Ein defekter Motor zwang die Swiss kurz vor Weihnachten zu einer Notlandung in Graz. Ein Besatzungsmitglied stirbt später im Krankenhaus. Nun geraten die Schutzmasken in die Kritik. Eine Rekonstruktion.
Es ist der 23. Dezember, vielleicht freuen sich die Passagiere des Fluges LX 1885 auf die Weihnachtsferien. Sie reisen von Bukarest nach Zürich, erreichen ihr Ziel jedoch nicht wie geplant. Um 17:38 Uhr wurde am Flughafen Graz die Alarmstufe zwei von drei ausgelöst. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich das Swiss-Flugzeug in einem steilen Sinkflug. Der Pilot leitete eine Notlandung ein, da in der Kabine Rauch aufstieg. Viel Rauch.
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An Bord befinden sich 74 Passagiere, die nach der Landung über die Notrutsche aus dem Flugzeug evakuiert werden. Zwölf benötigen ärztliche Hilfe. Von den fünf Besatzungsmitgliedern werden zwei sofort ins Krankenhaus gebracht; Einer von ihnen, ein junger Flugbegleiter, wird per Hubschrauber transportiert. Am 30. Dezember verstarb er in einem Krankenhaus in Graz.
Der CEO der Swiss, Jens Fehlinger, sprach später von einem „schwarzen Tag“. Er sagt, der Mitarbeiter sei Teil der Schweizer Familie gewesen. „Wir sind zutiefst schockiert.“
Es ist das erste Mal seit der Gründung der Swiss, dass ein Besatzungsmitglied an den Folgen einer Operation starb. Wie konnte das passieren?
Durch Alarmton geweckt
Auch zwei Wochen nach dem Unfall bleiben viele Fragen offen. Die Staatsanwaltschaft Graz hat ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung eingeleitet. Am Samstag teilte sie dem Mitarbeiter auf Anfrage der „NZZ am Sonntag“ mit, dass der Mitarbeiter an einer Hirnschädigung aufgrund von Sauerstoffmangel gestorben sei. Die toxikologischen Ergebnisse stehen noch aus.
Die genauen Vorgänge an Bord sind noch nicht geklärt. Aber vieles lässt sich heute schon rekonstruieren.
Als der Flug um 16:16 Uhr Schweizer Zeit in Bukarest abhebt, läuft zunächst alles normal. Eine Passagierin erzählte später einer Grazer Zeitung, dass sie schlief und erst aufwachte, als sie ein lautes Geräusch hörte. Die Kabine war dann bereits voller Rauch. „Die Menschen konnten kaum atmen.“
Ein von der „NZZ am Sonntag“ verifiziertes Video zeigt Passagiere, die sich Hände und Kleidungsstücke vors Gesicht halten. Der Rauch scheint aus dem hinteren Teil des Flugzeugs zu kommen, oder zumindest werden die Rauchwolken dort dicker. Es sind lange Pieptöne zu hören. „Ist es jetzt besser?“ Man hört jemanden fragen. Keine Antwort.
Das Video wurde von einem rumänischen Medienunternehmen auf YouTube veröffentlicht.
Youtube
Andere Passagiere berichteten, dass ein Besatzungsmitglied an Bord das Bewusstsein verloren habe. Swiss bestätigt dies und sagt, dass es die Flugbegleiterin war, die später starb.
Das zweite Besatzungsmitglied, das ebenfalls ins Krankenhaus eingeliefert werden musste, konnte inzwischen nach Hause zurückkehren. Auch den Passagieren geht es wieder gut. Am 24. Dezember wurden sie mit einem Sonderflug an ihr Ziel gebracht. Als er in Zürich ankam, sagte ein Mann zu „20 Minutes“, dass er Weihnachten nun noch etwas mehr genießen werde.
-Schutzmasken für das Personal bereiteten Probleme
Schwierige Tage hatte dagegen die Swiss. Sie musste bekannt geben, dass ihr Airbus A220 einen Triebwerksschaden hatte. Dabei entstand Rauch, der vermutlich über die Klimaanlage ins Cockpit und in die Kabine gelangte.
Rauch im Flugzeug – ein Szenario, für das Swiss eine klare Vorgehensweise hat. Passagiere werden gebeten, Mund und Nase mit einem Tuch zu bedecken und auf ihren Sitzplätzen zu bleiben. Die Sauerstoffmasken werden nicht verwendet, da der Sauerstoff einen möglichen Brand anheizen könnte.
