Peter Goetschi, hier bei einer Pressekonferenz im vergangenen Juli.Schlussstein
Am Sonntag muss das Volk darüber abstimmen, ob die Autobahnen verbreitert werden sollen oder nicht. Für TCS-Chef Peter Goetschi hat das Auto in der Schweiz noch eine glänzende Zukunft vor sich. Aber er appelliert an die Wähler.
Benjamin Rosch / ch media
An diesem Sonntag entscheidet das Volk: Soll der Bund bestimmte Autobahnabschnitte ausbauen oder nicht? Wenn zuerst die Autofahrer betroffen sind, kommt zwangsläufig der Chef des Schweizer Touren-Clubs (TCS) zu Wort. Interview.
Umfragen zum Autobahnausbau deuten auf eine Ablehnung hin. Hat das Auto in der Schweiz seinen Platz verloren?
Peter Götschi: Ganz klar, nein. Das können wir bereits an den Zahlen erkennen. 80 % unserer Mobilität erfolgt über die Straße und nur 16 % über die Bahn. Sowohl das Auto als auch die Bahn sind wichtig und in der Schweiz haben wir das Glück, auf beide Verkehrsmittel zurückgreifen zu können und diese stetig weiterzuentwickeln.
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Und doch erleben wir massiven Widerstand gegen das Projekt. Hat Sie dieser Gegenwind überrascht?
Es war immer klar, dass es Widerstand geben würde. Aber ich war überrascht von der Intensität der Debatte. Diese Reaktion lässt uns leider das eigentliche Problem vergessen: die Anpassung der Infrastrukturen, die für die Entwicklung unseres Landes notwendig sind.
„Sie alle müssen in der Lage sein, den demografischen Wandel zu bewältigen“
Dies betrifft das Straßen- und Schienennetz, wir können aber auch Energie oder Schulen nennen. Aber es gelingt ihnen im Moment nicht. Auch von einer Betonierung des Landes ist die Rede, allerdings handelt es sich dabei um Informationen, die nicht auf Fakten beruhen. Diese Aussage ist falsch und ich finde sie beunruhigend.
Die Linke lehnt das Projekt ab, was vorhersehbar war. Doch Umfragen zeigen auch Skepsis bei rechten Wählern. Haben Sie den Widerstand auf dieser Seite des politischen Spektrums unterschätzt?
Es herrscht Verwirrung in den Argumenten. Es sei daran erinnert, dass die Schweiz zum Zeitpunkt des Autobahnbaus fünf Millionen Einwohner hatte. Heute sind wir zu neunt und zunehmend mobil, sei es beruflich oder privat. Es ist sowohl die Grundlage als auch ein Symbol unseres Wohlstands. Dieses gezielte Erweiterungsprojekt reagiert auf diese Realität. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Argumente gut ankommen, wenn sie sachlich vorgetragen werden.
„Und Fakt ist: Die Schweiz braucht das Auto heute und morgen noch“
Schlussstein
Im Jahr 2016 gewann die damalige Verkehrsministerin Doris Leuthard 57 % der Stimmen für die zweite Gotthard-Straßenröhre. Was ist seitdem passiert?
Damals beschäftigte das Thema die Bevölkerung stärker, insbesondere weil es um die Verkehrssicherheit ging. Und dann drehte sich die Debatte um den Gotthardtunnel, ein Symbol der Schweiz und der Alpen. Beim Ausbau der Autobahnen geht es allerdings auch um die Verkehrssicherheit, denn durch den Ausbau ließe sich Ausweichverkehr vermeiden, der sich in die Dörfer verlagert. Gerade deshalb bin ich davon überzeugt, dass wir am Sonntag ein Ja bekommen werden.
Hätten Sie sich mehr Unterstützung im Wahlkampf gewünscht? Zum Beispiel aus den betroffenen Kantonen?
Wir können immer und auf allen Ebenen mehr tun. Ich stelle jedoch fest, dass sowohl das Parlament als auch die Kantone diese Projekte unterstützen, ebenso wie der Schweizerische Bauernverband und Wirtschaftskreise. Das ist nicht verwunderlich, denn in der Schweiz nutzt jeder die Autobahn.
Von Kanton zu Kanton sind die Unterschiede stark. Welches Interesse haben die Jurabewohner beispielsweise am Ausbau der A1 zwischen Genf und dem Kanton Waadt?
Die Herausforderung besteht gerade darin, dies verständlich zu machen. Unsere Autobahnen sind ein Straßennetz, das landesweit funktionieren muss, sei es für den Güter- oder Personentransport. Die Schweiz ist Vorreiter bei der Verlagerung von der Straße auf die Schiene. Dennoch wird ein großer Teil des Gütertransports auf der Straße abgewickelt, insbesondere im Vertriebssektor. Als Freiburger bin auch ich auf zuverlässige Infrastruktur für Genf, Bern oder Basel angewiesen.
„Deshalb appelliere ich an die Bevölkerung: Behalten Sie den Überblick“
In der Romandie sind die Diskussionen angespannt, da es sich bei dem Projekt um die A1 im Genferseegebiet zwischen Genf und Lausanne handelt. Aber jenseits von Sarine betrifft nichts Zürich. Ist das der Grund, warum die Deutschschweizer weniger besorgt zu sein scheinen?
Eines dürfen wir nicht vergessen: Diese Wahl wurde nicht im Hinblick auf eine Volksabstimmung getroffen, um maximale Unterstützung zu gewährleisten. Dabei handelt es sich lediglich um die sechs Projekte, die Experten des Bundesamtes für Straßen für wichtig und umsetzbar halten, um bestehende Engpässe zu beseitigen, und die Gegenstand dieser Volksabstimmung waren. Das ist schade, denn wir vernachlässigen einen wesentlichen Aspekt.
Welche?
Verkehrssicherheit. Ein wesentliches Thema für den TCS. Die Autobahn ist ein sehr sicheres und zuverlässiges Transportmittel. Dies müssen wir sicherstellen, indem wir den Verkehr weiterhin auf die Hauptstraßen lenken und ihn nicht in umliegende Dörfer und Gemeinden verlagern. Das nötige Geld wird ebenfalls aus dem Fonds für Nationalstrassen und Stadtverkehr bezogen und verursacht für den Bund keine Mehrkosten.
„Es ist eine Situation, um die viele Länder beneiden würden“
Albert Rösti hat kürzlich die Höhe der künftigen Besteuerung von Elektroautos bekannt gegeben, die auf einem ähnlichen Niveau wie bei Benzinautos liegen soll. Wie steht TCS dazu?
In der Schweiz sind es die Verkehrsteilnehmer, die für die Straße bezahlen, das ist die Regel. Heutzutage sind es vor allem Nutzer von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor, aber es ist logisch, dass mit der Elektrifizierung der Fahrzeugflotte auch das Steuersystem diesen Wandel abbilden muss. Dies ist für das Jahr 2030 geplant. Wichtig ist dem TCS in diesem Zusammenhang, dass dieses neue Modell sinkende Einnahmen kompensieren soll und nicht auf Margen oder eine Tendenz zur „Vertarifung der Mobilität“ abzielt.
Übersetzt und adaptiert von Noëline Flippe und Alexandre Cudré