Heute wird der Schweizer Buchpreis verliehen. Doch nicht alle Autoren machen mit

Heute wird der Schweizer Buchpreis verliehen. Doch nicht alle Autoren machen mit
Heute wird der Schweizer Buchpreis verliehen. Doch nicht alle Autoren machen mit
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Heute wird der Schweizer Buchpreis verliehen. Doch längst nicht alle Autoren wollen bei diesem «Zirkus» mitmachen. Vielleicht würde das Ego angekratzt.

Ein Büchergestell in einem Fenster, fotografiert am Montag, 22. Juli 2024, beim Bahnhof Basel.

Christian Beutler / Keystone

Die Nerven liegen blank. Drei Autorinnen und zwei Autoren werden heute Mittag im Theater Basel auf Nadeln sitzen und darauf warten, welcher Name fallen wird. Eine oder einer von ihnen wird den Schweizer Buchpreis gewinnen, die vier anderen nicht. Wird es die als Favoritin gehandelte Zora del Buono? Martin R. Dean mit seinem vielschichtigen Erinnerungsbuch? Oder Michelle Steinbeck und ihr rasanter Rache-Krimi? Vielleicht auch Mariann Bühlers fabelhaftes literarisches Debüt? Mit Béla Rothenbühler endlich ein Mundart-Autor?

Es ist eine Wettbewerbssituation von höchster Anspannung. Im Moment der Enttäuschung können einem da schon einmal die Nerven durchgehen. Dies ist kürzlich Clemens Meyer passiert. Er war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Als verkündet wurde, dass Martina Hefter die Auszeichnung erhält, rief Meyer, es sei eine Schande für die Literatur, dass sein Buch den Preis nicht bekomme, und stürzte aus dem Saal, um draussen vor sich hin zu schimpfen. Dabei hätte Meyers Roman «Die Projektoren» den Buchpreis wahrlich verdient (NZZaS vom 12. 10. 24). Doch zu den Spielregeln solcher Preise gehört eben, dass die Entscheidung der Jury immer auch von deren Konstellation abhängt und letztlich unberechenbar ist.

Dass Clemens Meyer dermassen aus der Haut gefahren ist, ist menschlich und erfrischend: Die Entscheidung für ein anderes Buch nicht persönlich zu nehmen, fällt schwer. Offen zu seiner Enttäuschung bekannte sich auch Alain Claude Sulzer, der zweimal für den Schweizer Buchpreis nominiert war, ohne ihn zu erhalten. In dieser Zeitung begründete er 2022, warum er sich die Demütigung künftig ersparen und nicht mehr am Rennen teilnehmen will. Sich mit dem Gewinner mitzufreuen, sei ihm nicht möglich. Auch Alex Capus schreibt: «Ich mag kein Zirkuspferd sein.» In «Bücher am Sonntag» erläuterte er, warum er sich nicht für Preise bewirbt: Er möge literarische Wettkämpfe nicht. Wie könne man so verschiedene Werke miteinander vergleichen? «Literatur ist doch keine olympische Disziplin.»

Dass eine Buchpreisnomination mit Shortlist, Lesetournee und laufenden Kameras ein «Zirkus» ist, wie Capus schreibt, mag man kritisieren. Doch es ist dieser Rummel, der die Literatinnen und Literaten näher zum Publikum bringt. Alex Capus hat als renommierter und erfolgreicher Autor diesen Zirkus nicht nötig. Seine Bücher landen auch so auf den Bestsellerlisten. Aber viele andere Autoren erhalten wenig Aufmerksamkeit, die wenigsten können vom Schreiben leben. Für sie bedeutet die Nominierung eine Chance in Form von Auftrittsmöglichkeiten und Berichterstattung. Und damit mehr verkaufte Bücher.

Das Besondere am sogenannten Buchpreis ist seine enge, auch institutionelle Verflechtung mit dem Buchhandel. Nichts katapultiert den Verkauf solchermassen in die Höhe wie der Deutsche Buchpreis (deshalb wollte ihn Clemens Meyer unbedingt). Der Roman der aktuellen Preisträgerin Martina Hefter ist inzwischen auf Platz zwei der «Spiegel»-Bestsellerliste geklettert. Täglich verkaufen sich laut dem Klett-Cotta-Verlag 1500 bis 3000 Exemplare, insgesamt sind es bisher 130 000, Tendenz steigend. Mit diesen Dimensionen kann der Schweizer Buchpreis nicht mithalten; aber auch hier werden preisgekrönte und oft auch nominierte Bücher zu Bestsellern.

Wenn eine Shortlist und gemeinsame Lesungen den Eindruck von Wettkampf suggerieren, mag sich dies für Autoren unangenehm anfühlen. Verlieren kratzt manche Egos an. Doch es ist ein klassischer Fall des Prinzips Tun Sie Folgendes: Für Aufmerksamkeit und Wertschätzung muss man etwas tun. Gar nicht unangenehm ist eine Shortlist nämlich für Leserinnen und Leser. Die Juryauswahl kommt ihrem Bedürfnis nach Orientierung entgegen und steht für literarische Qualität.

Schade ist nur, dass der Buchpreis auf erzählende Prosa beschränkt ist und andere, innovative Genres wie Essay, Graphic Novel oder Lyrik ausschliesst. So ist etwa Eva Maria Leuenbergers herausragendes Langgedicht «die spinne» durch die Maschen gefallen. Literatur entzieht sich der Logik des Wettbewerbs. Und wenn man es weniger athletisch betrachtet, könnte man auch sagen: Alle, die auf der Shortlist stehen, haben schon gewonnen.

Die Journalistin war 2022 selbst Mitglied der Jury des Schweizer Buchpreises.

Hier geht’s zu den Rezensionen der für den Schweizer Buchpreis nominierten Bücher.

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