Die perversen Auswirkungen von Haushaltseinsparungen

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Die perversen Auswirkungen von Haushaltseinsparungen

Drei Wissenschaftler teilen ihre Gedanken.

Pascal Sciarini, Rahel Freiburghaus, Adrian Vatter

Heute um 9:09 Uhr veröffentlicht.

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Wenn drei Bundesräte gemeinsam vor den Medien auftreten, dann deshalb, weil das Thema heikel ist. Tatsächlich: Am 20. September 2024 stellten die Big-Money-Managerin Karin Keller-Sutter und zwei ihrer Kollegen einen ambitionierten Sparplan vor. Um die zu erwartenden Defizite einzudämmen und die Bundesfinanzen zu konsolidieren, sollen die Ausgaben ab 2027 um 3,5 bis 4,3 Milliarden gekürzt werden. Der Kürzungskatalog umfasst 60 Maßnahmen in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel: 900 Millionen weniger für Kindergärten, 400 für Objektsanierungen, 300 für Beiträge die AVS und 200 für die Eisenbahninfrastruktur.

Obwohl die Verschuldung des Bundes im internationalen Vergleich relativ bescheiden ist, geht dieser Konsolidierungsplan in die gleiche Richtung wie der vieler europäischer Länder. Ob Mitte-Links oder Mitte-Rechts, alle Regierungen dieser Länder halten Sparmaßnahmen für die geeignete Politik, um Wohlstand und soziale Stabilität zu gewährleisten. Aus wirtschaftlicher Sicht scheint die Sache klar: Durch die Begrenzung der öffentlichen Ausgaben werden Ressourcen für Investitionen freigesetzt und die Produktivität erhöht, was dann das Wachstum fördert.

Darüber hinaus wird das, was der Staat heute spart, später durch einen Schuldenzinserlass wieder zurückgewonnen. Doch was sind die (unbeabsichtigten) politischen Folgen einer Sparpolitik und einer Kürzung staatlicher Leistungen? Die Finanzkrise 2007–2008 und die darauf folgende Staatsverschuldung in vielen Ländern führten dazu, dass sich die Politikwissenschaft verstärkt mit dieser Frage beschäftigte. Unsere Kollegen Evelyne Hübscher, Thomas Sattler und Markus Wagner haben beispielsweise die Auswirkungen von Sparmaßnahmen auf Wahlbeteiligung, die Wahl extremer Parteien und Polarisierung untersucht.

Diese Studie, die 166 Wahlen in 16 OECD-Ländern seit 1980 umfasst, zeigt, dass ein Sparkurs mit einem Rückgang der Wahlbeteiligung einhergeht und vor allem kleinen radikalen Parteien auf der linken und rechten Seite zugute kommt. Letztere ziehen enttäuschte Wähler an, während die Regierungsparteien oft stark leiden. Jüngstes Beispiel: die Wahlerfolge der Rassemblement National und von La France insoumise nach der umstrittenen Rentenreform und anderen unpopulären Maßnahmen unter der Präsidentschaft Macrons.

Auch die Sparpolitik verschärft die politischen Spaltungen. Wenn Staaten weniger Geld ausgeben, führt das zu größerer Polarisierung und größerer Instabilität der Demokratien. Andere Studien zeigen, dass die Sterblichkeitsrate im Allgemeinen und die Selbstmordrate im Besonderen in Zeiten von Haushaltseinsparungen höher sind. Auch die Bevölkerung ist stärker gestresst und die öffentlichen Dienstleistungen verschlechtern sich. Schließlich widerspricht die Realität der Zahlen auch den Lehrbüchern der Wirtschaftswissenschaften: Eine Sparpolitik führt nicht zwangsläufig zu einer Senkung der Schuldenquote. In Zeiten wirtschaftlicher Abschwächung können Sparmaßnahmen sogar zu einem weiteren Anstieg der Verschuldung führen. Wofür? Denn wie der IWF in seinem „World Economic Outlook“ vom April 2023 feststellte, führen Ausgabenkürzungen zu einem Rückgang der Wirtschaftsleistung.

Die Botschaft ist klar: Wenn der Staat Leistungen kürzt, nehmen Polarisierung und Umverteilungskonflikte zu und es wird für eine Regierung immer schwieriger, ihre Politik glaubwürdig und kohärent zu verteidigen. Dies fördert letztlich Blockaden und politische Instabilität. Paradoxerweise bewirken Haushaltssparmaßnahmen nicht die Begrenzung der öffentlichen Ausgaben und die Eindämmung von Defiziten, sondern den gegenteiligen Effekt. Angesichts dieser Ergebnisse möchten wir Finanzministerin Karin Keller-Sutter empfehlen, nicht nur in ihrem Privatleben, sondern auch in ihrer Arbeit im Staatsdienst ihrem eigenen Rat zu folgen: „Privat bin ich lieber.“ großzügig. Natürlich keine Verschwendung, das würde nicht zu meiner Erziehung passen. Aber man muss auch Spaß haben.“

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