Der Besatzung werden hingegen spezielle Schutzmasken, sogenannte Atemschutzgeräte, zur Verfügung gestellt. Die gelben Masken werden wie die Schutzhüte der Imker über den Kopf gestülpt. Sie sollten luftdicht sein und durch eine chemische Reaktion ihren eigenen Sauerstoff produzieren. Rauch und Gase bleiben draußen.
Die Besatzung des Fluges LX 1885 nutzte offenbar die Masken. In dem erwähnten Video ist ein Besatzungsmitglied zu sehen, das mit einer Maske auf einem Sicherheitssitz festgeschnallt ist. Die Verpackung liegt aufgerissen auf dem Boden. Ob auch die anderen Besatzungsmitglieder die Masken trugen, ist unklar. Swiss macht keine Angaben zum Geschehen an Bord. Für jedes Besatzungsmitglied stand eine Maske zur Verfügung.
Warum konnte sich ein Teil der Besatzung immer noch nicht ausreichend schützen? Fest steht: Es gibt Probleme mit den Schutzmasken. Im Juli 2023 kamen sie wegen Gerüchen auf einem Swiss-Flug über den Ärmelkanal zum Einsatz. Einige Masken wurden jedoch beschädigt, nachdem sie aus der vakuumversiegelten Verpackung entnommen wurden. Dies wurde später in einem Bericht der Schweizerischen Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) festgehalten.
Im Oktober 2023 kündigte die Swiss an, die Masken des betroffenen Typs innerhalb von „wenigen Monaten“ ersetzen zu wollen. Doch dieser Prozess ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Auf dem Flug von Bukarest nach Zürich kamen die alten Masken zum Einsatz. War Swiss zu langsam?
Meike Fuhlrott, Schweizer Mediensprecherin, bestreitet dies. „Für den Austausch der Masken hatten wir acht bis sechzehn Monate eingeplant.“ Sie betont, dass bei zahlreichen Fluggesellschaften die gleichen Atemschutzmasken im Einsatz seien und offiziell zertifiziert seien.
Mittlerweile hat die Swiss eine spezielle Schulung zum Umgang mit den Masken durchgeführt. „Alle Besatzungsmitglieder hatten bereits im vergangenen April das Zusatztraining absolviert“, sagt Fuhlrott. Auf die Frage, ob der verstorbene Mitarbeiter erst im Nachhinein zur Swiss eingestiegen sei, ging sie nicht ein.
„Evakuierung wie ein Lehrbuch“
Luftfahrtexperten verteidigen Swiss. „Die Installation der spezifischen Maskenhalter für jeden Flugzeugtyp und deren Neuzertifizierung nimmt viel Zeit in Anspruch“, sagt Hansjörg Bürgi, Chefredaktor des Luftfahrtmagazins „Skynews.ch“. Zudem hat Swiss korrekterweise zunächst die Langstreckenflugzeuge umgerüstet, da auf Kurzstreckenflügen eher Notlandungen möglich sind. Und das ist das Wichtigste, wenn in der Kabine Rauch herrscht.
Aus Graz heißt es, die Swiss habe bei der Notlandung vorbildliche Arbeit geleistet. Ewald Hauptmann, der den Einsatz vor Ort leitete, sagt: „Es war eine Evakuierung wie aus dem Bilderbuch.“ Das Glück hat auch dafür gesorgt. Denn die Flugroute Bukarest-Zürich führt direkt über Graz. Auch für eine Evakuierung ist der Flughafen Graz ideal: Er ist groß genug, um mit einer A220 zu landen. Und der relativ geringe Verkehr ermöglicht eine Evakuierung der Flugzeuge direkt auf der Landebahn.
Der Fokus liegt jedoch auf dem amerikanischen Unternehmen RTX Corporation. Denn ihr gehört nicht nur der Hersteller des defekten Triebwerks, Pratt & Whitney, sondern auch der Hersteller der Schutzmasken, Collins Aerospace. RTX Corporation äußert sich nicht zu möglichen Problemen mit seinen Produkten. Sie betont, dass sie eng mit den Behörden zusammenarbeite, um die Umstände des Vorfalls zu klären.
Die Passagiere des Fluges LX 1885 kamen entsetzt davon. Doch das Unglück wird die Swiss noch lange prägen.
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