «Seit dem Tod unserer Mutter hat er nicht mehr gearbeitet und ist dem Alkohol verfallen. Er zog sich komplett von der Gesellschaft zurück, war nur noch zu Hause und spielte auf mehreren Bildschirmen gleichzeitig irgendwelche Killerspiele. Leider erstaunt es mich gar nicht, dass jetzt so etwas passiert ist.»
In die Bestürzung über die Tat mischt sich beim Bruder Wut: «Ich kann mit so einem Lebensentwurf einfach nichts anfangen. Ich bin ein rechtschaffener Bürger, arbeite viel und hart. Ich habe auch immer wieder versucht, auf meinen Bruder einzureden, habe ihn gedrängt, doch zumindest 50 Prozent arbeiten zu gehen, damit er einen geregelten Tagesablauf hat. Mir geht einfach nicht in den Kopf, wie mein Bruder so werden konnte.» Es sei auch nicht das erste Mal, dass dieser auffällig geworden sei: «Mit der Zeit sah er alle als Feinde an. Er zeigte diverse Leute aus dem Dorf aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen an.»
Ihm selber und seiner Frau habe T. Gewalt angedroht. «Das gipfelte vor einigen Jahren in einer Morddrohung. Wir gingen danach eine Weile in die Ferien und als wir zurückkamen, wollte ich meinen Bruder anzeigen. Doch die Polizei sagte mir, dass ich das innerhalb von drei Monaten hätte tun müssen. Also passierte nichts.» Auch bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde habe er Meldung erstattet. «Doch da wurde nur geredet, getan haben die auch nichts.»
Dass es jetzt so weit habe kommen müssen, das mache ihn wütend: «Auch wenn er mein Bruder ist. Ich hoffe wirklich, dass sie ihn verwahren und nicht wieder auf freien Fuss lassen. Er hat komplett den Bezug zur Realität und zur Gesellschaft verloren. Leider kann ich nicht die Hand ins Feuer legen, dass so etwas nicht noch einmal vorkommt.»
Mit dem Vater des Opfers habe er heute noch telefoniert. «Ich wünsche dem Jungen schnelle Genesung und seiner Familie nur das Beste. Im Moment sind sie verhalten optimistisch, was die Genesung des Jungen angeht.» Er sei eigentlich froh gewesen, dass er von Samnaun weggekommen sei, sagt der Bruder des Täters. «Jetzt muss ich aber natürlich wieder ins Dorf und gemeinsam mit meinen Angehörigen schauen, wie es weitergeht.»
*Name der Redaktion bekannt
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