In der Mode, in Filmen und nun auch auf Netflix mit dem heiss erwarteten Kampf wischen dem Altmeister Mike Tyson und dem Neu-Gockel Jake Paul: Der Boxsport erfreut sich wieder steigender Beliebtheit.
Serien und Filme können Trends auslösen. Nach «Findet Nemo» wollten alle einen Clownfish, nach «Euphoria» Glitzer-Make-up, und «Barbie» sorgte dafür, dass Rosa sich als Erwachsenenfarbe wieder etablierte. Nun ist es für einmal andersrum: Boxen steht so hoch im Kurs, dass der für Serien bekannte Streamingdienst Netflix nun einen Boxkampf live zeigt. Natürlich nicht irgendeinen: Der mehrfache Weltmeister im Schwergewicht Mike Tyson tritt gegen Jake Paul an, mit 27 Jahren nur knapp halb so alt wie der 58-Jährige Tyson. Paul ist ein erfolgreicher Youtuber, erst seit 2020 boxt er als Profi.
Der Kampf wird mit Spannung erwartet, nicht zuletzt auch, weil Netflix die Vorbereitungen als mehrteilige Dokumentation im Vorfeld ausstrahlt und auch die Kontrahenten selbst sie eifrig bewerben. Auf das Outfit von Jake Paul darf man gespannt sein: Eine Million soll es gekostet haben und damit das teuerste Box-Outfit aller Zeiten sein. Da diese hauptsächlich aus Shorts bestehen und stofflich also eher begrenzt daherkommen, ist es umso spannender, was diesen Preis rechtfertigt.
Modisches Investment
Aber auch Normalsterbliche können in diesen Look investieren: Letztmals beliebt in den 2010er Jahren, damals durch ein Modell von Miu Miu, ist nun der Boxerstiefel zurück in der Damenmode. Die kniehohen geschnürten Stiefel mit den dünnen Sneaker-Sohlen werden von Dior, Ganni und der Kooperation zwischen Puma und Ottolinger propagiert. Wer nicht in Luxusmode investieren kann oder will, wird bei Sportbrands wie Adidas fündig.
Aber nicht nur modisch hat sich der Boxsport breitgemacht. Die Trainingsangebote steigen, gerade für Frauen. Communitys wie die Boxing Sisters, die in über zehn Städten vertreten sind, auch in Zürich, bieten an den Boxsport angelehnte Work-outs an. Sie heben die Vorteile des Sports hervor: Fitness, Stärke, aber auch ein gesteigertes Selbstvertrauen.
Ausweg aus dem Übel
Woher kommt die neue Lust an dieser Sportart, die als eine der ältesten der Welt gilt? Sicher hat die angespannte Weltlage damit zu tun. Stärke zu zeigen, scheint wichtiger denn je. Und Boxen gehört zu den Sportarten, die als Ausweg gelten, sie versprechen den sozialen Aufstieg, aber auch, emotional zu wachsen. Dafür gibt es reale Beispiele: Der Schauspieler Danny Trejo (bekannt aus «Machete» von 2010) etwa schaffte es dank seinem Boxtraining, die kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Dieses Narrativ wird auch von der Filmindustrie unterstützt, von der «Rocky»-Reihe (1976–1985) über «Million Dollar Baby» mit Hilary Swank (2005) hin zur neuen chinesischen Filmkomödie «Yolo».
Das wieder erwachte Interesse am Boxsport ist demnach nicht als Zeichen gesteigerter Aggressivität einzustufen, sondern vielmehr als eine Möglichkeit, sich selbst zu ermächtigen und dem Weltgeschehen etwas entgegenzusetzen. Und wer weiss, vielleicht kommen ja auch bald wieder Zeiten für ausgelassene, friedliche Tanzsportarten.
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