NOS-Nachrichten•Mittwoch, 18:49 Uhr
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Guus Boeren
Herausgeber Brüssel
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Tijn Sadee
Korrespondent der Europäischen Union
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Guus Boeren
Herausgeber Brüssel
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Tijn Sadee
Korrespondent der Europäischen Union
EU-Beitrittskandidaten haben im vergangenen Jahr bedeutende Schritte in Richtung EU-Beitritt unternommen. Dies geht aus den von der Europäischen Kommission vorgelegten Erweiterungsberichten hervor.
Jedes Jahr veröffentlicht die Europäische Kommission Berichte, in denen die Fortschritte der Kandidatenländer untersucht werden. Mittlerweile sind es zehn: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Moldawien, Georgien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, die Ukraine und die Türkei (mit denen die Verhandlungen in den letzten Jahren eingefroren wurden).
In diesem Jahr wird diesem Thema besondere Aufmerksamkeit gewidmet, da die EU-Mitgliedschaft bei den jüngsten Wahlen in Moldawien und Georgien Thema war. Auch die Reise von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen durch alle Kandidatenländer auf dem Balkan in der vergangenen Woche machte deutlich, dass die Erweiterung für ihre Kommission ganz oben auf der Tagesordnung steht.
Dass es für Brüssel ein so drängendes Thema ist, liegt am Krieg in der Ukraine. „Die Erweiterung beschleunigt sich enorm“, sagt EU-Spitzendiplomatin Angelina Eichhorst. Die Niederländerin war in den letzten Jahren eng in den Expansionsprozess eingebunden. „Aufgrund des Krieges ist der geopolitische Expansionsbedarf hoch.“
Neue Schritte
In den Berichten heißt es, die Kommission sehe Anlass, im Beitrittsprozess für verschiedene Kandidaten neue Schritte einzuleiten. Dem müssen zunächst alle EU-Länder zustimmen. Es ist nicht selbstverständlich, dass sie es sind. In der Vergangenheit kam es aufgrund einzelner Blockaden durch EU-Länder zu erheblichen Verzögerungen.
Sechs der zehn Länder, die derzeit im Wartezimmer stehen, liegen auf dem Westbalkan. Der Beitritt dieser Länder verlief jahrelang schleppend, doch die EU versucht nun, den Prozess mit einem neuen Ansatz zu beschleunigen. Wenn Länder Reformen umsetzen, erhalten sie im Gegenzug Investitionen und Zugang zum europäischen Markt.
Wirtschaftliche Fischreuse
Die EU versucht, diese Länder Schritt für Schritt zu integrieren. Spitzendiplomaten in Brüssel sprechen von einer „Fischfalle“, in der die Länder langsam auf eine stärkere wirtschaftliche Integration zusteuern. Laut Eichhorst blicken die Kandidatenländer auch aufeinander. „Die Dinge in Montenegro gehen jetzt sehr schnell voran, die Serben schauen sich das an und denken: ‚Wir müssen zuerst gehen!‘.“
Diese Strategie scheint sich zunächst einmal auszuzahlen. Die EU hat vor einigen Wochen die ersten Verhandlungskapitel mit Albanien eröffnet. Montenegro hat bereits einige Fortschritte gemacht, und dem Bericht zufolge könnte dort mit dem Abschluss bestimmter Verhandlungskapitel begonnen werden. Dieses Land wird auch als erster Neuankömmling erwähnt; Das Land könnte im Jahr 2028 beitreten.
Es bleiben aber auch Bedenken bestehen. Im Bericht über Bosnien und Herzegowina sagt die Kommission, dass die Reformen seit Anfang dieses Jahres ins Stocken geraten seien.
Auch Serbien steht unter der Lupe. Neben einer engeren Anbindung an die EU strebt das Land auch Partnerschaften mit China und Russland an. „Serbien wird seine Außenpolitik irgendwann an die der EU anpassen müssen, sonst ist der Beitritt gefährdet“, sagte EU-Außenbeauftragter Borrell bei der Vorstellung der Berichte.
Erklärt: die Erweiterung der EU
Auch Länder auf der Ostseite der Europäischen Union wollen der EU beitreten. Für die Ukraine ist die EU-Mitgliedschaft weiterhin ein wichtiges Ziel. Die Europäische Kommission hofft, dass die Verhandlungen im nächsten Jahr beginnen können, sofern die Ukraine alle Anforderungen erfüllt.
Russischer Einfluss
Die Kommission will auch Schritte mit Moldawien unternehmen. Das Land bewegt sich derzeit auf einem schmalen Grat, wenn es um den Beitritt geht. Beim Referendum vor anderthalb Wochen stimmte eine sehr knappe Mehrheit dafür, die europäische Zukunft des Landes in der Verfassung zu verankern. Die Frage ist, ob der europäische Kurs Moldawiens endgültig ist. An diesem Wochenende findet die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen statt. Der pro-europäische Präsident Sandu steht einem pro-russischen Kandidaten gegenüber.
In Georgien scheint die EU-Mitgliedschaft immer weiter in weite Ferne zu rücken. Die Kommission gibt an, dass der Beitritt durch die Maßnahmen der georgischen Regierung, beispielsweise die Einführung eines Gesetzes über ausländische Agenten, ins Stocken geraten sei. Kritisch sieht die EU auch die Wahlen vom vergangenen Wochenende, bei denen es zu groß angelegten Wahlfälschungen kam. Die Staatsanwaltschaft in Georgia hat heute diesbezüglich eine Untersuchung eingeleitet.
Trotz der neuen Energie im Erweiterungsprozess gibt es immer noch zahlreiche Herausforderungen für die Erweiterungsagenda der EU. Diplomat Eichhorst hofft, dass die EU mit neuem Schwung weitermacht. Ihrer Meinung nach ist es wichtig, dass die EU stärker wird. „Mit der Expansion hat man zusätzliche Stimmen, auch auf globaler Ebene.“