Stadler Rail: Naturkastastrophen haben hohen Preis

Stadler Rail: Naturkastastrophen haben hohen Preis
Stadler Rail: Naturkastastrophen haben hohen Preis
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Die Überflutungen in Valencia treffen Stadler schwer. Für derartige Ereignisse kann der Schienenfahrzeughersteller nichts, aber Anleger verlieren die Geduld mit ihm und seinem Patron.

Markus Bernsteiner, der Konzernchef von Stadler Rail, will die Rückstände bei den Auslieferungen rasch aufholen.

Ennio Leanza / Keystone

Überflutungen hat es immer gegeben, doch in diesem Jahr haben sie besonders in Europa ein besorgniserregendes Ausmass angenommen. Ein Lied davon kann der Schienenfahrzeughersteller Stadler Rail singen, der im bisherigen Jahresverlauf gleich in drei Gegenden von den Auswirkungen derartiger Naturkatastrophen betroffen war.

Spanische Zulieferer leiden

Die jüngste Katastrophe, die Flut in der Region Valencia, liegt erst gut zwei Wochen zurück. Stadler betreibt in der südspanischen Stadt ein grosses Werk für die Herstellung von Lokomotiven mit 3000 Mitarbeitenden. Es blieb selbst unversehrt, doch wurden die Betriebe von ungefähr 30 Zulieferern südlich von Valencia stark beschädigt. Auch können wegen zerstörter Strassen und unterbrochener Verbindungen des öffentlichen Verkehrs weiterhin rund 400 Stadler-Beschäftigte ihren Arbeitsplatz in der Lokomotivfabrik nicht erreichen.

Bereits Ende Juni hatte die Überflutung eines Werks des Herstellers von Aluminiumprofilen Constellium in Siders bei Stadler für Aufregung gesorgt. Das Werk, das normalerweise 9000 Tonnen pro Jahr an Aluminiumteilen für das Unternehmen produziert, konnte erst ab Ende Oktober wieder zu liefern beginnen. Der Rückstand bei den Auslieferungen dürfte sich nach Einschätzung von Stadler noch bis Ende August 2025 erstrecken.

Wegen Hochwasser wurde zudem Ende September ein fertig gebauter Doppelstockzug für die ÖBB im niederösterreichischen Dürnrohr so schwer beschädigt, dass er verschrottet werden muss. Die Beeinträchtigungen wegen der Naturkatastrophen zwingen Stadler, innerhalb des eigenen Produktionsnetzes Tätigkeiten in andere Werke zu verschieben. Auch müssen Anpassungen bei Zulieferern gemacht und zusätzliche Warenlager gebildet werden. All das braucht Zeit und kostet.

Ein Produkt aus Tausenden von Einzelteilen

Die Herstellung von Schienenfahrzeugen ist ein hochkomplexes Unterfangen. Ein Zug besteht aus 20 000 und mehr Komponenten. Die Einzelteile stammen von einer Vielzahl von Zulieferern, da sich Stadler wie andere Anbieter von Zügen auf die Montage der Fahrzeuge konzentriert.

Fehlen Teile, stockt die Montage rasch, wie Stadler bereits in den ersten zwei Jahren der Corona-Pandemie schmerzvoll erleben musste. Lieferketten waren damals weltweit unterbrochen. Derart gravierend sind die Auswirkungen der jüngsten Naturkatastrophen bei weitem nicht, doch sah sich der Konzern am Mittwochabend nach Börsenschluss gleichwohl gezwungen, eine Gewinnwarnung zu veröffentlichen.

Wegen verzögerter Auslieferungen, die auch die schon länger schleppenden Geschäfte mit neuen U-Bahn-Zügen für die Berliner Verkehrsbetriebe betreffen, dürfte das diesjährige Umsatzziel von 3,5 bis 3,7 Milliarden Franken nicht mehr erfüllt werden. Die Marge auf Stufe Betriebsergebnis (Ebit), die laut der bisherigen Zielsetzung das Vorjahresniveau von 5,1 Prozent erreichen sollte, wird nach Erwartung des Unternehmens neu bis zu 2 Prozentpunkte tiefer ausfallen.

Anleger reagierten am Donnerstag konsterniert. Der Aktienkurs von Stadler, der sich bereits seit eineinhalb Jahren auf Talfahrt befindet, verlor bis zum Mittag um weitere 10 Prozent auf knapp 20 Franken. Analysten der Zürcher Kantonalbank sprachen davon, dass die Auswirkungen der Naturkatastrophen ihre Befürchtungen «erheblich» überstiegen hätten.

An einer kurzfristig durchgeführten Medienkonferenz versuchte das Stadler-Management im Beisein des Verwaltungsratspräsidenten und Grossaktionärs Peter Spuhler, die Gemüter zu beruhigen. Markus Bernsteiner, der Konzernchef, beteuerte, alles zu tun, um die Rückstände möglichst schnell wettzumachen. Er verwies darauf, dass man mit Aufholprozessen Erfahrung habe. So sei es dem Unternehmen 2022 gelungen, die Corona-bedingten Verzögerungen der beiden Vorjahre aufzuholen.

Peter Spuhler, VR-Präsident und Grossaktionär von Stadler Rail.

PD

Die Führung von Stadler mag sich mit solchen Worten selbst Mut zusprechen. Unter Investoren wachsen indes die Zweifel, ob es das Unternehmen vor lauter Problemen noch schaffen wird, endlich auf einen Wachstumskurs umzuschwenken und die Profitabilität deutlich zu steigern. Die Branchenbeobachter der ZKB hatten schon vor der jetzigen Revision nach unten die Jahresziele von Stadler als «wenig inspirierend» taxiert. Ihrer Ansicht nach ist nun sogar mit einer Dividendenkürzung zu rechnen.

Management kassiert Prognosen für nächste zwei Jahre

Eine andere Frage ist, in welchem Umfang sich der Schienenfahrzeughersteller gezwungen sehen wird, seine Prognosen für die kommenden zwei Geschäftsjahre zu kürzen. Bis anhin hatte das Unternehmen den Aktionären in Aussicht gestellt, 2025 einen Umsatz von minimal 4 Milliarden und 2026 von mindestens 5 Milliarden Franken zu erwirtschaften. Zugleich sollte die Ebit-Marge 2025 auf 7 und 2026 auf bis zu 8 Prozent zu liegen kommen.

Diese Zielsetzungen gelten ab sofort nicht mehr. Neue Prognosen will das Management erst an der Bilanzmedienkonferenz im ersten Quartal des kommenden Jahres bekanntgeben.

War Börsengang ein Fehler?

An der Börse geniesst das Unternehmen derweil kaum noch Vertrauen. Anleger, die zum Zeitpunkt des Börsengangs im April 2019 Aktien von Stadler zum Emissionspreis von 38 Franken zeichneten, haben fast die Hälfte ihres Einsatzes verloren.

Spuhler kontrolliert seit dem IPO noch knapp 42 Prozent des Kapitals. Der Patron wird sich je länger, desto mehr die Frage stellen müssen, ob es nicht ein Fehler war, Stadler dem Scheinwerferlicht des Aktienmarktes auszusetzen. Für die Häufung von Naturkatastrophen kann das Unternehmen zwar nichts, doch ist sein komplexes Geschäft wohl nicht nur zu schwankungsanfällig, sondern auch zu wenig wachstumsstark und zu margenschwach, um bei Anlegern auf Anklang zu stossen.

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